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Auf dem Weg zur ambulanten Behandlung. Blick in einen Krankentransporter.
© Doris Spiekermann-Klaas

Gesetzentwurf: Kassen sollen jede Krankenfahrt vorher genehmigen müssen

Nach einem geplanten Gesetz muss jede Krankenfahrt zur ambulanten Behandlung künftig vorher von der Kasse genehmigt werden. Etwa 450.000 solcher Fahrten gibt es jedes Jahr in Berlin. Firmen aus ganz Deutschland wollen am Mittwoch dagegen demonstrieren.

Matthias Rack ist fassungslos. Alle Krankentransporte zur ambulanten Behandlung müssen künftig zuvor von den Krankenkassen genehmigt werden. So sieht es der Gesetzentwurf zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vor. Rack ist Vorsitzender des Berliner Landesverbands Private Rettungsdienste. Von denen gibt es in der Hauptstadt etwa 90 Unternehmen mit rund 2000 Beschäftigten. Rack fürchtet nicht nur um die Zukunft der privaten Krankentransporte, sondern vor allem um die Gesundheit vieler Patienten.

Krankentransportunternehmen aus ganz Deutschland wollen am heutigen Mittwoch in Berlin gegen den Gesetzentwurf demonstrieren. „Er bedeutet, dass Sozialversicherungsfachangestellte über die Kostenübernahme ärztlich verordneter Krankentransporte rein nach Aktenlage entscheiden“, sagt der Präsident des Bundesverbandes eigenständiger Rettungsdienste: „Millionen hilfsbedürftiger Patienten könnten dann entweder nicht schnell genug einen Transport zu einer ambulanten Behandlung genehmigt bekommen oder würden auf den Kosten sitzen bleiben.“

Ärzte sollen weiter entscheiden, was für Patienten gut ist

„Es wäre schlimm, wenn künftig Krankenkassen-Mitarbeiter und nicht Ärzte darüber entscheiden, was für Patienten angebracht ist“, meint auch Rack: „Natürlich kommt eine sogenannte Krankenfahrt mit Taxi oder Mietwagen oft billiger. Dafür wird der Patient aber nicht von medizinisch qualifiziertem Personal betreut und – was noch dramatischer ist – Taxen oder Mietwagen müssen nicht wie die Krankentransporte regelmäßig oder bei Bedarf ständig desinfiziert werden.“

Etwa 900.000 Krankentransporte gibt es jährlich in Berlin. Die Hälfte davon fahren zu ambulanter Behandlung – und es werden mehr. „Heute wird Chemotherapie oft ambulant angeboten, damit Krebspatienten so lange es geht zu Hause bleiben können“, sagt Rack. Auch viele Operationen würden ambulant durchgeführt.

Betroffen sind vor allem kurzfristige Transporte

Für vorhersehbare ambulante Fahrten sei eine vorherige Genehmigung ja kein Problem, argumentiert er. Aber für zigtausende kurzfristiger Krankentransporte treffe dies nicht zu, schon gar nicht bei älteren oder sehr kranken Menschen. Matthias Rack kennt genügend solche Fälle. Und er befürchtet, dass das bürokratische Genehmigungsverfahren auch viele Helfer in Senioren- und Pflegeheimen abschrecken wird, einen Krankentransport zu bestellen.

Wenn etwa eine ältere, demente Frau, unter einem Verschluss des Blasenkatheters leidet, der Arzt einen Krankentransport zur ambulanten Behandlung anordnet, müsste sich das Heim um die Genehmigung durch die Krankenkasse kümmern. „Wenn Wochenende ist, dauert das möglicherweise drei Tage“, befürchtet Rack. „Das machen die überlasteten Pflegerinnen einmal – beim nächsten Fall rufen sie gleich den Rettungsdienst .“ Für die Patienten sei das im Zweifel nicht schlecht, aber die Kosten wären um ein Vielfaches höher: „Für einen Krankentransport zahlen die Kassen in Berlin höchstens 65,50 Euro“, sagt Rack: „Eine Fahrt mit dem Rettungsdienst kostet mehr als 300 Euro. Zudem haben die ohnehin schon viel zu viele Einsätze.“

Verfassungskonflikte sind schon absehbar

Rack ärgert sich besonders, weil bereits das GKV-Modernisierungsgesetz von 2003 eine Genehmigungspflicht für ambulante Fahrten vorsah. „Die gesetzlichen Krankenkassen waren damals nicht in der Lage, in angemessener Frist Genehmigungen zur Kostenübernahme für eine so große Anzahl von Patienten zu erteilen“, sagt er.

Hinzu komme, dass der qualifizierte Krankentransport der Leistungspflicht der Rettungsdienstgesetze der Länder unterliege. Er muss die dort vorgeschriebenen Hilfsfristen – in Berlin sind das 60 Minuten – unabhängig von der späteren Bezahlung der Leistung sicherzustellen. Das heißt, die Rettungsdienste müssen helfen, bekommen dies im Zweifel aber nicht bezahlt. Aufgrund seiner Auswirkungen auf die Länder hält der Bundesrat den Gesetzentwurf der Bundesregierung für zustimmungspflichtig, diese lehnt das jedoch ab. Verfassungsrechtliche Konflikte sind also programmiert.

Bundesgesundheitsminister hat keine Bedenken

Beim Bundesgesundheitsministerium sieht man kein Problem. Auf Anfrage des Tagesspiegels hieß es, bereits im GKV-Modernisierungsgesetz aus dem Jahr 2003 sei geregelt, dass die Erstattung der Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung die Genehmigung durch die Krankenkassen voraussetze. Infolge des Urteils des Bundessozialgerichts 2012 sei es zu „Rechtsunsicherheiten über die Frage der Kostenübernahme“ gekommen, weshalb im neuen GKV-Versorgungsstärkungsgesetz eine Klarstellung erfolgt sei, dass die vor über zehn Jahren beschlossene Regelung weiterhin gilt.

Das sei eine „völlig Verdrehung der Tatsachen“, sagt der auf Rettungsdienstrecht spezialisierte Anwalt Hans-Martin Hoeck: „In Wahrheit hat das Bundessozialgericht 2012 festgestellt, dass die Krankenkassen die qualifizierten Krankentransporte nicht vorab genehmigen müssen. Der jetzige Gesetzentwurf ist ein neuerlicher Versuch der Krankenkassen, die schwerkranken Patienten von hierzu nicht geeigneten Transportunternehmen befördern zu lassen.“

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