zum Hauptinhalt
Wladimir Wladimirowitsch Putin blickt skeptisch in die Kamera.
© dpa
Update

Flug MH17 der Malaysia Airlines: John Kerry: Augenblick der Wahrheit für Wladimir Putin

Der Ton wird schärfer: Nach massiven Behinderungen der Untersuchung des Absturzes von Flug MH17 in der Ostukraine verstärkt die internationale Gemeinschaft nun den Druck auf Moskau.

Bundeskanzlerin Angela Merkel, der französische Präsident François Hollande und der britische Premierminister David Cameron drohten Russland am Sonntag mit einer Ausweitung der EU-Sanktionen. Russlands Präsident Wladimir Putin müsse umgehend auf die moskautreuen Separatisten einwirken, um den ungehinderten Zugang der Ermittler zum Absturzgebiet zu gewährleisten, hieß es in Paris und London.

„Das ist Augenblick der Wahrheit für Putin“, sagte auch US-Außenminister John Kerry am Sonntag im US-Sender CNN. Es gebe eine enorme Menge von Fakten, die die russische Verbindung zu den Separatisten belegten. Dazu gehörten die Ausbildung und die Versorgung der Rebellen mit Waffen, fügte er im Sender ABC dazu. Er rief die Europäer in mehreren TV-Talkshows auf, dem Beispiel Washingtons zu folgen und ihre Sanktionen zu verschärfen.

Bei dem Absturz waren am Donnerstag alle 283 Passagiere und 15 Besatzungsmitglieder an Bord der Boeing 777-200 der Malaysia Airlines ums Leben gekommen - unter ihnen 193 Niederländer und 4 deutsche Frauen. Bis Sonntag waren 196 der 298 Todesopfer geborgen.

Experten des BKA in der Ukraine

Ein Sprecher des Bundeskriminalamts sagte unterdessen der dpa am Samstag, die Mitglieder der Identifizierungskommission seiner Behörde seien um kurz nach 14.00 Uhr von Deutschland aus nach Kiew geflogen. Dort wollten sich die Deutschen mit einem größeren Team von Identifizierungsexperten aus den Niederlanden und voraussichtlich auch aus der Ukraine treffen und die Vorgehensweise besprechen. Die Lage sei recht unübersichtlich. Sowohl der genaue Einsatzort als auch die Führung der Mission müssten noch geklärt werden.

Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) schlug in einem Brief an die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) die Einsetzung einer aus mehreren Nationen besetzten Untersuchungskommission zum Absturz der malaysischen Passagiermaschine vor. „Die Weltgemeinschaft erwartet, dass es möglichst rasch Klarheit über die Ursache des Absturzes von MH17 gibt“, sagte er "Focus Online". „Deshalb bieten wir für einen Einsatz unter der Leitung der ICAO die Unterstützung der Experten der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung an.“ Bei dem vermutlichen Abschuss der Passagiermaschine der Malaysian Airlines über der Ostukraine waren fast 300 Menschen gestorben, darunter auch vier Deutsche.

Opfer werden laut OSZE nach Tores gebracht

Vom Absturzort der malaysischen Passagiermaschine sind der OSZE zufolge die sterblichen Überreste zahlreicher Opfer zunächst in die ostukrainische Stadt Tores gebracht worden. Drei Kühlwaggons stünden inzwischen auf dem örtlichen Bahnhof, sagte Michael Bociurkiw von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) am Sonntagnachmittag. Die Separatisten hätten von 167 Opfern in den Waggons gesprochen, diese Zahl habe aber nicht geprüft werden können.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) erklärte ihrerseits, prorussische Rebellen hätten sie davon unterrichtet, dass 169 Leichen in einen Kühlzug gebracht worden seien.
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) erklärte ihrerseits, prorussische Rebellen hätten sie davon unterrichtet, dass 169 Leichen in einen Kühlzug gebracht worden seien.
© Reuters

Die Waggons sollen bis zum Eintreffen internationaler Experten in Tores bleiben. Zuvor hatte die russische Staatsagentur Ria Nowosti gemeldet, dass der Zug über Ilowaisk nach Donezk fahren werde. Dem widersprach aber Separatistenanführer Alexander Borodaj. „Wir haben nicht vor, die Körper vor der Ankunft der Experten irgendwohin zu bringen. Die Regierung verzögert aber dieses Eintreffen“, sagte er. Die Aufständischen argumentieren, die sterblichen Überreste hätten seit dem Absturz am Donnerstag in großer Wärme gelegen und hätten „aus hygienischen Gründen“ abtransportiert werden müssen. Hingegen wirft die Führung in Kiew den militanten Gruppen die Vernichtung von Beweisen vor.

