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Der Bau des Schlosses schreitet voran.
© Kitty Kleist-Heinrich

Stadtschloss: Jetzt wird Berlin verkuppelt

Das Stadtschloss, bislang ein Betonklotz wie so viele andere, nimmt Gestalt an. Noch krönt nur ein Turmstumpf die Westfassade. Aber das wird sich bald ändern. Schon am 12. Juni wird Richtfest gefeiert.

Man kann gegen Berlins neues Stadtschloss sagen, was man will, aber einen unleugbaren Vorteil hat es gegenüber dem Altbau: Bei dem dauerte es 400 Jahre, bis er seine endgültige Gestalt gefunden hatte, über Generationen blieben die Berliner und ihre Gäste im Ungewissen über den die Stadt doch nachhaltig prägenden Palast. Diesmal geht es geradezu ruckzuck, und man kann dem Schloss beim Wachsen zusehen, ohne selbst dabei Rost anzusetzen. Ganz nach Plan, erstaunlich fürs neue Berlin, schiebt es sich in den Himmel, hatte freilich bislang dabei noch wenig Ähnlichkeit mit einem Schloss. Ein Betonklotz bleibt ein Betonklotz – man mag ihn nennen wie man will.

Aber ein Klotz mit einer Kuppel ist etwas ganz anderes, dem glaubt man die künftige majestätische Größe samt der Rolle, die ihm zugedacht ist als neuer Mittelpunkt der Stadt, als ebenso an die Vergangenheit erinnerndes wie zukunftsorientiertes Bauwerk, auch wenn der Inhalt, mit dem es zu füllen ist, noch nicht bis in alle Details festliegt. Zwar ist das, was jetzt an der westlichen Stirnseite des Schlosses emporwächst, noch keine Kuppel, eher ein Turmstumpf, aber sehr anders sah es wohl auch nicht aus, als das Schloss zwischen 1845 und 1853 derart bekrönt wurde, es hat nur länger gedauert. Aber schon am 12. Juni wird nun erneut Richtfest gefeiert, da sollte das Türmlein zur Kuppel gediehen sein.

Es wirkt wie ein Fremdkörper

Ohnehin ist nicht mehr alles Beton auf der Baustelle, wurde bereits das erste Fenster in die Fassade eingesetzt, die es noch um einiges überragt. Das muss so sein, denn schließlich wird der Beton verkleidet, erhält ein Kleid aus Ziegelmauerwerk und Sandsteinelementen, zwischen die sich die nach aktuellem Baurecht obligatorische Wärmedämmung einfügt. Der erste Sandsteinblock wurde bereits Anfang April geliefert, er stammte aus Warthau (Wartowice) im heute polnischen Schlesien – eine traditionsreiche Herkunft für Berliner Repräsentationsbauten. Bearbeitet hat ihn das in solchen Dingen sehr erfahrene Bamberger Natursteinwerk Hermann Graser, das schon bei mehreren Sanierungen und Rekonstruktionen in Berlin mitgewirkt hat, so bei der Alten Nationalgalerie, dem Neuen Museum, dem Alten Stadthaus und dem Gebäude des Bundesrats.

Bleibt die Frage, wie sich der Neubau inmitten der Altbauten der Umgebung dann so macht. Denn anders als die Marienkirche, der Berliner Dom, die Bauten der Museumsinsel und das Forum Fridericianum, ja selbst das Staatsratsgebäude mit seinem Portal aus dem alten Stadtschloss hat das neue bis auf Weiteres keine Patina angesetzt, muss schon aufgrund der Sauberkeit seiner Fassaden in der immer etwas angeschmuddelt wirkenden Hauptstadt wie ein Fremdkörper wirken.

Ein Einwand, den auch Max Frisch, damals noch ebenso Schriftsteller wie Architekt, vorbrachte, als er 1948 das im Krieg völlig zerstörte Warschau besuchte, dessen Wiederaufbau in alter Gestalt damals diskutiert und auch in Angriff genommen wurde: „Warschau hat fast alles von seinem historischen Gesicht verloren, was mehr als nur ein stofflicher Verlust ist; anderseits fragt es sich, wieweit es einen Sinn hat, historische Attrappen aufzustellen (Frankfurter Goethehaus)“ – so hat er es im „Tagebuch 1946 – 1949“ niedergeschrieben. 18 Jahre später war er erneut in Warschau, konnte nun die neuen Altbauten in Augenschein nehmen und sah sich – siehe „Tagebuch 1966 – 1971“ – zu einer Revision seines früheren ablehnenden Urteils genötigt: „Auch die Attrappe setzt Patina an.“

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