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Ob es für Berlins Justiz besser läuft, wenn ihre Daten in Kiel lagern?
© Getty Images/iStockphoto

Justiz-IT: IT-Probleme in Berlin - Justiz sucht Lösung lieber woanders

Die Justizverwaltung bereitet den Umzug der Berliner Justizdaten nach Kiel vor. Die Aktion ist umstritten – und alles andere als transparent.

Berlin glaubt offenbar, seine IT-Probleme bei Zivil- und Strafgerichten lösen zu können, indem es künftig IT-Infrastruktur in Schleswig-Holstein nutzt. Dabei allerdings könnte die Landeshaushaltsordnung gebrochen werden. Dem Land droht ein Millionenschaden.

Die Lage: Der Dienstleister für das Land Berlin und auch für dessen ordentliche Gerichtsbarkeit ist das ITDZ, das IT-Dienstleistungszentrum. Es ist angebunden an die Innenverwaltung. Berlin ist wiederum ans ITDZ gebunden und seit dem 1. Januar verpflichtet, dessen Leistungen abzunehmen. So steht es in Paragraph 24 des E-Government-Gesetzes.

Der Plan: Da die Senatsverwaltung für Justiz erhebliche Probleme damit hat, die Gerichtssoftware zum Laufen zu bekommen, hatte offenbar ihr neuer Experte für technischen Sachverstand den Einfall, künftig statt des ITDZ die Dienste von Dataport zu nutzen. Dataport ist der zweite große Anbieter im Norden, dort stehen die Server für die Behörden der Bundesländer Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern.

Offenbar wird seit etwa einem Jahr an der Verlagerung nach Hamburg gearbeitet; es gab dem Vernehmen nach Geheimbesuche und -verhandlungen, es werden derzeit Termine gesucht, um die Verlagerung zu vollziehen – dabei wurden die betroffenen Gerichte nicht einmal eingebunden. Die Senatsverwaltung missbilligte, dass der Tagesspiegel direkt beim zuständigen Mitarbeiter angefragt hat (der sich nicht äußern wollte), statt sich an die Pressestelle zu wenden. Dort allerdings sind keine zufriedenstellenden Antworten etwa zum Ob, zum Warum und zum Nutzen des Wechsels zu bekommen.

Die Senatsverwaltung plant also einen großen Eingriff in die Technik, mit der Berliner Gerichte arbeiten – bereitet diesen aber sehr intransparent vor. Insider halten das Vorhaben inhaltlich für Unfug und rechtlich für unzulässig. Dass das Programm Forumstar, die Anwendung, mit der die Gerichte ihre Verfahren abwickeln, nicht laufe, habe mit ganz anderen Umständen zu tun, sagt ein IT-Experte aus der Justiz.

„Es wird auch bei Dataport nicht laufen, denn egal auf welchen Servern man hostet, dieses Verfahren ist viel zu dämlich aufgebaut. Es ist von der Grundkonstruktion her zu alt, man kann es eigentlich auf modernen Servern gar nicht laufen lassen.“ Hinzu komme, dass viele der Altverfahren der Justiz damit nicht kompatibel seien.

Gerichtspräsidenten wurden nicht richtig informiert

Kammergerichtspräsident Bernd Pickel meint, es gehe nicht um Forumstar oder überhaupt um Software. Es gehe um Hardware und die Frage: Welcher Anbieter kann gewährleisten, dass die Daten der Justiz komplett separiert werden von den Daten der Verwaltung? „Die Justiz muss nicht alles selber machen, aber sie muss die Hoheit über ihre Daten behalten“, sagt Pickel. „Es wird erstmal die Machbarkeit geprüft, das ist alles noch nicht so weit.“ Er habe noch kein Angebot von Dataport und man sei ganz sicher nicht in konkreten Vertragsverhandlungen.

Von anderer Stelle in der Justiz hört man jedoch etwas anderes: Der Deal sei praktisch schon abgeschlossen, heißt es. Die Senatsverwaltung habe in einem Gremium, in dem es um die Einführung der elektronischen Akte geht, vergangene Woche einen sich über sechs Monate erstreckenden, von Dataport skizzierten Plan für den Umzug der Daten vorgestellt. Eigentlich müsse man nur noch durch den Hauptausschuss.

In Pickels Aussage lässt sich hineinlesen, dass die Justizverwaltung auch ihn möglicherweise nicht ausführlich informiert hat; die Vorbereitung des Wechsels läuft dem Vernehmen nach seit einem Jahr im Geheimen, es gibt nichtmal Aktenvermerke darüber.

Der Vorgang dürfte rechtswidrig sein, da er offenbar ohne Ausschreibung, ohne Wirtschaftlichkeitsberechnung, ohne irgendeine sachliche Grundlage betrieben wird. Dies sei aber nach der Landeshaushaltsordnung zwingend, sagt ein Experte für Haushaltsrecht. Und Daten separat lagern könne das ITDZ ebensogut, hier habe Dataport also kein Alleinstellungsmerkmal. Dies wäre also kein Grund, dass eine Ausschreibung hinfällig wäre.

ITDZ-Chefin war informiert

Berlin habe doppelt den Schaden: „Wenn der gesamte Client-Betrieb mit Forumstar zu Dataport wechseln soll, verliert das ITDZ seinen Hauptabnehmer, seinen besten Kunden, denn nur dank der Justiz schreibt das ITDZ überhaupt schwarze Zahlen“, sagt der IT-Mann. „Die Sachen, die dort von uns gehostet werden, sind schon immer überdurchschnittlich teuer gewesen. Und Dataport ist nicht etwa billiger, sondern noch teurer.“ Außerdem gehe es Dataport wirtschaftlich schlecht.

Es gebe keinen sachlichen Grund für den Wechsel: „Es ist gegen jedes vernünftige wirtschaftliche Handeln.“ Und selbst wenn man sage, das ITDZ sei nicht gut genug: Dann müsse man ausschreiben und neu vergeben. Der Plan bringe jedenfalls einen Millionenschaden für das Land, zumal das ITDZ extra für die Justiz sein Serverzentrum umgebaut hat.

ITDZ-Chefin Ines Fiedler weiß über die mögliche Verlagerung des Betriebes Bescheid. Ihr gegenüber wurde diese Maßnahme damit begründet, dass sie mit ihrem Betrieb die neuen Anforderungen nicht erfüllen könne, die nach der BGH-Entscheidung zur hessischen Netzklage bestehen. Kern dabei ist, dass die Daten der Justiz, also der Judikative, streng getrennt werden müssen von allen Daten, die zur Exekutiven gehören.

Für Auskünfte verwies das ITDZ an die Pressestelle der Justiz. Dataport teilte mit, man bereite derzeit ein Angebot an die Justizverwaltung vor. Zuvor hatte Dataport nach eigenen Angaben im Auftrag des ITDZ eine Machbarkeitsstudie erstellt, zu der die Justizverwaltung den Auftrag an das ITDZ erteilt hatte. Vermutlich wird das Ganze also ein Fall für den Rechnungshof.

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