zum Hauptinhalt
Martina Münch (SPD).
© picture alliance / dpa

Nachfolge von Sabine Kunst: Kabinett Brandenburg: Martina Münch zurück ins Wissenschaftsministerium?

Ein Platz im Kabinett Brandenburgs wird leer. Holt Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) Ex-Bildungsministerin Martina Münch ins Wissenschaftsministerium zurück?

Brandenburgs Ex-Bildungsministerin Martina Münch (SPD) könnte wieder Wissenschaftsministerin im Land werden. Heißt es jedenfalls. Der Posten wird ab Frühsommer vakant, wenn die bisherige Amtsinhaberin Sabine Kunst nach Berlin an die Humboldt-Universität wechselt, zu deren Präsidentin sie jetzt gewählt wurde.

Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat zwar mit der Nachbesetzung keine Eile. Ein Comeback Münchs schließt Woidke, der sich bedeckt hält, dabei aber nicht aus. „Das ist eine von vielen denkbaren Optionen.“ Münch, Jahrgang 1961, von Haus aus Ärztin, Mutter von sieben Kindern, war in der ersten rot-roten Regierung unter dem damaligen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) schon einmal Wissenschaftsministerin.

Diesen Job machte sie damals gut, allerdings nicht lange. Von Februar 2011 an war Münch Bildungsministerin, nach dem Affären-Rücktritt des Ministers Holger Rupprecht. Das blieb sie bis zur Landtagswahl 2014. Auf diesem Posten sorgte Münch für Schlagzeilen – es waren meist negative – wie kein anderes Kabinettsmitglied. Ein Überblick.

Vollgas und Vollbremsung

Kurz nach Amtsantritt hatte Münch, noch 2011, die größte Schulreform der jüngeren Geschichte des Landes verkündet: Ab 2019, so die Aussage der neuen Ministerin, sollten alle Kinder gemeinsam in Regelschulen unterrichtet und die bislang separaten einhundert Förderschulen für Kinder mit körperlichen und geistigen Behinderungen, mit extremen Lernschwächen und Verhaltensauffälligkeiten damit zum Auslaufmodell werden.

Münch war vorgeprescht, hatte die Pläne unglücklich kommuniziert und hatte keine klare Linie, wie die regulären Schulen ausgestattet werden, um das zu schaffen. Betroffene Eltern, Schulen, die Bildungsgewerkschaft (GEW) und die Opposition liefen Sturm. Münch musste später – auch auf Druck des Linke-Koalitionspartners und von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) – auf die Bremse treten. Der Plan, dass es ab 2019 keine Förderschulen mehr gibt, wurde gecancelt.

Beschönigen beim Unterrichtsausfall

Im Dezember gab es die größten Lehrerproteste in Brandenburg seit 1990. 11 000 der 17 000 Lehrer nahmen damals an Personalversammlungen teil und machten ihrem Unmut über die Bildungspolitik, aber auch über die Ministerin, Luft. Münch selbst war eingeladen, stellte sich den Betroffenen aber nicht. Auf den Personalversammlungen wurde etwa offen beklagt, wie an den Schulen die Statistiken zum Unterrichtsausfall frisiert wurden.

Ein gravierendes Problem, das Münch bis zum Ende ihrer Amtszeit als Bildungsministerin nicht in den Griff bekam, aber in der Kommunikation öffentlich meist relativierte und beschönigte. In der rot-roten Regierung herrschte zum Ende der Legislaturperiode vor der Landtagswahl 2014 pure Verzweiflung, dass so viel Geld wie nie zuvor für Bildung ausgegeben wurde, aber alles durch Schlagzeilen um Münchs Agieren überlagert wurde.

Ankündigung ohne Prüfung

Auch 2013 hat es eine unausgegorene Ankündigung gegeben, die revidiert wurde, nämlich zur Früheinschulung. Im Frühjahr erklärte Münch, dass sie den geltenden Stichtag für Einschulungen vom 30. September auf den 30. Juni vorziehen wollte. Und zwar um zu erreichen, dass Kinder nicht zu früh eingeschult werden müssen, also etwas älter sind.

Nach wenigen Monaten nur kam dann das Kommando zurück. „Wir werden den Stichtag nicht verlegen.“ Die Begründung: Der gewünschte Effekt würde nicht eintreten. Es waren Hü-hott-Aktionen wie diese, die maßgeblich dazu beitrugen, dass Münch im Landtag – und zwar nicht nur bei den Oppositionsfraktionen, sondern auch in der Koalition –, bei den Gewerkschaften und auch fast ausnahmslos bei den Medien zunehmend als überfordert und nicht durchsetzungsstark galt.

