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Jede Menge Akten. Mitarbeiter in der Poststelle bearbeiten die Eingänge im Sozialgericht.
© Stephanie Pilick/dpa

Sozialgericht Berlin: Jobcenter muss Hartz-IV-Beziehern künstliche Befruchtung nicht bezahlen

Das Jobcenter in Marzahn-Hellersdorf verweigerte einem Ehepaar ein Darlehen für eine künstliche Befruchtung. Das Paar klagte. Das Gericht gab jetzt der Behörde Recht.

Ein Jobcenter muss Beziehern von Hartz-IV-Leistungen nicht die Kosten für eine künstliche Befruchtung bezahlen. Das hat das Berliner Sozialgericht jetzt entschieden. Eine Sozialrichterin wies damit die Klage eines Ehepaars aus Marzahn-Hellersdorf gegen das dortige Jobcenter zurück. Dieses hatte vor drei Jahren abgelehnt, dem Paar ein Darlehen für eine entsprechende Behandlung zu gewähren. Die Krankenkasse hatte den beiden, die seit 2010 Hartz-IV-Leistungen bezogen, zuvor zugesichert, ungefähr rund 50 Prozent der Kosten für bis zu drei Versuche einer künstlichen Befruchtung aufzubringen, die jeweils rund 4100 Euro kostet. Die andere Hälfte hätte das Paar selber aufbringen müssen. Da es sich dazu nicht in der Lage sah, beantragte es beim Jobcenter ein Darlehen in Höhe von 2200 Euro.

Gegen den ablehnenden Bescheid zog das Paar im Dezember 2012 vor Gericht. Die beiden begründeten ihre Klage damit, dass es dem Grundgesetz widerspreche, wenn sie als sozialleistungsberechtigtes Paar keine Kinder bekommen können, weil ihnen das Geld für eine Behandlung fehlt. Bei Banken erhielten sie kein Darlehen und seien somit auf das Jobcenter angewiesen, „um die gleichen Rechte zur Teilhabe an der Gesellschaft zu haben wie Nichtleistungsbezieher“.

Dem folgte die Sozialrichterin in ihrem Bescheid nicht. Nach ihrer Auffassung kann ein Darlehen nur für wirklich notwendige Dinge gewährt werden, deren Kosten eigentlich in den Hartz-IV-Leistungen enthalten sind, im Einzelfall aber eben nicht gezahlt werden können. Das gilt beispielsweise für den Ersatz eines kaputten Kühlschranks.

Keine "medizinisch notwendige Behandlung"

„Eine künstliche Befruchtung gehört jedoch nicht zum Regelbedarf im Sinne des Gesetzes“, begründete die Richterin. Außerdem handele es sich nicht um eine „medizinisch notwendige Behandlung“. Auch der im Grundgesetz festgeschriebene besondere Schutz von Ehe und Familie bedeute weder für die Krankenkassen noch für die Jobcenter eine Verpflichtung, „die Entstehung einer Familie durch künstliche Befruchtung“ zu fördern.
Die Richterin wies zudem darauf hin, dass die Kläger auch die Möglichkeit haben, den notwendigen Betrag anzusparen. Da die Krankenkassen ihren Anteil für eine Behandlung bis zum 40. Lebensjahr einer Frau bezahlen, hätten die Kläger zum Zeitpunkt der Beantragung der Leistung noch sechs Jahre Zeit gehabt, um ihren Teil aufzubringen. Auch jetzt blieben noch drei Jahre Zeit.
Der Hartz-IV-Regelsatz liegt derzeit bei 399 Euro für einen alleinstehenden Leistungsempfänger für Paare in einer Bedarfsgemeinschaft bei 360 Euro pro Person. Zum Jahresanfang 2016 werden die Sätze um fünf Euro für einen Einzelnen und um vier Euro pro Person bei Paaren.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig; eine Berufung beim Landessozialgericht ist möglich.

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