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Aufwärts. Auch ein Parkhaus für Spielzeugautos gehört zum Sortiment des öffentlichen Ladens der JVA Tegel in der Seidelstraße, der bei vielen Kunden gefragt ist.
© Kitty Kleist-Heinrich

Gefängniswerkstätten: Kaufmannsladen im Knast

Der JVA-Shop in Tegel bietet günstige Produkte und Dienstleistungen – mit dem Mehrwert der guten Tat.

Und was es hier alles gibt. Gartenmöbel und Tiffany-Lampen, Kinderspielzeug und Pflanzen, sogar Hochzeitstorten kann man bestellen – und alles ist von Gefangenen hergestellt. 14 Handwerksbetriebe gibt es auf dem riesigen Gelände von Deutschlands größter Haftanstalt des geschlossenen Vollzugs, der JVA Tegel. 1000 Strafgefangene arbeiten dort, manche zum ersten Mal im Leben. Was sie herstellen, deckt nicht nur den eigenen Bedarf. Die Gefangenen statten Berlins Amtsstuben mit Büromöbeln aus, sie schreinern auch für sämtliche 648 Zellen des neuen Gefängnisses in Großbeeren die Betten, Schränke und Tische, den städtischen Kitas bauen sie Holzspielzeug und Garderoben, möblieren ganze Klassenzimmer, während die Buchbinderei der Anstalt klassensatzweise Schulbücher repariert.

Ritterburg, mit Zugbrücke. Im JVA-Shop gibt es auch filigran gefertigtes Spielzeug.
Ritterburg, mit Zugbrücke. Im JVA-Shop gibt es auch filigran gefertigtes Spielzeug.
© Kitty Kleist-Heinrich

Insgesamt erbringen die Häftlinge Leistungen im Wert von jährlich vier Millionen Euro für die Berliner Verwaltung. Aber nicht nur für die. Sie backen das Brot für alle Berliner Haftanstalten, kochen ihr eigenes Essen, nähen ihre Anstaltskleidung und schustern Sicherheitsschuhe. Im JVA-Shop kann jedermann einkaufen, ab Frühjahr soll es auch einen Online-Shop geben – nicht ganz zum Zehnjährigen des Ladens, der seit Juli 2002 besteht. Strafgefangene müssen arbeiten, so will es das Gesetz. Der Ausdruck „Beschäftigungstherapie“ hat nämlich doch seine Berechtigung – die Arbeit zwingt den Häftling zu einem geregelten Tagesablauf, nimmt ihm die Langeweile, schafft Lebenssinn und bringt ihn auf dem (Rück-)weg in die Gesellschaft voran.

Dass dabei auch noch alltagstaugliche und preisgünstige Produkte herauskommen, ist an sich nur ein Nebeneffekt, weswegen es auch nicht unbedingt wirtschaftlich sein muss. Ganz konkurrenzfähig ist man denn auch nicht. „So ein Sofa aufpolstern zu lassen, kann schon mal sechs Monate Vorlauf benötigen“, sagt eine Shop-Mitarbeiterin. Es stehe eben nicht so sehr der Kundenwunsch im Vordergrund, sondern die Resozialisierung des Gefangenen. Die Justizvollzugsanstalten Plötzensee und Moabit haben Kfz-Werkstätten.

Im übrigen Deutschland betreiben die meisten Gefängnisse längst Online- Shops für ihre Waren; Niedersachsen etwa hat schon das Zehnjährige seines Internet-Knastladens gefeiert. „Dort arbeiten im Justizministerium eben fortschrittlich denkende Menschen“, sagt Klaus-Dieter Blank, Chef des Arbeitswesens in Tegel. Das sei bei uns vor zehn Jahren noch nicht der Fall gewesen, habe sich aber zum Guten verändert. Er wolle mit dem Shop erst starten, wenn sicher sei, dass der dann auch laufe – einige andere Länder hatten herbe Startprobleme.

