Rekommunalisierung in Berlin: Juristen kritisieren Gasnetz-Vergabe
Berlins Gasnetz hätte nicht an die Landesfirma "Berlin Energie" gehen dürfen. So urteilen Juristen aus dem Haus von Justizsenator Heilmann - und stellen sich gegen die Verwaltung von Finanzsenator Nußbaum.
Der landeseigene Betrieb Berlin Energie hätte überhaupt nicht an der Ausschreibung zur Übernahme des Berliner Gasnetzes teilnehmen dürfen, weil dessen Angebot dazu nicht „die formalen Voraussetzungen“ erfüllte. Dies geht aus einer Prüfung der Vergabe hervor durch die Senatsverwaltung für Justiz. Die Firma habe den Zuschlag erhalten, obwohl unklar sei, wie sie den Kauf des Gasnetzes finanzieren will und kein rechtsverbindliches Angebot bei der Ausschreibung vorlegte.
Ein Team von Staats- und Verfassungsrechtlern um einen früheren Richter aus der Senatsverwaltung für Justiz kommt zu diesem Urteil. Die Experten für Rechtsfragen sollten die Vergabe des Gasnetzes durch den Senat an den eigenen Landesbetrieb „Berlin Energie“ prüfen und eine Empfehlung aussprechen, ob andere Senatoren dieser Vorlage der Finanzverwaltung zustimmen sollten.
Undurchsichtig sei die Vergabe der Punkte an die Bieter
Das Haus Nußbaum hatte die Vergabe erteilt und damit begründet, dass das Angebot der Berlin Energie im Vergleich mit Offerten des gegenwärtigen Netzbetreibers Gasag besser abschneide. Dazu hatte die Finanzverwaltung die angebotenen Leistungen mithilfe eines Punktesystems verglichen. Doch dieses ist dem Expertenteam der Innenverwaltung zufolge mangelhaft wegen „zahlreicher rechtlicher Fehler“ sowie „Widersprüchen in der Auswertung“. Auch fehle es an „Transparenz“ bei der Wahl der Kriterien zur Bewertung der Angebote. Und weil der Senat nicht alle Bieter vollständig über alle Kriterien informiert habe, die die Vergabe entschied, liege wohl ein Verstoß gegen das „Diskriminierungsverbot“ bei öffentlichen Ausschreibungen vor. Die Juristen warnen: Folgt das Abgeordnetenhaus der Empfehlung der Senatsverwaltung für Finanzen, dann handeln die Parlamentarier dem Land „ein hohes Prozessrisiko“ ein.
Die Senatsverwaltung für Finanzen weist die Kritik zurück
Die Senatsverwaltung für Finanzen wies die Vorwürfe zurück, wollte sich allerdings zu den einzelnen Kritikpunkten nicht äußern: „Alle Fragen, die im Vorfeld der Senatssitzung zur endgültigen Vergabeentscheidung aus anderen Ressorts an uns gerichtet wurden, sind bis Montag 23. Juni beantwortet worden“, sagte eine Sprecherin. Daraufhin habe es keine Rückfragen gegeben, „und der Senat hat die Entscheidung am 24. Juni zustimmend zur Kenntnis genommen“, hieß es.
Die Senatsverwaltung für Justiz lehnte jede Stellungnahme dazu ab. Aus Kreisen anderer Senatsverwaltungen ist zu hören, dass die Justizverwaltung die Vergabeentscheidung nicht mitgezeichnet hat und die Bedenken ihrer Vergabe-Experten in der Senatssitzung zu Protokoll gegeben hat.
Berlin Energie verfüge nicht über die Mittel für den Netzankauf
Dass die Berlin Energie gar nicht an dem Verfahren hätte teilnehmen dürfen, leiten die Experten aus den von der Senatsverwaltung für Finanzen selbst festgelegten Teilnahmebedingungen ab: Denn im „Ersten Verfahrensbrief“ schreibt die Verwaltung allen Bewerbern vor, sie müssten einen „Nachweis über das notwendige Eigenkapital“ aufbringen. Und im „Zweiten Verfahrensbrief“ lege dann Nußbaums Verwaltung den „zwingenden Ausschluss“ von Bietern fest, die die „Eignungsnachweise für eine Konzessionierung“ nicht erbringen. Die Berlin Energie habe den Nachweis nicht erbracht und hätte ausgeschlossen werden müssen, so die Experten. Denn ein „Sondervermögen“, mit dem der Betrieb das Gasnetz erwerben kann, sei im Landeshaushalt nicht durch „Abflüsse“ erkennbar. Ebenso wenig sei „der zukünftige Kapitalbedarf im Haushaltsplan berücksichtigt“, heißt es.
Finanzverwaltung: Senat und Parlament stimmten "Verfahrensbriefen zu"
Zu diesen Fragen teilte die Finanzverwaltung mit: „Der Senat und das Berliner Abgeordnetenhaus haben allen drei Verfahrensbriefen im Konzessionierungsverfahren Gas zugestimmt, auch die Senatsverwaltung für Justiz“.
Die Originaldokumente zur Gasnetz-Vergabe finden Sie hier und hier.
Ralf Schönball
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