Nach dem Anschlag in Berlin: Jetzt will auch der Bundestag der Opfer vom Breitscheidplatz gedenken
Warum gibt es kaum staatliche Anteilnahme? Nach der Kritik von Angehörigen der Anschlagsopfer gibt es nun Gedenkminuten im Bundestag und im Abgeordnetenhaus.
Nach der Kritik von Opfern des des Terroranschlags vom 19. Dezember am Breitscheidplatz greift nun auch in der Politik die Einsicht für ein stärkeres offizielles Gedenken um sich. So wird das Berliner Abgeordnetenhaus an diesem Donnerstag seine Sitzung mit einer Gedenkminute beginnen. Das hat Parlamentspräsident Wolfgang Wieland bereits angekündigt. Auch im Bundestag soll es in der kommende Woche zu einem Innehalten in Erinnerung an die Opfer kommen. Bundestagspräsident Norbert Lammert soll demnach eine Rede zum Gedenken im Plenum halten, berichtet "Spiegel online". Zuvor hatten sich im Tagesspiegel der Opferbeauftragte von Berlin und auch Opfer selbst für ein stärkeres Gedenken ausgesprochen.
„Ich finde die mangelnde Beachtung vonseiten des Staates traurig und unwürdig“, sagte etwa Petra K., die am 19. Dezember den Anschlag auf dem Breitscheidplatz selbst miterlebt hatte. Ihr langjähriger Lebensgefährte wurde bei dem Anschlag schwer verletzt und kämpft seither um sein Leben. „Der Bundestag war nicht mal zur Unterbrechung der Weihnachtspause für eine Schweigeminute bereit", hatte sie kritisiert. "Und Politiker erklären ständig, dass man jetzt schnell zur Normalität übergehen sollte. Aber für uns wird es eine solche Normalität nie wieder geben.“
Noch gab es keine zentrale Gedenkfeier
Bisher hat es keine zentrale Gedenkfeier für die Opfer gegeben. Einen Tag nach dem Anschlag fand ein Gottesdienst in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche statt, zu dem Repräsentanten des Landes und der Stadt kamen. Zu diesem Zeitpunkt waren weder alle Opfer identifiziert, noch stand fest, ob nicht weitere Menschen an ihren Verletzungen sterben würden. Zudem wurde das Brandenburger Tor, wie nach Terroranschlägen inzwischen üblich, in den Landesfarben angestrahlt, diesmal also schwarz-rot-gold.
Nach dem Bericht hatten Berliner Politiker haben ein würdiges Gedenken an die Opfergefordert. „Ich finde, dass wir bei aller Informationsflut über die Tat selber und das Vorleben des Attentäters die Opfer stärker in den Mittelpunkt stellen müssen“, sagte etwa der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Florian Graf. Er regte an, dass auch der Senat das Gedenken nicht in Vergessenheit geraten lassen dürfe. „Berlin könnte einen zentralen Gedenkgottesdienst mit einer anschließenden Gedenkfeierstunde im Abgeordnetenhaus planen“, sagte er. Aus der Senatskanzlei hieß es, man sei mit vielen im Gespräch und werde das Gedenken an die Opfer angemessen gestalten und begleiten.
Überwiegend Verständnis für die Kritik der Angehörigen
Was den Bundestag betrifft, so sollen nach Informationen des Tagesspiegels kommende Woche Gespräche zwischen den Fraktionen darüber stattfinden, in welcher Form genau das Parlament mit dem Anschlag am Breitscheidplatz umgehen will. Britta Haßelmann, erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, sagte: „Ich gehe ganz sicher davon aus, dass das Parlament, wenn es wieder zu seiner ersten Sitzungswoche zusammenkommt, der Opfer des Anschlag am Breitscheidplatz gedenken wird.“
In der Diskussion um eine angemessene Trauerkultur äußern sich auch viele Tagesspiegel-Leser. Die meisten drückten Verständnis dafür aus, dass vor allem die unmittelbar Betroffenen Äußerungen von Politikern nicht nachvollziehen könnten, man müsse jetzt schnell zur Tagesordnung übergehen. Andere wiesen darauf hin, dass es bereits am Tag nach dem Anschlag einen Gedenkgottesdienst gegeben habe und man nur „das Geschäft der Terroristen besorge, wenn man nicht weiter lebe wie bisher“.
Der Opferbeauftragte braucht selbst Unterstützung
Laut wurde in der Politik auch die Forderung, das Amt des Opfer-Beauftragten besser auszustatten. Letzterer solle aber in erster Linie die Interessen der Opfer anmahnen, er könne als Ehrenamtlicher nicht die die Arbeit einer zentralen Koordinierungsstelle übernehmen. Eine solche Stelle hatte unter anderem der Koordinator der Berliner Notfallseelsorge, Pfarrer Justus Münster, gefordert. „Es bedarf eines übergeordneten Netzwerks, von dem Angehörige und direkt Betroffene Hilfe und Unterstützung erhalten, sagte er: „Das ist ebenso wichtig wie die Diskussion darüber, wie eine Gesellschaft mit den von Terroranschlägen Betroffenen umgeht.“
Der Berliner Opferbeauftragte Roland Weber unterstützt die Forderung nach einer zentralen Anlaufstelle. „Ich bekomme jetzt täglich viele Mails von Angehörigen, führe auch Telefongespräche mit Hinterbliebenen, die erst jetzt langsam realisieren, was eigentlich passiert ist und was das für ihr Leben bedeutet.“
Dabei geht es vor allem um Zuwendung, aber auch um ganz praktische Fragen, sagt Weber und erzählt von einem Angehörigen, der seine Eltern verloren, aber noch kein eigenes Einkommen hat: „Weil noch kein Totenschein ausgestellt wurde, gibt es keinen Erbschein. Ohne Erbschein gibt es keine Auskunft und kein Geld von der Bank.“ Zum Glück habe man mit dem von Schaustellerverband und AG City eingerichteten Spendenkonto unbürokratisch helfen können, sagt Weber: „Das ist nur ein kleines Beispiel, aber es ist ganz wichtig, dass wir die Betroffenen nicht alleine lassen.“
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