Angesagtes Berlin: Jetzt erobern die Hipster auch die City West
Vorm Bikinihaus stehen sie schon Schlange. Und nun zieht der Wirt des „Dudu“ aus Mitte ins Charlottenburger Avantgarde-Hotel. Wird die City West die neue Torstraße?
Wenn man aus der Torstraße in Mitte rüberfährt in die Bleibtreustraße nach Charlottenburg, ist es ein bisschen, als reise man in eine völlig andere Stadt. In der Torstraße spürt man noch die östliche Abenteuerspielplatz-Atmosphäre der Nachwendezeit, obwohl sich zwischen grauen Mietskasernen längst elegante Prominenten-Behausungen mit Doormen verbergen und der improvisiert wirkende Charme von Lokalen wie „Bandol sur Mer“ und vor allem das angesagte „Dudu“ in der alten Seifenfabrik die hippen Fashion- und Filmleute in Scharen anziehen.
Auch Hipster werden irgendwann erwachsen
In der Bleibtreustraße behausen schön restaurierte Altbauten die arrivierten Alt-68er des Westens, die Boutique mit dem Baumstamm ist noch da, am Savignyplatz versorgen uralte Kultkneipen wie „Diener“ oder „Dicke Wirtin“ nostalgisch gestimmte Anwohner. Als 1995 im Hotel Bleibtreu 31 eines der ersten Delis der Stadt aufmachte, war das ein avantgardistischer Paukenschlag. Nun, 19 Jahre später, folgt der Brückenschlag.
Der in Vietnam geborene und in Mitte aufgewachsene Dudu-Betreiber Nam Cao Hoai, der das Erfolgslokal in der ehemaligen Seifenfabrik zusammen mit seiner Schwester Chi Cao Hanh und seiner Mutter Tuyen Dang Thi betreibt, wagt den Sprung in den etablierten Westen.
Nach Umbauarbeiten, die bereits begonnen haben, will er im Sommer ein zweites „Dudu“ aufmachen. In Anlehnung an das geschlossene „Deli 31“ soll es „Dudu 31“ heißen. Das Programm soll ähnlich sein wie im originalen Dudu, aber „insgesamt erwachsener, edler und gediegener“. Statt Premium Fast Food und Garküchen-Klassikern soll hier künftig asiatische Crossover-Küche serviert werden. Ob das hippe Mitte-Publikum den Weg nach Westen findet, bekümmert den 32-jährigen Unternehmer nicht. „In Mitte hat sich das Publikum auch gewandelt“, sagt er. Sowieso gebe es heute mehr Hipster in Neukölln als in Mitte. Und überhaupt verändere sich das Wort hip mit der Zeit: „Wir werden ja auch älter.“
Mitte-Blogger trifft Wilmersdorfer Pfeifenraucher
Er ist fest davon überzeugt, dass sich Charlottenburg in den nächsten fünf bis zehn Jahren stark verändern und verjüngen wird. Normalerweise ist es ja so, dass das arrivierte Bürgertum den jungen Kreativen folgt. Hier scheint sich Umgekehrtes anzubahnen. Müde von ihrem eingewohnten Abenteuerspielplatz suchen die Mitte-Bewohner Abwechslung im alten Westen. Dessen Renaissance ist in den vergangenen Jahre oft beschworen worden. Nun kommt noch ein entscheidender Kick hinzu. Und deshalb glaubt Nam Cao Hoai, dass jetzt genau der richtige Zeitpunkt ist, hier „eine neue kreative Plattform zu schaffen“.
Schnellschüsse sind nicht seine Sache. Lieber das, was man macht, gründlich machen. Der Historie des Ortes ist er sich bewusst, deshalb auch der angeglichene Name. Als das Hotel Bleibtreu 1995 eröffnete, war es im Westen absolute Avantgarde. Die bedeutende Landschaftsarchitektin Cornelia Müller hatte den berühmten Innenhof mit einem Meer aus Blaukieseln und einer langen Mosaiktafel gestaltet. Der Hof kann als Gesamtkunstwerk zwar nicht erhalten bleiben, aber es werde trotzdem etwas Schönes entstehen, sagt der neue Betreiber.
Hipster statt Witwen - der Westen boomt
Das Hotel gehört wie auch das Hotel Savoy der Samuel-Braun-Gruppe und wird von der Nordic Group jetzt als Hotel Garni weiterbetrieben. Das „Dudu“ arbeitet unabhängig vom Hotelbetrieb. Der bisherige Direktor Frank Helms hat unter den Kunden vor allem gutbürgerliche Akademiker und Geschäftsleute aus der Umgebung ausgemacht, sieht die Entwicklung aber sehr positiv auch angesichts der Netzwerke des Dudu-Betreibers.
Der selbst beobachtet vor allem auch die Entwicklung im Bikinihaus am Zoo mit großem Interesse. Dort regelt inzwischen ein Doorman die langen Schlangen, die sich immer mal wieder für die Monkey Bar und das Restaurant Neni im 10. Stock formieren. Ob man reinkommt, hängt nicht, wie bei manchen Clubs davon ab, welche Schuhe man trägt.
„Bei uns mischen sich die Mittzwanziger Blogger aus Mitte mit gediegenen Pfeifenrauchern aus Wilmersdorf“, sagt eine Sprecherin. Hinein kommt, wer zuerst da ist. In der Bar werden keine Reservierungen angenommen, das Restaurant ist, auch wegen der ITB, in den nächsten zwei Wochen bereits ausgebucht. Nach der Renaissance ist nun auch die Feierfreude voll zurück im alten Westen.
Auf diesen Trend setzen auch die Betreiber des Hotels Q! in der Knesebeckstraße 67. Bislang war es für Passanten, die dort nicht nächtigten, tabu. Es machte vor allem von sich reden, weil Angelina Jolie und Brad Pitt gern mal hier abstiegen. Nun hat man „The Fox Bar“ auch fürs breite Publikum geöffnet. „Wir hatten das Gefühl, die amerikanische Tradition der Hotelbars könnte beim Publikum gut ankommen“,sagt Kian Shams-Dolatabadi, einer der beiden Direktoren.
Der Erfolg gibt ihm recht. Besonders der in Mailand abgekupferte „Aperitivo“, ein After-Work-Format, zu dem sich immer donnerstags Bar-Fans aller Altersklassen treffen, gewinnt stetig an Beliebtheit, auch weil ein DJ so auflegt, dass man sich bei der Musik auch noch unterhalten kann.
Vorboten einer neuen Zeit
Schon als im Haus Cumberland am Ku'damm das Restaurant Grosz als westliches Pendant des Borchardt in Mitte eröffnete, als Bread&Butter-Gründer Karl-Heinz Müller im selben Gebäudekomplex seinen Flaggschiffladen „14 Oz.“ aufwendig einrichtete, als gegenüber vom Bikinihaus das Waldorf Astoria endlich fertig wurde und schließlich auch der restaurierte Zoo-Palast wiedereröffnete, hatte man die Rückkehr des alten Westens bejubelt. Auch die Pan-Am Lounge im Europa Center gehörte zu den Vorboten einer neuen Zeit.
Jetzt geht sie also los, die Pilgerreise der Hipster aus Mitte, Neukölln oder Friedrichshain in jene neu zu erobernde Gegend der Stadt, die einst für ihre Wilmersdorfer Witwen berühmt war.
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