Beim Update auf Windows 10: IT-Mitarbeiter löschte Daten bei Berliner Kriminalpolizei
Am Wochenende gab es auf den Rechnern Berliner Ermittler ein Update auf Windows 10. Die Beamten wussten nichts vom Termin. Jetzt sind wichtige Notizen futsch.
Es geht um sogenannte vorgangsrelevante Daten, Notizen und Auswertungen von Beamten zu Ermittlungen gegen Intensivtäter, zu Betrugsfällen und zu Raub. Durch ein Update der Computer von Windows 7 zu Windows 10 bei der Kriminalpolizei in der Direktion 2 sind am Wochenende diese Daten gelöscht worden.
Gespeichert waren die Daten auf den lokalen Festplatten der Computer, mit dem Update ist gesammeltes Ermittlerwissen von unzähligen Beamten nun unwiederbringlich verloren.
In der Direktion 2 hat der Vorgang massiven Unmut ausgelöst. Ein IT-Mitarbeiter sei einfach in die Büros gegangen und habe ohne Datensicherung die Computer überspielt. Vorabinformationen oder Absprachen, dass die Umstellung an diesem Wochenende vorgenommen werden sollte, habe es nicht gegeben.
Ein entsprechender Bericht des Tagesspiegel-Newsletters Checkpoint provozierte in der Behördenleitung am Mittwoch helle Aufregung. Denn faktisch ist die Direktion 2, zuständig für Charlottenburg-Wilmersdorf und Spandau, derzeit nahezu führungslos.
Direktionsleiter Stefan Weis ist auf dem Sprung in die Pension, sein Stellvertreter Thomas Goldack, Intimus von Polizeivizepräsident Marco Langner, ist abwesend, weil er sich um die Strukturreform kümmern soll.
Im Zuge der von Polizeipräsidentin Barbara Slowik angestoßenen Reform wächst die Direktion und wird künftig auch für das Regierungsviertel zuständig sein. Goldack werden Ambitionen auf den frei werdenden Chefposten in der künftigen Direktion West nachgesagt.
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Die Polizei selbst versuchte die Löschaktion als weniger dramatisch darzustellen. Es habe sich um eine langfristig geplante Maßnahmen gehandelt, die rechtzeitig per Mail angekündigt worden sei. „Daraus ging auch hervor, dass Daten der lokalen Laufwerke gelöscht werden“, sagte ein Polizeisprecher am Mittwoch.
Ende Oktober gab es Tipps für den Umgang mit den Daten
Ohnehin dürften wichtige dienstliche Daten nicht auf den lokalen Festplatten, sondern nur auf den Servern gespeichert werden. Daher sollten diese Daten von der Löschung nicht betroffen sein, erklärte der Sprecher weiter. Zudem habe die IT-Abteilung allen Bediensteten ein „Tool“ zur Verfügung gestellt, mit dem lokale Daten, Verknüpfungen und Favoriten vorab gesichert werden konnten.
Nach einer allgemeinen E-Mail, in der das Update auf Windows 10 angekündigt worden sei, habe es vom örtlich zuständigen IT-Verantwortlichen Ende Oktober eine weitere E-Mail gegeben mit Hinweisen, wie mit den Daten umzugehen sei.
Die Polizei sieht die Beamten in der Verantwortung
Auf Nachfrage hieß es aber auch, die übliche Warnung und Ankündigung des genauen Termins für das Update habe es nicht gegeben. Das deckt sich mit den Angaben aus der Direktion selbst. Offenbar gab es eine Kommunikationspanne.
Die Polizei selbst sieht betroffene Beamten selbst in der Verantwortung. Spätestens seit der Ankündigung Ende Oktober hätte jeder Beamte seine Daten sichern können. Betroffen seien nur 16 Rechner, nur vereinzelte Beamte hätten sich beschwert und den Verlust von Daten angezeigt.
Mit dem Arbeitsalltag und den üblichen Abläufen vor Ort habe das aber wenig zu tun, hieß es dagegen aus der Direktion. Dort haben die Beamten genug zu tun, seit Jahren steigen in der Polizei die Überstunden.
Windows10 ist bei den Datenschützern umstritten
Es sei übliche Praxis, kurz vor einem solchen entscheidenden Eingriff kurzfristig die Betroffenen erneut über den bevorstehenden Termin und die drohende Löschung zu informieren. Es seien auch weitaus mehr Beamte vom Datenverlust betroffen, als die Behörde es darstelle, hieß es in der Direktion.
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Bei Windows10 gibt es ohnehin Bedenken bei der Datensicherheit. Laut den Datenschützern von Bund und Ländern ist es aktuell nicht möglich, die Übertragung von Telemetrie-Daten über den Computer und dessen Nutzung „durch Konfiguration von Windows 10 vollständig zu unterbinden“.
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik arbeitet noch an Sicherheitsanalysen und Empfehlungen für die Konfiguration der Rechner. In Berlin sollen trotz laufendem Update für 80.000 Behördenrechner die zentrale Sicherheits- und Konfigurationsregeln für Windows 10 bis Jahresende fertig sein.