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Hier wartet der Chef noch selbst: Michael Müller und seine Frau bei der Stimmabgabe im OSZ Lotis in der Tempelhofer Dudenstraße.
© Reuters

Wählen in Tempelhof-Schöneberg: In einer Schlange mit dem Regierenden

In Tempelhof-Schöneberg wird in vielen Kiezen sozialdemokratisch gewählt – aus Tradition. Dazu kommt der Michael-Müller-Bonus.

Auch Michael Müller muss Schlange stehen. Kurz vor 13 Uhr reihen sich Berlins Regierender und seine Frau Claudia in die lange Reihe im Wahllokal in Tempelhof ein. Die Sicherheitsleute finden das nicht so toll, Müller schon: „Ist doch gut, dass so viele zur Wahl gehen“, sagt er den Journalisten. Er hoffe, dass dadurch die SPD ihren Vorsprung vor den anderen Parteien noch ausbauen könne. Und dass „viele Berliner sagen: Wir wollen hier keine starke AfD.“

Das Wahllokal befindet sich im Oberstufenzentrum Lotis in der Dudenstraße. Nicht weit entfernt davon ist Michael Müller aufgewachsen. „Viele hier kennen ihn, seinen Vater und die Müllersche Druckerei seit Jahren“, sagt eine ältere Frau. „Er ist bescheiden geblieben – das rechnen ihm die Leute hoch an.“ Viele, die mit dem Regierenden Bürgermeister in der Schlange stehen, äußern sich ähnlich. „Er ist pragmatisch, ein Arbeiter, der nicht so viel Aufhebens um seine Person macht wie sein Vorgänger“, meint ein Mann. Natürlich gibt es auch ein paar böse und hämische Stimmen. „Da sieht der Müller mal, wie es uns in den sogenannten Bürgerämtern geht“, sagt ein jüngerer Mann, der ein Kind an der Hand hat, sehr laut zu seiner Partnerin.

SPD wählen - mangels Alternativen

Ähnliches hört man besonders häufig vor dem Rathaus Tempelhof, wo sich ebenfalls ein Wahllokal befindet. „Sonst komm’ ich hier zum Bürgeramt, und da muss ich viel länger warten“, schimpft eine Rentnerin. Ein Rad fahrendes Ehepaar mit drei Kindern regt auf, dass auf dem Tempelhofer Damm keine Radwege sind. „Das ist kreuzgefährlich, so wie die Autos hier rasen“, sagt die Frau: „Und wenn sich dann ältere Leute unsicher fühlen und auf den Bürgersteig ausweichen, werden sie noch abkassiert. Das ist richtig gemein und müsste sich dringend ändern.“ Ihr Mann setzt hinzu: „Und das Tempelhofer Feld – das muss auf jeden Fall so erhalten bleiben wie es ist. Niemand hier will eine Bebauung.“

Ähnliches hört man von vielen Tempelhofern. Zwei Frauen, Mutter und Tochter, haben ihre Stimmen gerade der SPD gegeben – mangels wirklicher Alternativen, wie sie meinen. Amadeus Flößner sagt nicht, wen er gewählt hat. Der 66-jährige ehemalige Kellner steht wie aus dem Ei gepellt – im Abendanzug, Weste, Fliege und Taschenuhr an goldener Kette – vor dem Wahllokal. „Ich muss jetzt nach Pankow, bin dort als Wahlhelfer tätig“, erklärt er. Und findet Michael Müller richtig gut. Der mache einen „unaufgeregten, pragmatischen Job“, sagt er: „Glamour hatten wir ja beim Genossen Wowereit genug.“

AfD sorgte für schwierigeren Wahlkampf

Ein 83-jähriger ehemaliger Geschäftsmann, den seine Tochter ins Wahllokal begleitet, erzählt, dass er seit Kriegsende in Tempelhof gewohnt und meist die CDU gewählt hat. Allerdings sei die SPD hier immer stark gewesen.

Noch stärker ist sie allerdings in Friedenau. Rund 450 Mitglieder zählt die dortige Ortsgruppe. Oder Abteilung, wie man in Berlin sagt. Sie ist eine der größten in der Hauptstadt. Und hier wird traditionell SPD gewählt – noch am Sonnabend haben Berlins Senatorin für Arbeit, Frauen und Integration, Dilek Kolat, und ihr Team am Dürerplatz Rosen verteilt. Und Flyer, auf denen die Wähler aufgefordert wurden, ihre Erststimme Kolat, ihre Zweitstimme Müller und ihre Drittstimme der jetzigen Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler zu geben.

„Wir haben in den vergangenen Wochen an 8000 Türen geklingelt, hatten mehr als 4000 Bürgerkontakte“, sagt Kolat. Dabei sei der Wahlkampf auch wegen der vielen Gespräche mit AfD-Anhängern anstrengender und zum Teil aggressiver gewesen, schätzt die Bildungsbeauftragte der Friedenauer SPD, Antje Schwarzer, ein. Sie ist wie viele Genossen, die am Sonntagabend im Rathaus Schöneberg die Hochrechnungen verfolgen, doch enttäuscht über das Ergebnis der SPD.

Hoffnung auf ein besseres Ergebnis

Ihr junger Parteifreund Orkan Özdemir sieht es nicht so tragisch. „Die Hauptsache ist, dass die AfD nicht so stark ist und dass wir genug Abstand zu den anderen Parteien haben“, sagt er. Und hofft noch immer, dass das Ergebnis für die SPD in Tempelhof-Schöneberg besser ausfällt. „Wir hatten den Michael-Müller-Bonus“, sagt er: „Bei uns stand er an erster Stelle auf dem Wahlschein. Und ich bin überzeugt, dass die SPD nur deshalb stärkste Partei geworden ist, weil wir ihn haben.“

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