Flüchtlingshilfe im Jugendzentrum Pankow: Integration, selbst gemacht
Im Jugendzentrum Pankow gestalten junge Menschen, darunter Flüchtlinge, gemeinsam eine ereignisreiche Woche. Die integrative Arbeit des Clubs hat sich herumgesprochen
Der Umgang mit Flüchtlingen ist für alle ein andauernder Lernprozess. Beim „Café ohne Grenzen“ waren zunächst die kulturellen Gepflogenheiten problematisch, etwa beim gemeinsamen Essen, als immer viele Essensreste übrig blieben. Ein Zeichen der Undankbarkeit? Ganz im Gegenteil: Grund war die verlegene Höflichkeit von Menschen aus manchen Kulturkreisen. Die umweltbewussten Engagierten konnten dennoch nur sehr schwer akzeptieren, dass ganze Mahlzeiten schließlich im Müll landeten.
Lange hatte die 21-jährige Amelie Maier am Konzept gearbeitet – und dann kamen nur zwei Interessierte zur Präsentation ihrer Idee. Dabei hatte sie den Text in ihrem Info-Flyer sogar in zwölf verschiedene Sprachen übersetzen lassen. Dass der Einladung zum ersten interkulturellen Café dann doch über hundert Flüchtlinge aus dem Kiez gefolgt sind, freut Amelie heute noch. Seither ist das „Café ohne Grenzen“ im Jugendzentrum Pankow (JUP) zu einem bekannten Treffpunkt von Flüchtlingen und Helfern aus der Nachbarschaft geworden. Auch in anderen Stadtteilen nahm man das „Café ohne Grenzen“ zum Vorbild, um ähnliche Anlaufpunkte zu entwickeln.
„Fokus auf die Gemeinsamkeiten“
Das Café bildete den Auftakt für weitere Projekte mit Flüchtlingen im JUP wie dem „Camp DIY 2.0“ in dieser Woche, in der etwa 30 junge Menschen unterschiedlicher Herkunft selbstorganisiert zusammenleben. Viele Teilnehmer kommen aus Syrien und dem Balkan. „Damit das funktioniert, legen wir den Fokus auf die Gemeinsamkeiten“, sagt Amelie. Die Studentin engagiert sich ehrenamtlich im JUP. Sie hat erfahren, dass es nicht einfach ist, kulturelle und sprachliche Hürden zu überwinden. Auf das ambitionierte Ziel, etwas Gutes für Flüchtlinge zu tun, kam die Ernüchterung. „So simpel es klingt, aber Flüchtlinge sind nicht per se die besseren Menschen. Wie wir Herkunftsdeutschen haben auch sie Vorurteile im Kopf, die abgebaut werden müssen. Und das machen wir gemeinsam.“
Jeder bringt das ein, was er am besten kann
Als Thema ihres einwöchigen Diversity-Workshops wählte das JUP-Team „Lookism“. Das bedeutet, dass man mit den äußeren Merkmalen anderer Leute wie Übergewicht oder Vollbart sofort feste Vorstellungen verbindet. „Das mag vielleicht verkopft klingen, aber bei dem Thema treffen sich alle“, resümiert Jana Ringer, Sozialpädagogin und Geschäftsführerin des JUP, die die jungen Ehrenamtlichen unterstützt. Schließlich macht jeder Erfahrungen mit der Bedeutung von Äußerlichkeiten, hat eigene Vorstellungen und Schönheitsideale. Vielfalt im Team bringe zu diesem Thema unterschiedliche Sichtweisen zu dem Thema zusammen. Ein Gewinn für die Diskussion sei das gewesen.
„DIY“ steht für „Do it yourself“, denn neben dem „Lookism“-Workshop bringt jeder das ein, was er am besten kann. So entstanden kleine Workshops zu verschiedenen Kunsttechniken, ein Parcour-Training, Hip-Hop-Sessions, sogar Haareschneiden wurde von Teilnehmer zu Teilnehmer vermittelt. Noch dazu wohnen alle zusammen unter einem Dach und kochen gemeinsam. „Erst, wenn man zusammen den Alltag organisiert, lernt man sich wirklich kennen“, sagt Sozialpädagogin Ringer.
Spenden finanzieren eine offene Rechtsberatung
Es gab durchaus Hürden zu überwinden in den letzten zwei Jahren. Schwierig wurde es, als Syrer das „Café ohne Grenzen“ eine Zeit lang mieden. Denn bis zu ihrer Abschiebung waren es vor allem Roma-Flüchtlinge, die den JUP Pankow aufsuchten. Es ist nicht so, als hätten Flüchtlinge keine Vorurteile gegeneinander.
Und dann gab es Zeiten, in denen es an Besuchern aus der deutschen Nachbarschaft fehlte. Die sind aber dringend gewünscht, denn nur so kann ein wirklich integratives Netzwerk aufgebaut werden. Mittlerweile kommen an jedem zweiten Sonntag um die 30 Flüchtlinge mit Herkunftsdeutschen aus der Nachbarschaft zusammen. „Das ist entspannter und gemütlicher als früher. Außerdem können wir uns so auch ganz persönlich der Menschen annehmen und Vertrauen aufbauen“, sagt Amelie.
Seit einiger Zeit konnte durch Spenden der Grünen und der Linken sowie privaten Finanziers beim Café eine offene Rechtsberatung durch einen Anwalt eingerichtet werden – ein Angebot, das in vielen Heimen fehle.
Die Hälfte fehlt noch
Viel Unterstützung wird auch weiterhin gebraucht. In einem Positionspapier hat der JUP e.V. 14 „(An)Forderungen“ für die ehrenamtliche Arbeit erstellt. Darin fordern sie, bei der Planung einer Unterkunft auch ehrenamtliche Angebote in der Finanzierung besser zu berücksichtigen. Derzeit finanzieren sie ihre integrativen Projekte vor allem über Spenden via betterplace.org. Für Café, Rechtsberatung und Dolmetscher müssen im Quartal etwa 2000 Euro zusammenkommen, etwa die Hälfte fehlt derzeit noch für dieses Quartal. Gesucht werden stets auch Dolmetscher.
Eine weitere Anforderung stellen sie an die Weiterbildung von Ehrenamtlichen. Zwar sei keine psychologische Ausbildung nötig, wohl aber ein fundiertes Training für den behutsamen und vorurteilsfreien Umgang mit geflüchteten Menschen, vor allem den Kindern, die oft traumatisiert sind. „Die Kinder kosten die kleinen Freuden im JUP am intensivsten aus“, erzählt Amelie.
Eine Party zum Abschluss
Am heutigen Freitag endet das „Camp DIY 2.0“ mit einer Party unter dem Motto „Mach’s dir selbst!“. Dies bezieht sich auch auf den nicht vorhandenen Dresscode des Abends: Jeder soll in individuell gestalteten Outfits kommen. Ab 20 Uhr ist Karaoke geplant, später am Abend sorgt ein DJ-Team aus dem Jugendklub für Unterhaltung. Wie immer spontan, und wie immer sind auch alle eingeladen – aus den Flüchtlingsunterkünften, der deutschen Nachbarschaft, aus Berlin.
Es wird ein Abend, an dem eine gemeinsame Zukunft beginnen kann. Amelie Maier und ihre Mitstreiter aus dem Jugendzentrum Pankow machen vor, wie es geht. Mitmachen erwünscht.
„Mach’s dir selbst!“, heute um 20 Uhr, Unabhängiges Jugendzentrum Pankow JUP e.V. im Café Stilbruch, Florastraße 84. www.jup-ev.org
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Henrik Nürnberger