Berlin: „Je älter ich werde, desto entspannter bin ich“
Die Schauspielerin Heike Makatsch über das Zusammenleben mit ihrem Freund, ihr Verhältnis zu Berlin – und über ihr Rezept für eine gute Partnerschaft
Ihr neuer Film „Nackt“, der im September in die Kinos kommt, handelt davon, wie schwierig es ist, in Beziehungen dauerhaft glücklich zu sein. Sie sind seit sechs Jahren mit dem englischen Schauspieler Daniel Craig zusammen. Führen Sie eine glückliche Beziehung?
Bei vielen Menschen in meinem Alter gibt es zwei Alternativen: Entweder man hat resigniert und glaubt, dass das große Glück sowieso nicht mehr zu einem kommt. Oder man wird langsam altersweise und sagt sich: Meine Beziehung muss nicht der Quell all meines Glückes sein. So ist das bei mir.
Was bedeutet das?
Ich weiß, dass ich bei einer Beziehung, die lange dauern soll und bei der ich mit jemandem etwas aufbauen möchte, nicht jedenTag wie mit einer Lupe draufgucken und fragen darf: Was bist Du mir heute? Was kannst Du mir geben, damit ich nicht mehr unglücklich sein muss, weil mich das Leben unglücklich macht? Sondern ich sage mir: Meine Beziehung kann eigentlich nur so glücklich sein, wie ich es bin. Wenn ich mir mein Leben so schaffe, dass ich zufrieden mit mir bin, kann ich auch mit meinem Freund zufrieden sein. Dann ist er eine positive Bereicherung für mich und muss nicht immer ein Vakuum füllen, wie das bei vielen anderen Menschen der Fall ist. Also würde ich nicht sagen: Ich führe eine glückliche oder unglückliche Beziehung. Ich würde sagen: Ich gehe auf eine Reise mit einem Menschen, den ich liebe – und dann akzeptiere ich auch, dass ich manchmal nicht so glücklich bin.
Wie setzen Sie das im Alltag um?
Ich erkämpfe mir immer wieder Raum, der nur mir selber gehört. Wenn ich merke, ich will jetzt nicht mit meinem Freund zusammen sein, dann gehe ich halt mal für eine Weile weg oder wende mich ab. Je älter ich werde, desto entspannter gehe ich mit der Beziehung um: Ich habe gelernt, dass es eben nicht das Ende der Beziehung bedeutet, wenn man sich mal von seinem Partner abwendet, sondern dass es einem gut tut.
Ist das für Sie auch eine der Botschaften in Doris Dörries Film?
Ja. Ich finde, dass in unserem Film das Paar in dieser Hinsicht am weitesten ist, das sich sagt: Wir müssen uns in einer dauerhaften Beziehung immer wieder fremd werden. Wir müssen unsere eigenen kleinen Einheiten sein, bevor wir uns immer wieder treffen können. Es ist wichtig, in einer Beziehung nicht vor lauter Verlustangst in Panik zu verfallen. Heutzutage kann man bei Beziehungen ja nicht mehr automatisch darauf bauen, dass sie ein Leben lang halten. Daher denken viele Menschen: Ein Fehltritt, und dann ist alles kaputt. Ich finde es wichtig, stattdessen wieder das Vertrauen zu entwickeln, dass man von Zeit zu Zeit für sich zu sein kann und trotzdem zusammen bleibt.
Sie leben mit Ihrem Freund in London in einer 30-Quadratmeter-Wohnung. Wie kann man sich da genug Raum lassen?
Die Zeiten der 30-Quadratmeter-Wohnung sind vorbei. Das war meine Wohnung, mein Freund hatte eine andere Wohnung. Aber inzwischen sind wir zusammengezogen in eine größere Wohnung. Das mit dem Abstand ist schon durch unsere Arbeit gegeben. Manchmal sehen wir uns ein, zwei Wochen nicht. Dann sehen wir uns wieder zwei, drei Monate 100 Prozent. Da ist es gut, wenn man hin und wieder rauskommt. Wir haben da inzwischen einen ganz gesunden Rhythmus gefunden. Früher dachte ich immer, ich kann gar keine richtige Beziehung führen, wenn ich immer unterwegs bin. Da habe ich sehr drunter gelitten. Erst nach und nach habe ich gelernt, dass das eigentlich sehr gut für die Beziehung ist. Ich liebe es, gelegentlich nach Deutschland zurückzukehren. Auch deswegen bin ich sehr zufrieden damit, zwischen den beiden Welten hin– und herzupendeln.
Welche Bedeutung hat es für Ihre Beziehung, dass Ihre gemeinsame Sprache nicht Deutsch, sondern Englisch ist?
Ich denke, dass ich als Gesamtmensch meinem Freund noch gar nicht erschlossen worden bin. Ich bin anders und mehr als das, was ich in Englisch kommunizieren kann. Ich fühle mich manchmal immer noch gehandicapt. Auch die ganze Sozialisation, die bei mir ausschließlich in Deutschland stattfand, macht uns zu zwei Menschen mit zwei sich nicht überschneidenden Backgrounds. Hier in Deutschland genügt es manchmal, ein einziges Wort aus der Kindheit zu sagen, und schon erzählt sich eine ganze Geschichte von selbst. Das geht in unserer Beziehung eben nicht. Aber ich beschwere mich nicht: Die Öffnung meines Horizonts durch das Eintauchen in eine andere Kultur ist viel mehr wert als das, was ich verliere, weil ich meine Sätze nicht ganz so komplex oder so akkurat formulieren kann wie im Deutschen.
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Doris Dörrie? Was hat Sie an dem Buch zu „Nackt“ angesprochen?
