Wohnkosten in Berlin: Kaufpreise sinken - Mieten steigen trotzdem
Die Preise für Wohnungen werden sinken, sagen Forscher voraus. Das bedeutet aber nicht, dass Berliner Mieter sich freuen können - im Gegenteil.
Die drastische Warnung des Branchenverbandes „Zentraler Immobilien Ausschuss“ (ZIA) vor einem „Trendbruch“ beim Rekordlauf der Wohnungspreise in Berlin alarmiert die Branche und lässt die Berliner aufmerken. Wegen der viel zu hohen Kaufpreise für Wohnungen, so der ZIA, seien Investitionen in der Hauptstadt kaum rentabel. Deshalb stehe ein Ende des Booms bevor.
Hohe Preise zwingen zu Mieterhöhungen
Dürfen die Berliner deshalb auf sinkende oder stagnierende Mieten hoffen? Auf kurze Sicht ist das Gegenteil der Fall: Die viel zu hohen Preise zwingen Käufer von Immobilien, kräftig an der Mietschraube zu drehen, damit sich ihre Investition überhaupt rechnet. Und wo der Mietspiegel Grenzen setzt, helfen Sanierung und Modernisierung zur Umschiffung dieser Klippe. So lässt sich sogar die gerade erst eingeführte Mietpreisbremse aushebeln. Und teure Wohnungspreise zwingen Käufer gleichsam dazu.
Modernisierungswelle rollt
„Der Spielraum für Mieterhöhungen wird ausgenutzt, wo es nur geht“, sagt Wibke Werner, stellvertretende Chefin des Berliner Mietervereins. Den prozentual höchsten Anstieg bei Neuvermietung haben mittlerweile Marzahn-Hellersdorf und Neukölln, die bisher als wenig attraktive Randlagen galten. Wegen der hohen Grundstücks- und Baupreise werde vorrangig in bebaute Grundstücke investiert, um durch Mieterhöhungen nach Modernisierungen höhere Renditen zu erzielen, als sie durch Mieten im Neubau möglich wären. Kurzum, „der Druck auf den Wohnungsmarkt steigt gewaltig, weil Investoren, ihre teuer gekauften Immobilien refinanzieren müssen“.
"Der Blick für Realitäten geht verloren"
Trotzdem sind die Erwartungen der Investoren immer schwerer zu erfüllen, weil die im Bundesvergleich weit überdurchschnittlichen Immobilienpreise mit den Mieten von Haushalten „bezahlt“ werden müssen, deren Einkommen unter dem deutschen Durchschnitt liegen. „Da geht der Blick für Realitäten verloren“, sagt Karl Brenke, Konjunkturexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Das robuste Wachstum in der Stadt sei zuletzt vor allem auf die „Sonderkonjunktur“ zurückzuführen, die dank der Zuwanderung von Geflüchteten, Ost- und Südeuropäern aus wirtschaftsschwachen Regionen entsteht. So wachse die Zahl der regulären Jobs etwa im Sozial-Sektor, im Bereich Erziehung und Unterricht, wo die Geflüchteten die zusätzliche Nachfrage auslösen.
Die Industrie müsste zulegen. wächst aber kaum
Von Wachstum dank Armut spricht Brenke zwar nicht, er sagt aber, dass Berlin bei der Industrie zulegen müsste, wo die Zahl der Stellen aber abnimmt. „Eine Region kann nicht davon leben, dass sich alle wechselseitig die Haare schneiden“, sagt Brenke. „Es fehlt an höherwertigen Arbeitsplätzen und das spiegelt sich im geringen Lohnniveau“.
Dass Investoren den Markt überschätzen, zeigt ein Blick auf die Wanderungen: Berlin verliert an Einwohnern im Saldo mit dem Umland, was durch die überregionale Zuwanderung aus dem Bundesgebiet kaum wettgemacht wird. Dass Berlin wächst, liegt ausschließlich am Zustrom aus dem Ausland: Vom Bevölkerungsplus im ersten Halbjahr 2016 kamen fast 90 Prozent aus dem Ausland, so das Amt für Statistik und es führt das Plus „auch auf den Nachholeffekt bei der Registrierung von Schutzsuchenden“ zurück.
"Zufälle" tragen das Wachstum
Ein von „Zufällen“ getragenes Bevölkerungswachstum nennt das Reiner Braun vom Forschungsinstitut Empirica: Ursächlich war zuletzt die offene Balkanroute, davor die Zuwanderung aus Osteuropa und davor in der Finanzkrise kamen die Menschen aus besonders betroffenen Ländern wie Griechenland und Spanien. Doch alle diese Neuberliner bringen der Stadt kaum finanzstarke Nachfrage nach teuren Wohnungen. Hinzu kommt: Berlin verliert mit der Mietenexplosion den Hipness-Faktor: Billige Wohnungen oder Läden, freie Gewerbeflächen und Brachen sind der Nährboden für Start-ups, Kreative und digitales Prekariat, aber diese preiswerten Flächen gibt es nicht mehr. Deshalb wird die Landflucht nach Berlin, die vor zehn Jahren eingesetzt hatte, nun umgelenkt. Spätestens wenn Nachwuchs erwartet wird, ziehen junge Familien raus aus der Stadt der teuren Wohnungen.
"Begrüßenswerte Abnahme der Spekulationsdynamik"
Das Beste an dieser Entwicklung fasst Engelbert Lütke Daldrup aus der Senatskanzlei so zusammen: Mit der „begrüßenswerten Abnahme der Spekulationsdynamik würde gleichzeitig der Mietenanstieg verlangsamt.“ Neubau sei weiterhin nötig, um den Wohnungsmangel zu reduzieren und die Preissteigerung zu begrenzen“. Mit der Folgerung, dass Berlin deshalb „für den Wohnungsbau ein interessanter Standort“ sei, steht er unter Experten dann aber ziemlich alleine da.
Denn die Zuzügler und dazu noch jeder zweite Berliner können sich Neubauten überhaupt nicht leisten – sie haben Anspruch auf billige Sozialwohnungen, wovon es zu wenig gibt. Bezahlbarer Wohnraum, so die Forscher, ist mit dem Anstieg der Kaufpreise verschwunden.