Arzttasche, Leder, 65 Euro.
Arzttasche, Leder, 65 Euro.
© Kitty Kleist-Heinrich

Ein Shoppingtrip durchs Internet zeigt, welche Kuriositäten andere Knäste so auf Lager haben. Die JVA Hünfeld in Hessen etwa, Deutschlands erste teilprivatisierte Haftanstalt, hat eine eigene Kaffeerösterei. Pro Kilo verkauften Kaffees werden 25 Cent an den Weißen Ring abgeführt, der Opfer von Straftaten unterstützt. Die JVA Lingen betreibt eine Baumschule; die dort gezüchteten Kamelien sollen Kultstatus haben. Im Shop der JVA Remscheid bekommt man handgenähte Herrenschuhe aus Leder zum Spottpreis von 34,90 Euro, in Brandenburg schicke Flanellschlafanzüge für 17 Euro. Besonders breit ist überall das Angebot an Nistkästen und Dekokram, auch Krippenfiguren gibt es oft. Meist ist sogar der Versand inklusive.

In Berlin sind viele Sachen auch günstig, andere haben durchaus Marktpreise – aber immer noch den Bonus der guten Tat, einem gefallenen Menschen auf dem Weg zurück in die Gesellschaft geholfen zu haben. „Arbeit ist ein sehr wichtiges Instrument auf dem Weg der Resozialisierung“, sagt Klaus-Dieter Blank. „Wenn unsere Häftlinge sehen, dass das, was sie hier machen, angenommen und zum Teil sogar dringend benötigt wird, tut ihnen das gut.“ In den Anstaltsbetrieben wird auch ausgebildet. Dafür sind eigens Handwerksmeister verbeamtet worden, die zur Ausbildung befähigt sind. Zwischen acht und 14 Euro verdienen die Häftlinge pro Tag. Manche besuchen sogar noch nach der Entlassung den Shop, aus Stolz.

Holzkasse, für Kaufmannsladen, mit Schaumstoff unter den Tasten, 21 Euro.
Holzkasse, für Kaufmannsladen, mit Schaumstoff unter den Tasten, 21 Euro.
© Kitty Kleist-Heinrich

In Brandenburg bestanden vor einigen Jahren alle in der JVA Cottbus ausgebildeten Köche ihre Prüfung vor der Industrie- und Handelskammer; sogar der Jahrgangsbeste kam aus der JVA. Der Brandenburger Online-Shop kann sich auch gestalterisch sehen lassen. Zwar bemängelte der Rechnungshof jüngst, die produzierten Ladenhüter seien zu teuer für den Landeshaushalt. Wer den Shop besucht, findet aber kaum Ladenhüter, dagegen viel Schönes, das oft schnell ausverkauft ist – etwa die Buchstützen. Den Berlinern fehlt der Coolness-Faktor hingegen noch, wie ihn etwa der Hamburger Santa Fu Shop des Gefängnisses Fuhlsbüttel hat, oder auch jailers.de, der Shop der JVA Heilbronn. Einige interessante Blüten treibt das Knasthandwerk auch: Die Insassen der niedersächsischen Haftanstalten fertigen zum Beispiel Roben – für Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte.

Am 24. November steigt ab 10 Uhr wieder der Winterbasar. „Da bildet sich meist schon um 9.30 Uhr eine Schlange vor dem Tor, die sich teilt, wenn wir dann um 10 Uhr öffnen. Die Hälfte der Leute strebt zur Bäckerei und füllt sich Taschen und Körbe mit Brot und Kuchen, die andere Hälfte geht in Richtung Gärtnerei, um Pflanzen zu kaufen“, so Blank.

- JVA-Shop Tegel, Seidelstr. 41 (Mo. 13–16 Uhr, Do. 10-19 Uhr, Fr. 9-12 Uhr und nach Vereinbarung). Telefon: 90147 1350.

Winterbasar mit Weihnachtsartikeln am 24. 11. von 10-15 Uhr. Einige Gefängnisläden: meisterhaft-brandenburg.de, santafushop.de, jva-onlineshop.de, knastladen.de

Fatina Keilani

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