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Vom Gästehaus zur Notunterkunft. Am Kaiserdamm 3 hat die Sportjugend ihr defizitäres Jugendhotel geschlossen, bis Januar will die Arbeiterwohlfahrt es zum Flüchtlingsheim umbauen.
© Cay Dobberke

Geplante Notunterkunft in Berlin-Charlottenburg: Jugendhotel am Kaiserdamm wird Flüchtlingsheim

Im bisherigen Gästehaus der Sportjugend Berlin will die Arbeiterwohlfahrt ab Januar 150 Flüchtlinge und Obdachlose unterbringen. Das Bezirksamt habe von der Verwirklichung der Pläne erst auf Nachfrage erfahren. Das kritisiert der Sozialstadtrat und plant eine Bürgerversammlung.

Vor ein paar Wochen noch hätten Schulklassen und andere junge Leute im „Jugendhotel Berlin“ am Kaiserdamm 3 in Charlottenburg übernachtet, erzählen Händler nebenan. Doch nun hat die Sportjugend des Landessportbundes Berlin (LSB) ihr seit Jahren defizitäres Gästehaus geschlossen. Dies war seit Monaten geplant, aber die neue Nutzung steht erst jetzt fest: Ab Januar will die Arbeiterwohlfahrt (AWO) 150 Flüchtlinge, Asylbewerber und Obdachlose in den sechs Etagen unterbringen.

Das schmucklose Haus steht am U-Bahnhof Sophie-Charlotte-Platz neben dem Polizeiabschnitt 24 am Kaiserdamm 1. Rund 700 Meter entfernt gibt es bereits das Flüchtlingsheim Rognitzstraße, das an die künftige BMW-Niederlassung am Kaiserdamm grenzt und dadurch in die Schlagzeilen geraten ist. Laut Vorwürfen von Bezirks- und Landespolitikern soll der Senat BMW-Vertretern die Schließung versprochen haben. Soeben wurde allerdings bekannt, dass die Senatssozialverwaltung nun doch einen neuen Mietvertrag anstrebt.

Nachbar der Polizei. Zwei Türen vom künftigen Flüchtlingsheim entfernt residiert der Abschnitt 24 (rechts). 1910 war das Baudenkmal als Polizeipräsidium Charlottenburg entstanden.
Nachbar der Polizei. Zwei Türen vom künftigen Flüchtlingsheim entfernt residiert der Abschnitt 24 (rechts). 1910 war das Baudenkmal als Polizeipräsidium Charlottenburg entstanden.
© Cay Dobberke

Berlin nimmt 250 syrische Kriegsflüchtlinge auf

Wegen der Nähe zur Rognitzstraße nennt der Charlottenburg-Wilmersdorfer Sozialstadtrat Carsten Engelmann (CDU) den Standort Kaiserdamm „schwierig“. Da man viele Familien erwarte, müssten für die Kinder noch „Willkommensklassen“ in Schulen geschaffen werden. Andererseits ist Engelmann erleichtert, dass eine dringend benötigte Notunterkunft entsteht – zumal Innensenator Frank Henkel (CDU) angekündigt hat, Berlin wolle 2014 weitere 250 syrische Kriegsflüchtlinge aufnehmen.

Die voraussichtlich zehn bis 15 Plätze für Obdachlose im neuen Heim hat sich der Bezirk gewünscht. „Wir versuchen immer, eine Quote für Wohnungslose zu erreichen“, sagt Engelmann. Für deren Unterbringung sei seine Verwaltung zuständig, die damit seit langem große Probleme habe. Mangelnde Kommunikation wirft Engelmann der Senatssozialverwaltung und der Arbeiterwohlfahrt vor. AWO-Vertreter hätten ihm ihr Konzept zwar im Frühjahr erklärt, doch sei damals offen gewesen, ob der Träger zum Nachnutzer des Hotels wird. Dieses war vor Jahrzehnten mit Zuschüssen der Lottostiftung entstanden.

Kaufleute hörten nur gerüchteweise von Plänen

Dass schon im Laufe des Januars Flüchtlinge einziehen sollen und die AWO Lottomittel für den Umbau erhält, erfuhr Engelmann erst jetzt, als er sich beim Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) nach der Zukunft des Standorts Rognitzstraße erkundigte. Dabei hatte er auch nach dem Stand der Dinge am Kaiserdamm gefragt. „Man muss solche Entscheidungen rasch kommunizieren“, findet der Stadtrat. Das Landesamt und Sozial-Staatssekretär Dirk Gerstner (CDU) hätten eine Verbesserung versprochen. „So schnell wie möglich“ will Engelmann die Anrainer zu einer Infomationsveranstaltung einladen. Vor Weihnachten könne man diese wohl nicht mehr organisieren, sagt er, der wahrscheinliche Termin sei Anfang Januar.

Überrascht reagieren Mitarbeiter von Geschäften am Kaiserdamm. Sie habe mal gerüchteweise von den Plänen gehört, dann aber gedacht, dass diese vom Tisch seien, sagt eine Friseuse im Nachbarhaus. Obwohl sie türkischstämmig ist, wünscht sie sich keinen höheren Ausländeranteil im Kiez. Ähnlich sieht es eine Mitarbeiterin im Solarium nebenan, die Mutter einer Tochter ist. Ihr Kind werde auf nahen Spielplätzen mitunter von Kindern ausländischer Großfamilien von den Spielgeräten gedrängt, beklagt sie. Mit sozialen Spannungen rechnet sie im nur 200 Meter entfernten Lietzenseepark. Rund um den See „wohnen doch viele Diplomaten“. In der „Berliner Bilder Galerie“ zeigt sich eine Mitarbeiterin verständnisvoll: „Irgendwo müssen die Flüchtlinge ja hin.“ Klar sei aber auch: „Gut fürs Geschäft ist das nicht.“

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