Volksentscheid: Initiative Wassertisch vom eigenen Erfolg überrascht
Am Ostbahnhof feierten die Initiatoren des Volksentscheids zu den Wasserverträgen ihren unerwarteten Triumph. Jetzt wollen sie noch mehr.
Um 19:20 Uhr jubeln die ersten, dabei ist es noch nicht offiziell. Im Zirkuszelt am Ostbahnhof zeigt eine große Leinwand die Zahlen auf der Webseite der Landeswahlleiterin. Die Spannung steigt und steigt, rund 150 Leute sind eingetrudelt, die meisten in der Annahme, dass man am Erfolg vorbeigeschrammt ist. Alles andere ist auch kaum vorstellbar – wo doch sogar Pro Reli und Tempelhof scheiterten, obwohl sie die Bürger viel stärker mobilisiert hatten, wie es schien.
Dann die Sensation – Jubel bricht aus, Triumphgeheul, es werden Luftsprünge gemacht. „Unfassbar! Wir haben’s geschafft!“ – Aktivisten, die wochenlang in der Stadt für die Abstimmung mobilisiert haben, liegen sich in den Armen. Als Hymnen werden Schlager mit Wasserbezug gespielt, vom Fifties-Hit „Splish Splash“ bis zu „Yellow Submarine“. Es gibt Lakritzfische zu essen, und alle sorgen mittels Getränken dafür, dass die auch schwimmen können.
„Das Gesetz ist jetzt nur noch per Klage zu verhindern“, ruft Wassertisch-Sprecher Thomas Rudek. „Wenn die Politik noch mehr Vertrauen verlieren will, soll sie ruhig klagen.“ Er klingt euphorisch und strahlt in jede Kamera.
Dorothea Härlin, die den Wassertisch 2006 mitbegründete, sagt ergriffen: „Ich bin heute emotional dermaßen beeindruckt“. Sie weist auf die internationale Bedeutung hin. Es sind nämlich nicht nur Berliner, sondern Bürger in aller Welt, die für ihr Wasser kämpfen. Beim Weltsozialforum in Venezuela lernte Härlin die dortigen Wassertische kennen und brachte die Idee mit nach Berlin. Sie sieht den Erfolg in einer Reihe mit anderen „Umwälzungen ohne Führer“ – von Ägypten bis Stuttgart 21.
Thomas Rudek rüstet schon für die nächste Schlacht. „Der Kampf geht weiter!“, ruft er. „Wir werden jetzt dafür sorgen, dass die Wasserbetriebe zurück in die Hand der Bürger kommen und die Privaten nicht mehr daran verdienen“. Er plane bereits ein neues Volksbegehren mit einem Gesetz für die kostengünstige, bürgernahe Rekommunalisierung der Wasserbetriebe. Den kürzesten Kommentar liefert der Grünen-Abgeordnete Benedikt Lux. „Tolle Sache“, sagt er nur, und: Er hätte damit nicht gerechnet. Zum Volksentscheid seien zwar viel weniger Berliner als zu den Aufregern Pro Reli und Tempelhof gegangen. Aber wer ging, kreuzte „Ja“ an.