Schrottimmobilien-Affäre: Justizsenator Braun verwickelt sich in Widersprüche
Noch kurz vor seiner Vereidigung hat der CDU-Politiker als Notar dubiose Geschäfte beurkundet – und er wusste mehr, als er bisher zugegeben hat.
In der Affäre um die notariellen Beurkundungen von Angebotsverträgen zum Kauf von Schrottimmobilien durch Michael Braun (CDU) verwickelt sich der heutige Justiz- und Verbraucherschutzsenator immer stärker in Widersprüche. Dem Tagesspiegel liegen Kopien eines weiteren Vertrags vom 19. November 2011 vor, den Braun beurkundet hatte, kurz bevor er am 28. November als Senator vorgestellt wurde.
Der Fall ist brisant, weil Braun hier persönlich den Käufer von der Aufhebung des Vertrags informierte. Im Abgeordnetenhaus hatte er noch beteuert, „nicht einmal in Einzelfällen“ zu wissen, was aus den von ihm beurkundeten Verträgen geworden ist. Da war dieser Fall gerade ein paar Tage her. Diese neuen Erkenntnisse belegen, dass Braun mindestens in diesem Fall Informationen aus dem unmittelbaren Umfeld der Drahtzieher der dubiosen Geschäfte mit Schrottimmobilien oder sogar von diesen selbst erhalten hat. Im Abgeordnetenhaus hatte Braun am Donnerstag dagegen noch erklärt: „Ich weiß nicht, ob die Kaufvertragsangebote angenommen oder aufgehoben wurden“.
Zu diesem Widerspruch erklärte Braun auf Anfrage: „Ich bin verpflichtet, Willenserklärungen einer Vertragspartei ohne inhaltliche Bewertung weiterzugeben“. Dies komme in Ausnahmefällen vor. Zum konkreten Fall könne er nichts sagen, da er zur Verschwiegenheit verpflichtet sei. Im Widerspruch zu seinen Aussagen vor dem Rechtsausschuss, er sei seiner Aufgabe als Notar „besonders sorgfältig“ nachgekommen und habe dabei die Interessen beider Vertragsparteien gewahrt, wie es seine Pflicht ist, steht auch ein Briefwechsel auf dem Jahr 2008.
Darin wirft ein Opfer des Geschäfts mit Schrottimmobilien Braun selbst „kriminelles Verhalten“ vor und begründet dies damit, dass Braun gemeinsam mit dem Verkäufer ihm „eine Unterschrift entlockt“ habe, „unter Vortäuschung falscher Tatsachen“. Damals wie jüngst wies Braun diese Vorwürfe zurück. Allerdings hatte Braun spätestens seit diesem Brief aus dem Jahr 2008 Kenntnis davon, dass sich Verbraucher betrogen fühlen von den Praktiken dieser Branche. Dennoch beurkundete er weiterhin Verträge für Firmen aus dem Verbund der umstrittenen Grüezi-Gruppe.
Widersprüchlich sind Aussagen von Braun vor dem Rechtsausschuss auch zu seinem Kenntnisstand über die Geschäftspraktiken der Verkäufer von Schrottimmobilien. Braun gab an, nicht nur Informationen der Notarkammer und des für die Notaraufsicht zuständigen Präsidenten des Landgerichts zur Kenntnisse zu nehmen, sondern sich auch im Internet zu informieren. Dort sind aber zahlreiche Klagen von Opfern der Drückerkolonnen zu finden, die Schrottimmobilien verkaufen. Zu diesen zählt auch die Grüezi-Gruppe, vor denen die Stiftung Warentest warnt.
Dennoch beglaubigte Braun Verträge für Firmen aus dieser Gruppe und wird in einem Prospekt als „Kooperationspartner“ genannt. Unklarheit gibt es auch über die Zahl der Mandate, die er für die Verkäufer von Schrottimmobilien und deren Opfer annahm. Zunächst hatte er von einer kleineren zweistelligen Zahl gesprochen. Im Rechtsausschuss sprach er von drei bis vier Beurkundungen im Monat, etwa 40 im Jahr. Unklar ist indes, welche Verträge er dazu zählt.
Das bisher letzte „Kaufangebot“, das Braun im November dieses Jahres beurkundete, verzeichnete eine im Unternehmensregister erst im Mai dieses Jahres eingetragene Firma. Das ist ein typisches Merkmal in der Branche: Die mit dem Vertrieb der Schrottimmobilien beauftragten Firmen wechseln oft, die Verkäufer der Wohnungen ebenso. Denn sie sind in der Regel die einzigen, die Verbraucher zur Haftung ziehen können – und dem entziehen sie sich durch Insolvenzen oder Löschungen.
Sabine Beikler, Ralf Schönball
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