Zum einen hat der Film und auch das Drehbuch eine ganz besondere Struktur. Sowas freut einen als Schauspielerin, wenn man das Gefühl hat, da versucht nicht jemand einfach nur, die Formel einer Unterhaltungskurve nachzuzeichnen, sondern macht etwas ganz Eigenständiges. Doris Dörrie versucht nicht einfach, an etwas zu polieren, um damit viele Zuschauer in die Kinos zu locken. Sondern sie erzählt auch noch eine Geschichte, die ihr wichtig ist. Es gibt leider nicht viele Regisseure, die das auch so machen. Da ist Doris Dörrie weltweit eine Ausnahme.
Wie lief die Arbeit mit ihr im Vergleich zu Dieter Wedel, mit dem Sie „Die Affäre Semmeling“ gedreht haben?
Bei „Nackt“ hatten wir den Luxus, dass der Film chronologisch Szene für Szene gedreht wurde. Manche Szenen haben wir zehn Minuten am Stück gespielt. Ich habe zwar noch nie am Theater gespielt, aber so stelle ich mir das vor. Das ist toll für einen Schauspieler, so in eine Szene eintauchen zu können und nicht nur Stückwerk abzugeben, wie es sonst üblich ist. Was die Dreharbeiten betrifft, ist Doris Dörrie das absolute Gegenteil zu Dieter Wedel. Wo er kaum etwas dem Zufall überlässt und die Zügel fest in der Hand hat, da sagt Doris Dörrie: Ich möchte, dass die Figuren durch euch Schauspieler anfangen zu leben. Also gebt ihnen Euer Sein.
Wie sah das praktisch aus?
Wir durften die Texte umsprechen, haben viel improvisiert und mit Utensilien gespielt, bis wir dann alle gemeinsam ein Ergebnis bekommen haben. So ist durch das Zusammenwirken etwas entstanden, von dem Doris zu Anfang noch gar nicht wusste, dass es in dem Buch drinsteckt.
Wieweit haben Sie sich in den Figuren wiedererkannt?
In vielen Szenen. Da werden eben die Fragen gestellt, die ich mir persönlich auch stelle: Was kann mein Partner für mich sein? Wo sind meine Erwartungen an unsere Beziehung zu hoch? Was will ich eigentlich von der Liebe? Was meine ich, was Liebe ist? Was erstickt die Liebe? Was für romantische Vorstellungen habe ich, die in der Realität gar nicht funktionieren? Das sind die Fragen, die ich mir mein Leben lang schon stelle. Doris Dörrie beantwortet sie zwar auch nicht alle, aber setzt sehr interessante Denkprozesse in Gang. Dann geht es auch um die Frage, wie wichtig es ist, Geld und materielle Güter anzuhäufen - und wie man darin ersticken kann.
Stellen Sie sich diese Frage auch privat?
Ja. Ich frage mich manchmal, ob einem diese Dinge helfen, frei zu sein, weil man alle Möglichkeiten der Welt besitzt – oder ist man frei, wenn man das Zelt im Vorgarten stehen hat und eigentlich jeden Tag weiterziehen könnte? Das sind so Gedanken, die ich in meinem Kopf herumwälze.
Ein anderes, in den letzten Monaten aktuelles Thema, das in dem Film durchscheint, ist die Angst von Menschen um die 30, dass es nach Jahren des ungebremsten Erfolgs nicht ewig so weitergeht. Haben Sie diese Angst auch?
Nein, kaum. Die Frage, was kommt als nächstes, hat mich eigentlich mein ganzes Leben lang begleitet. Ich könnte ja nicht behaupten, dass ich ständig in Angeboten ersticke. Aber damit verbinde ich keine Angst. Und auch meine Freunde in England arbeiten eigentlich alle in Branchen, wo es zum Alltag gehört, sich zu fragen: Wann kommt der nächste Job? Ich habe noch nie das Gefühl gehabt: Ich weiß, jeden Tag werde ich wieder zur Arbeit gehen und mein Leben finanzieren können. Ich bin aufgewachsen mit dem Gefühl, dass ich mich nicht darauf verlassen kann, dass ich in zehn Jahren immer noch im gleichen Beruf arbeiten werde.
Sie sagten vorhin, sie lieben es, immer wieder nach Deutschland zurückzukehren. Spielen sie mit dem Gedanken, eines Tages dauerhaft zurückzukommen?
Ja, die Überlegung gibt es auf jeden Fall. Ich sehe mich ja immer als Mensch mit zwei Wohnorten: Berlin und London. In Berlin mag ich besonders die Weite der Straßen, dieses Großzügige. Hier kann man aufatmen. In England ist das alles immer so eng und klein. Wenn ich in Berlin bin, lebe ich immer bei meiner Mutter. Die hat eine große Wohnung in Charlottenburg. Ich habe auch viele Freunde hier. Manchmal überlege ich schon, mir eine kleine eigene Wohnung in Berlin zu nehmen. Aber ich bin auch gerne bei meiner Mutter, daher habe ich keine Eile.
Wo fühlen Sie sich hier besonders wohl?
Meine Lieblingsgegend ist Charlottenburg. Zum Glück hat sich der Trubel um Mitte wieder beruhigt. Jetzt darf man auch wieder in Charlottenburg wohnen, ohne total uncool zu sein. Meine Lieblingsorte? Der Tiergarten, der Schleusenkrug, das Toto, das italienische Restaurant an der Ecke Grolmann- und Pestalozzistraße – und das Kino Kurbel. Da gucke ich immer Filme im englischen Original.
Das Gespräch führte Lars von Törne
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