Stärke im Haasenburg-Skandal

So umstritten sie als Bildungsministerin immer war: Es gab eine Ausnahme, wo sie zu Hochform auflief. Im Krisenmanagement um den Haasenburg-Skandal, bei dem es um misshandelte Kinder und Jugendliche in den Heimen des privaten Betreibers ging, hat Münch im Grunde alles richtig gemacht. Sie setzte umgehend eine externe Expertenkommission mit hochkarätiger Besetzung ein und machte nach Vorlage des Abschlussberichtes die Haasenburg-Heime dicht – trotz juristischer Risiken.

Das brachte ihr bundesweit Respekt ein. Und sie vollzog eine Geste, zu der Politiker nur selten in der Lage sind. Im Frühjahr 2014 ging Münch mit diesem Satz an die Öffentlichkeit: „Ich entschuldige mich bei den betroffenen Kindern und Jugendlichen, dass wir sie nicht besser haben schützen können.“

Defizite im Führungsstil

Das Bildungsministerium gilt schon immer als schwieriges Haus. Aber wie das Binnenklima dort just in der Zeit eskalierte, als Münch Chefin war, ist in der Regierungsgeschichte Brandenburgs ohne Beispiel. Der Höhepunkt: 2014 war es sogar zu einer Unterschriftensammlung im Ministerium gegen Münch und ihren damaligen Staatssekretär gekommen, die einem Misstrauensvotum gleichkam, ein Protest gegen einsame Personalentscheidungen, gegen den Führungsstil, „aus Sorge um die Arbeitsfähigkeit“ des Ministeriums.

Ein Viertel der Belegschaft hatte unterschrieben. Im Landtag kam der Bildungsausschuss zu einer Sondersitzung zusammen. Zudem verärgerte Münch Regierungschef Dietmar Woidke und die rot-rote Koalition mit einer instinktlosen Personalie: Woidke stoppte Münchs Versuch, ihre Büroleiterin wenige Monate vor der Landtagswahl 2014 zur Chefin der geplanten neuen Landesschulagentur zu machen.

Auch diese Reform, schlecht vorbereitet, war hochumstritten. Der neue Bildungsminister Günter Baaske (SPD) hat sie inzwischen rückgängig gemacht. Im Sommer 2014 forderte die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft sogar den Rücktritt von Münch. Zuvor hatte die Ministerin laut über mögliche Zwangsversetzungen von Lehrern aus dem Speckgürtel in berlinferne Regionen nachgedacht, was sie später zurücknahm.

Abstieg in der SPD

Münchs Bilanz als Bildungsministerin, ihr beschädigter Ruf hatte Folgen für ihre Karriere: Als Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) nach der gewonnenen Landtagswahl sein erstes eigenes Kabinett präsentierte, war Münch nicht mehr dabei. In den Landtag zog sie über die Landesliste ein, den Wahlkreis in Cottbus hatte sie nicht mehr direkt gewonnen.

Auch in der Landes-SPD lief es nicht mehr gut für sie. Seit Dezember 2014 ist Münch, die vorher jahrelang Vize-Parteichefin war, nicht mehr in der engeren Parteispitze. Sie verfehlte sogar die Wahl als einfache Beisitzerin in den Parteivorstand. Sie ist Landtagsabgeordnete, gehört aber zu den Kritikern der geplanten Einkreisung der kreisfreien Städte bei der geplanten Kreisgebietsreform, die sie ablehnt. Die rot-rote Koalition hat nur drei Stimmen Mehrheit. Auf dem letzten SPD-Landesparteitag in Potsdam widersprach Münch dem Regierungschef nach dessen Rede direkt.

Ausblick

Mit der Nachfolge von Kunst nimmt sich Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) also noch Zeit. Freilich, schon das darf als Indiz gewertet werden, dass es für Münch eher schlecht aussieht. Denn bei der SPD gilt die eherne Regel, fällige Personalentscheidungen zügig zu fällen – wie etwa jüngst bei der Nachfolge für den verstorbenen SPD-Landtagsfraktionschef Klaus Ness.

Bei seinen bisherigen Personalentscheidungen für das Kabinett hat Woidke durchaus auf das Leistungsprinzip gesetzt. So hatte es, als er 2014 Sabine Kunst wieder zur Wissenschaftsministerin machte und Katrin Schneider zur Infrastrukturministerin – damals waren beide noch parteilos –, in der SPD ein vernehmbares Murren gegeben. Die Neubesetzung sei Sache des Regierungschefs, erklärte nun der neue Fraktionschef Mike Bischoff, und: „Seien Sie versichert, Dietmar Woidke wird die beste Wahl treffen!“ Eins ist klar: Die Personalie bleibt heikel.

Zur Startseite