Entzogene Akkreditierungen bei G20-Gipfel: Innensenator Geisel: "Ein Fehler, den wir bedauern"
Innensenator Geisel widerspricht dem LKA, das die Langzeit-Speicherung von Tatvorwürfen gegen Journalisten verteidigt hatte. Aufgeklärt ist die Affäre damit nicht.
- Fatina Keilani
- Ronja Ringelstein
In der Affäre um entzogene Akkreditierungen von Journalisten beim Hamburger G-20-Gipfel spricht Innensenator Andreas Geisel (SPD) von Fehlern, die im ihm unterstehenden Berliner Landeskriminalamt gemacht worden seien – und widerspricht der Behörde: „Es war ein Fehler, dass die Daten zu lange gespeichert worden sind“, sagte Geisel am Mittwoch dem Tagesspiegel. Das LKA hatte noch von einer „rechtmäßigen Speicherung“ gesprochen.
In der Polizeidatei „Poliks“ (Polizeiliches Landessystem zur Information, Kommunikation und Sachbearbeitung) befanden sich veraltete Tatvorwürfe gegen Journalisten, obwohl diese längst hätten gelöscht werden müssen. Aufgrund dieser Daten wurden Journalisten nicht zum G20-Gipfel im Juli zugelassen, um ihrer Arbeit nachzugehen. Im Nachgang des Gipfels hatte das LKA, wie berichtet, Personendaten aus „Poliks“ gelöscht. Datenschützer befürchten dadurch den Verlust von Beweismitteln. Das LKA bestätigte die Löschung in zwei Fällen.
Nach Übermittlung an Hamburg, soll LKA bemerkt haben: Daten zu alt
Aus Sicht des Innensenators sei es zu der Löschung durch das LKA so gekommen: „Wenige Tage nach der Anfrage aus Hamburg sind die Daten gelöscht worden, weil man dann festgestellt hat, dass sie zu alt sind. Leider war die Nachricht an Hamburg schon raus. Dann ist der Fehler bei der Akkreditierung passiert, den wir bedauern“, sagte Geisel. Damit widerspricht Geisel der Darstellung des LKA, dass die Daten bis zur Löschung rechtmäßig gespeichert waren.
Tatsächlich ist für die Berliner Verwaltung geregelt, wann sie Daten daraufhin zu überprüfen hat, ob sie rechtmäßig gespeichert sind. Bei Erwachsenen beträgt die Frist zehn Jahre. Im Fall des Berliner Fotojournalisten Björn Kietzmann, dem die Akkreditierung entzogen wurde, stammte ein gespeicherter Tatvorwurf aus dem Jahr 2001.
Von Datenunterdrückung möchte der Senator wegen der verspäteten Löschung allerdings nichts wissen, denn schließlich sei „eine Kopie gezogen worden, damit in den Verfahrensakten alles nachvollziehbar ist“, die Daten seien nur nicht mehr in „Poliks“ vorhanden.
Datenschützer: Daten hätten gesperrt, nicht gelöscht werden müssen
Das aber sieht der ehemalige Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix als problematisch. Er meint, die Daten hätten in „Poliks“ gesperrt, nicht aber gelöscht werden müssen. Im Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz, das die Speicherung von Daten der Polizei erlaubt, ist geregelt, dass eine Löschung unterbleiben muss, wenn schutzwürdige Belange der Betroffenen beeinträchtigt werden könnten. Dann erfolgt ein sogenannter Sperrvermerk im System. Der führt dazu, dass die Polizei die Daten nicht mehr selbst weitergeben und bearbeiten kann, sie aber für eine etwaige Datenschutzprüfung oder ein Gerichtsverfahren abrufbar wären.
„Eine Kopie in den Verfahrensakten genügt nicht, denn es ist nicht zuverlässig nachvollziehbar, ob die Kopie mit dem Original-Datensatz übereinstimmt“, sagt Dix. Es sei ja gerade das Charakteristikum von digital gespeicherten Daten, dass sie verändert werden können. Deshalb sei es laut Dix so wichtig, sie in dem ursprünglichen DV-System einzufrieren und diesen Vorgang zu protokollieren. „Nur dann können Gerichte und die Datenschutzbeauftragte hinreichend sicher sein, dass ihnen die ursprünglichen und vollständigen Daten vorgelegt werden“, sagt Dix.
Nicht jeder klagte - dann gibt es auch keine Verfahrensakten
Nicht alle Journalisten haben gegen den Entzug der Akkreditierungen geklagt. Der Fotograf Florian Boillot etwa, eine Datenschutzprüfung hat er dennoch angestrengt. In seinem Fall gibt es deshalb auch keine Verfahrensakten, auf die das LKA und Geisel verweisen.
Aus diesem Grund sei die Sperrung auch aus Sicht von Eike Michael Frenzel, Privatdozent für Öffentliches Recht an der Universität Freiburg, das bessere Mittel gewesen, denn „in den Fällen, in denen es kein Gerichtsverfahren gibt, wird die objektive Rechtskontrolle durch die Datenschutzbeauftragte vereitelt“. Damit die nachträgliche Kontrolle der Beachtung des Datenschutzrechts möglich ist, müsse der ganze Vorgang vollständig dokumentiert sein. Gelöschte Daten aber sind einfach weg.