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Wahlrecht ab 16?: Junge Wähler – die unbekannten Wesen

Schon 2011 sollen Jugendliche bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus mit abstimmen. Ihre politischen Vorlieben sind schlecht erforscht.

Welche Parteien sind bei Kindern und Jugendlichen, die noch nicht wählen dürfen, besonders beliebt? Interessante Hinweise liefert das Projekt „U 18“, an dem sich vor der Bundestagswahl 2009 fast 130 000 junge Menschen beteiligten. In Berlin lag bei dieser „Probeabstimmung“ die SPD (23,6 Prozent) vorn, es folgten Grüne (22,6), Linke (15,1) und CDU (13,5). Die FDP landete mit 4,9 Prozent hinter den Piraten und der Tierschutzpartei. Die Hälfte der Teilnehmer war 14 bis 18 Jahre alt, die anderen jünger. Bundesweit lagen SPD, Grüne und CDU Kopf an Kopf bei jeweils etwa 20 Prozent.

„Für die nächste Abstimmung streben wir eine wissenschaftliche Begleitung an“, sagt Candida Splett, die „U 18“ mitorganisiert. Denn die politischen Vorlieben der jungen Staatsbürger, die noch nicht volljährig sind, warten auf eine gründliche Erforschung. „Es liegt die Vermutung nahe, dass 16- und 17-Jährige ähnlich wählen wie die Jungwähler zwischen 18 und 21 Jahren“, sagt Irina Roth, Sprecherin des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap. Weiter wagt sie sich nicht vor.

Auch die amtliche Wahlstatistik beantwortet die spannende Frage nicht, denn mit Ausnahme Bremens ist bei Bundestags- und Landtagswahlen nur wahlberechtigt, wer mindestens 18 Jahre alt ist. Und in Bremen findet die erste Bürgerschaftswahl, an der 16- und 17-Jährige teilnehmen dürfen, im Mai 2011 statt.

In Berlin streben, wie berichtet, SPD, Linke und Grüne eine Verfassungsänderung an, um das „Jugend-Wahlrecht“ schon für die Abgeordnetenhauswahl 2011 durchzusetzen. Ein entsprechender Antrag für den SPD-Landesparteitag am 16. Juni, der die Forderung von fünf großen Kreisverbänden widerspiegelt, wurde von der Antragskommission des SPD-Landesvorstands am Montagabend mit deutlicher Mehrheit befürwortet.

Sollte sich im Abgeordnetenhaus eine verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit für das aktive Wahlrecht ab 16 Jahre finden, könnten etwa 44 000 Jugendliche das Landesparlament mitwählen. Das sind 1,8 Prozent der bisherigen Wahlberechtigten in Berlin. Mangels Masse könnte die neue Wählergruppe also auch dann keine umstürzlerische Wirkung entfalten, wenn sie geschlossen eine bestimmte Partei wählen würde.

Auf der kommunalen Ebene bestätigt sich diese These. 2006 durften 16- und 17-jährige Berliner zum ersten Mal an den Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) teilnehmen. Das führte in keinem Bezirk zu einem Erdbeben in der Parteienlandschaft, der durch jugendlichen Leichtsinn erklärbar wäre. Auch in Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein richtete das kommunale Wahlrecht ab 16 Jahre keinen erkennbaren Schaden an.

Schon vor zehn Jahren untersuchte die Konrad-Adenauer-Stiftung die Folgen des kommunalen Jugendwahlrechts am Beispiel Niedersachsens und kam zu dem Schluss, „dass die CDU in dieser Wählergruppe gute Chancen hat, als stärkste Partei aus Kommunalwahlen hervorzugehen“. Gleichzeitig schöpften die Grünen bei den Jüngstwählern überdurchschnittlich hohe Stimmenanteile ab.

In Österreich, wo seit 2007 Minderjährige den Nationalrat mitwählen dürfen, entschieden sich bei der letzten Wahl 44 Prozent der 16- bis 19-Jährigen für die rechtspopulistische FPÖ. Nirgendwo sonst in Europa dürfen so junge Bürger das nationale Parlament mitwählen. In Brasilien, Kuba und Nicaragua wird ab 16 Jahren gewählt. In Indonesien darf jeder Verheiratete unabhängig vom Alter wählen. In Berlin gibt es inzwischen ein Netzwerk „Wahlalter 16“, dem unter anderem die Jugendorganisationen von SPD, Grünen, Linken, FDP, der Landesjugendring und der Verein „Mehr Demokratie“ angehören.

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