Keine Toten mehr an der Absturzstelle

Am Absturzort der malaysischen Passagiermaschine in der Ostukraine sind nach Angaben eines AFP-Reporters am Sonntag keine Leichen mehr zu sehen gewesen. Auch die bewaffneten Separatisten, die das Gebiet zunächst kontrolliert und abgeriegelt hatten, schienen nicht mehr vor Ort zu sein. Die Markierungsstöcke an den Stellen, wo die Leichen im Feld entlang der Straße gefunden worden waren, waren verschwunden. Ein Dutzend Tragen, Papiermasken und Latexhandschuhe befanden sich am Straßenrand.
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) erklärte ihrerseits, prorussische Rebellen hätten sie davon unterrichtet, dass 169 Leichen in einen Kühlzug gebracht worden seien. Am Bahnhof von Tores hätten Rebellen versichert, dass internationale Experten die Leichen untersuchen könnten, sagte ein OSZE-Sprecher. Die russische Nachrichtenagentur Ria Nowosti meldete unter Berufung auf einen Eisenbahnangestellten, 198 Leichen seien in einem Zug mit fünf Kühlwaggons vom Bahnhof Tores aus in Richtung der von den Rebellen kontrollierten Großstadt Donezk unterwegs. Ein Sprecher der ukrainischen Armee sagte, die Kiewer Behörden wüssten, wo sich 38 Leichen befänden, nicht aber, wo die anderen seien.

Anwohner haben an der Unglücksstelle der MH17 Blumen und Stofftiere niedergelegt.
Anwohner haben an der Unglücksstelle der MH17 Blumen und Stofftiere niedergelegt.
© Reuters

Niederlande erhöht den Druck auf Russland

Angesichts der Behinderungen der Untersuchung des Flugzeugabsturzes in der Ostukraine haben die Niederlande den Druck auf Russland erhöht. Der russische Präsident Wladimir Putin müsse bei den prorussischen Rebellen eingreifen, forderte Ministerpräsident Mark Rutte am Samstagabend in Den Haag. „Er muss nun den Niederlanden und der Welt beweisen, dass er tut, was von ihm erwartet wird: Seinen Einfluss ausüben.“ Er hatte zuvor nach eigenen Worten ein „sehr intensives“ Telefongespräch mit Putin geführt.

Zutiefst schockiert zeigte sich auch Außenminister Frans Timmermans über Bilder und Berichte von der Bergung der Opfer. „Der Umgang mit den Toten ist widerlich“, sagte der Minister. Er war in der Nacht zum Sonntag aus Kiew zurückgekehrt. Priorität habe nun die Rückführung der 193 niederländischen Opfer. „Die Familien wollen ihre Angehörigen begraben.“ Timmermans hatte ein Team von 15 niederländischen Experten begleitet. Sie sollten die Opfer identifizieren.

Prorussische Rebellen stehen im Verdacht, das Flugzeug der Malaysia Airlines mit 298 Menschen an Bord am Donnerstag in 10 000 Meter Höhe mit einer Boden-Luft-Rakete abgeschossen zu haben. Bei dem Absturz waren alle 283 Passagiere und 15 Besatzungsmitglieder an Bord der Boeing ums Leben gekommen - unter ihnen 193 Niederländer und 4 Deutsche. „Das Problem ist, dass es keine Absperrung des Ortes gibt, wie sonst üblich. Jeder kann da rein und womöglich mit Beweisstücken herumhantieren“, kritisierte OSZE-Sprecher Bociurkiw. Die Militär-Experten der OSZE-Mission halten sich seit Monaten im Osten der Ukraine auf, um die Gefechte zwischen Rebellen und ukrainischer Armee zu dokumentieren.
Unklar ist am Absturzort der Boeing auch der Verbleib der beiden Flugschreiber. Die Regierung in Kiew warf den prorussischen Separatisten vor, Beweismaterial zu vernichten. Die Aufständischen wollten mit Lastwagen Wrackteile über die russische Grenze bringen. Die Separatisten versuchten, „Beweise ihrer Mitwirkung an dem Unglück vertuschen“. Zudem hätten die militanten Gruppen 38 Leichen von der Absturzstelle in die Großstadt Donezk gebracht. Die Separatisten wiesen alle gegen sie gerichteten Vorwürfe zurück.

USA: Prorussische Separatisten sehr wahrscheinlich verantwortlich

Die Hintergründe der Katastrophe sind weiter unklar. Nach Angaben von US-Präsident Barack Obama sind dafür sehr wahrscheinlich die moskautreuen Kräfte verantwortlich. Die Boden-Luft-Rakete, die das Flugzeug abgeschossen habe, sei aus einem von prorussischen Separatisten kontrollierten Gebiet abgefeuert worden, sagte Obama am Freitag. Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Samantha Power, hatte eine Verstrickung Russlands in den Abschuss von Flug MH 017 angedeutet. „Wir können nicht ausschließen, dass russisches Personal beim Betrieb dieser Systeme geholfen hat“, sagte sie bei einer Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats in New York. Die russische Führung wies jegliche Verantwortung von sich und kritisierte Berichte über einen angeblichen Abschuss der Maschine als „voreilig“. Damit sollten offenbar Ermittler beeinflusst werden, teilte das Außenministerium in Moskau mit. Von mehr als 100 Absturzopfern fehlte auch zwei Tage nach dem Unglück weiter jede Spur. Bislang seien 186 Leichen geborgen worden, teilte der staatliche ukrainische Rettungsdienst am Samstag mit. Die Suche nach den übrigen Opfern gestalte sich sehr schwierig, da die Wrackteile über etwa 25 Quadratkilometer verstreut seien. (dpa)

Lesen Sie hier auch die Ereignisse des Samstags im Newsticker oder das Stück unserer Korrespondentin "Der Abschuss der MH17 - eine neue Dimension".

Zur Startseite