Wege zur Integration: Jetzt haben auch die Stadtteilmütter richtige Stellen
Die Arbeit der Stadtteilmütter ist seit vielen Jahren anerkannt. Beschäftigt waren sie aber aber hauptsächlich in Projekten der Jobcenter, nun gibt es erstmals reguläre Stellen und ein festes Budget im Haushalt.
Sie sprechen Türkisch, Arabisch, Polnisch, Russisch oder eine andere der vielen in Berlin vertretenen Sprachen, begleiten bei Behördengängen, gehen in Kitas, Schulen, Kieztreffs und bekommen so eine ganze Menge vom Alltag, von den Nöten und Problemen vieler Migrantenfamilien mit. „Die Stadtteilmütter begegnen den Menschen auf Augenhöhe“,sagt Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD). Das Diakonische Werk startete das Projekt vor acht Jahren in Neukölln mit dem Ziel, die Bildungschancen von Migrantenkindern zu erhöhen. Von dort fand es seinen Weg in andere Bezirke wie Friedrichshain-Kreuzberg oder Steglitz.
Arbeit mit Tarifverträgen
Bislang lief die Beschäftigung nur über arbeitsmarktpolitische Maßnahmen oder bei geringem Stundenaufwand über Aufwandsentschädigungen. Seit Dezember sind jetzt erstmals 66 Stellen über das Programm Integrationslotsen für zwei Jahre regulär im Haushalt verankert. Die Frauen erhalten Tarifverträge für eine 30-Stunden-Tätigkeit und sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt. 2,2 Millionen Euro stehen der Integrationssenatorin zur Verfügung – am meisten profitieren davon Neukölln, Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg. „Ein flächendeckendes Angebot fehlte bisher, es gab keine Qualitätssicherung“, sagt Kolat. Nicht überall, wo sie gebraucht wurden, gab es Stadtteilmütter. Das Projekt ist Kolat wichtig. Sie nennt es einen „Exportschlager“, um den viele Städte Berlin beneiden. Dazu gibt es jetzt noch die „Wegweiserlotsen“, die als Erstanlaufstelle fungieren sollen. Über Arbeitsmarktprogramme sind derzeit weitere knapp 400 Stadtteilmütter aktiv, allerdings mit abnehmender Zahl. Das Projekt der Bürgerarbeit der Bundesagentur läuft aus; was folgen wird, ist ungewiss. Eine neue Herausforderung für Stadtteilmütter und Wegweiserlotsen sieht die Integrationssenatorin in der wachsenden Einwanderung aus den Ländern Südosteuropas, vor allem aus Bulgarien und Rumänien.
In Kreuzberg ist Nurhayat Skrotzki eine der ersten Stadtteilmütter. Seit 2008 ist sie dabei. Die 46-Jährige hatte drei Kinder groß gezogen und in einem Elektrobetrieb gearbeitet, bis dieser aufgab. In einer Kita hörte sie von dem Projekt und bewarb sich. Die Kreuzbergerin, die weder Schulabschluss noch eine Berufsausbildung hat, hatte das Gefühl, dass dies die richtige Beschäftigung für ist. Sie kannte sich aus in Behörden, im Kiez – und wurde Stadtteilmutter. Zwei Jahre ging das über eine Jobcenter-Maßnahme als Ein-Euro-Job. Als dieser auslief, war zum Schluss nur eine Beschäftigung mit vier Stunden in der Woche und einer Aufwandsentschädigung möglich. Jetzt hat sie einen regulären, sozialversicherungspflichtigen Arbeitsvertrag. Diese Aufwertung sei ein Meilenstein, sagt Ulrike Koch, Projektleiterin des Diakonischen Werks. Aber hoffentlich bleibe es nicht dabei.
Statt der Eltern züchtigen die großen Brüder die kleinen Geschwister
Nurhayat Skrotzki hat in all den Jahren etliche Kreuzberger Familien begleitet und viele Erfahrungen gemacht. Einige Erlebnisse belasten sie sehr, sie lassen sich nicht einfach so abschütteln. „Das macht krank“, sagt sie und erzählt von Familien, in denen Kinder auf perfide Art Gewalt ausgesetzt sind. Da schlagen beispielsweise die Eltern nicht selber zu, sondern animieren die größeren Söhne, damit den Erziehungsberechtigten nichts nachzuweisen ist. Eine andere Stadtteilmutter sorgt sich um einen Jungen, der oft in der Schule fehlt. Aber sie kommt nicht wirklich an die Mutter heran. Um mit solchen Situationen besser umgehen zu können, erhoffen sich die engagierten Frauen Hilfen bei den Qualifizierungen, die es jetzt für sie geben soll.
Dilek Kirak aus Spandau ist noch nicht so lange dabei. Die gelernte Arzthelferin, die eine Zusatzqualifikation als pädagogische Assistentin hat, hat erst im Dezember angefangen. Aber die Arbeit an sich ist für sie nicht neu: „Privat habe ich schon viele Erfahrungen gemacht“, sagt Kirak. Sie hat schon viele Verwandte und Nachbarn zu Ämtern begleitet, beim Ausfüllen von Anträgen oder bei der Wohnungs- und Kitasuche geholfen. Jetzt stellt sie sich beispielsweise in den Integrationskursen vor, um auf ihre Arbeit aufmerksam zu machen und ihre Hilfe anzubieten. Und die wird auch schon reichlich angenommen.