BER-Debakel: Inbetriebnahme möglicherweise erst im Frühjahr 2013
Am heutigen Mittwochnachmittag beginnt die Aufarbeitung des Debakels um den neuen Flughafen. Bei der genaueren Lektüre der Projektberichte wird indessen klar: Die Verantwortlichen hätten gewarnt sein können.
Am heutigen Mittwochnachmittag berät der Aufsichtsrat des Flughafens über Konsequenzen aus dem BER-Desaster, passenderweise auf der Baustelle. Vorher tagt der Projektausschuss.
Nach dem Kreuzverhör durch Aufsichtsratschef Klaus Wowereit, Vize Matthias Platzeck und die anderen Vertreter wird Planungs-Manager Manfred Körtgen wahrscheinlich seinen Stuhl räumen müssen. Dass danach ein neuer Eröffnungstermin genannt wird, ist eher zweifelhaft. Nach Recherchen von Tagesspiegel-Online ist eine verlässliche Eröffnung frühestens in einem halben Jahr möglich, nicht vor Oktober/November, so dass eine Inbetriebnahme im Frühjahr des Jahres 2013 nicht mehr ausgeschlossen sind. Die Rückstände beim Bau, insbesondere bei den neuralgischen Techniksystemen des Terminals, sind lange bekannt.
Keine einzige rote, aber viele gelbe Ampeln - Geschäftsführung und Aufsichtsrat des Flughafens hätten bei genauer Lektüre gewarnt sein können: Im letzten regulären Controllingbericht der Projektüberwacher der Firma WSP/CBP, die den Bau des Willy-Brandt-Airports kontrolliert, finden sich deutliche Hinweise auf massive Verzögerungen und Rückstände. Das dem Tagesspiegel vorliegende 90-Seiten-Papier, datiert vom 20. März 2012, war dem Aufsichtsrat zur Sitzung am 20. April 2012 vorgelegt worden. Zwar wird darin klar erklärt, dass die Eröffnung am 3. Juni gesichert sei, worauf sich alle verließen. Eine rote Ampel („terminlich kritisch mit Auswirkung auf Inbetriebnahme“) findet sich nirgends. Doch zugleich ist dem Bericht zu entnehmen, dass der Rückstand, um den Airport voll funktionstüchtig zu eröffnen, also ohne provisorische, „teilmanuelle“ Lösungen, teilweise ein halbes Jahr beträgt. Es wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass sich das Projekt in Schlüsselbereichen „auf dem kritischen Weg“ befindet, markiert mit gelben Ampeln („terminlich kritisch ohne Auswirkung auf Inbetriebnahme“).
Besonders bei den entscheidenden Technik-, Gebäude- und Brandschutzsystemen im Fluggastterminal waren die Rückstände dramatisch. „Vor allem die Fertigstellung der Gebäudefunktionssteuerung, welche alle sicherheitsrelevanten Anlagen des Flughafens (u.a. der Brandmelde- und Entrauchungsanlage sowie der Zutrittskontrollen) miteinander verbindet und untereinander steuert, ist absolut kritisch und unterliegt daher einer sehr engen Steuerung.“
Die Empfehlung der Experten: Die BER-Baustelle braucht einen Notfallplan.
So konnte der BER-Probebetrieb, der längst auf Hochtouren hätte laufen müssen, im März für „diverse Systeme und Funktionalitäten nicht oder nur eingeschränkt“ stattfinden. Bei der „Datentechnik“ etwa war das Terminal erst zu 83 Prozent fertig – statt wie geplant zu 95 Prozent. Dabei sollten 80 Prozent lange vorher, nämlich bereits zum 30.Oktober 2011 geschafft sein. Bei der „Sicherheitstechnik“ war man erst bei einem Fertigstellungsgrad von 78 Prozent, obwohl fünf Monate vorher nach dem eigenen Plan 80 Prozent hätten fertig sein müssen. Stattdessen war die „Gebäudeautomation“ auf „dem kritischen Weg“, und zwar etwa bei der „Türsteuerung“ oder der „Verkabelung der Entrauchungs- und Brandmeldeanlage“.
Nötig seien daher „enge Abstimmungen“, „Erhöhung von Kapazitäten“, der „Einsatz von Task Forces“. Trotzdem wieder der Satz: „Die Betriebsaufnahme am 3.6.2012 ist sichergestellt, bedarf jedoch einer sehr engen Steuerung.“ Aus dem Bericht geht sogar hervor, dass Brandenburgs Bauaufsichtsbehörden mitten im dramatischen Wettlauf zwischenzeitlich die Notbremse gezogen hatten. „Für Brandschutzklappen und Entrauchungsanlagen wurden ein Baustopp erteilt“, heißt es. Der Baustopp, weil nicht zugelassene Teile eingebaut wurden, war Mitte März nicht aufgehoben. Es stand längst fest: „Aufgrund des derzeitigen Baufortschrittes und der hohen Komplexität der Entrauchungsanlage kann diese zur Inbetriebnahme zum 3. Juni nicht vollautomatisch betrieben werden.“ Fortan wurde an einem Notkonzept gefeilt, das etwa 700 Hilfskräfte vorsah, die im Notfall Türen öffnen und Brandschutzanlagen bedienen sollten. Aber, auch der Hinweis findet sich: „Die Bestätigung dieses Konzeptes ist zwingende Voraussetzung für die behördliche Gesamtabnahme.“ Die wurde dann bekanntlich verweigert. Die Controller hatten auch gute Nachrichten. Unter Verweis auf „hygienische Mängel“ bei der „Klimaanlage in der neuen Zentrale des Bundesnachrichtendienstes kann sichergestellt werden, dass dieses Risiko beim Bauvorhaben BBI nicht besteht“.