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Die elektronische Fußfessel.
© dpa

Berliner Gericht entscheidet über Fußfessel: In die Fesseln gesetzt

Ein Gericht entscheidet am Mittwoch in Berlin, ob ein Verurteilter einen Sender tragen muss. Für die Hauptstadt wäre das eine Premiere. Die Überwachung erfolgt dann von Hessen aus.

Erstmals soll in Berlin ein ehemaliger Strafgefangener die elektronische Fußfessel tragen – und zwar ein Sicherungsverwahrter, der am kommenden Mittwoch entlassen werden soll. Die Staatsanwaltschaft hat beantragt, den 62-Jährigen „anzuweisen, die für eine elektronische Überwachung seines Aufenthaltsortes erforderlichen technischen Mittel ständig in betriebsbereitem Zustand bei sich zu führen“ – also: das Gerät immer am Knöchel zu tragen.

Zudem will die Staatsanwaltschaft Karl S. (Name geändert) mehrere Aufenthaltsverbote erteilen. So soll er fünf Kilometer Abstand zum Wohnort einer Frau halten, mit der er in der Vergangenheit Streit hatte, sowie zwei Kilometer um den Arbeitsplatz der Frau. Begründung: Landeskriminalamt und Justiz halten S. für hoch gefährlich. Die Fußfessel, die metergenau ständig ihren Standort sendet, würde Alarm geben, wenn S. sich diesen Adressen nähert. Der Alarm geht im hessischen Bad Vilbel ein, von dort überwachen 15 Mitarbeiter der Gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder (GÜL) aus alle deutschen Fußfesselträger. Am heutigen Mittwoch will ein Gericht über den Fall S. entscheiden.

Der 62-Jährige war 1998 zu sechseinhalb Jahren wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden, mit anschließender Sicherungsverwahrung: Er hatte seiner Freundin aus Wut über die Trennung eine Schere in den Hals gerammt. Vorangegangen waren zahlreiche Straftaten seit 1970, viele davon wegen Körperverletzung. Opfer waren oft Frauen aus dem Bekanntenkreis.

Im Jahr 2005 trat S. die Sicherungsverwahrung an – und schon zwei Jahre später machte sein Fall Schlagzeilen. Ein Gericht entließ ihn in die Freiheit, weil die Justiz getrödelt hatte. Die Verwaltung hatte es in zweieinhalb Jahren nicht geschafft, ein Gutachten zu erstellen, das die Gefährlichkeit beweist. S. klagte wegen Untätigkeit und kam frei. Die damalige Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) geriet damals erheblich unter Druck. Vor dem Rechtsausschuss des Parlaments gab von der Aue „Kommunikationsmängel“ zu. Die Bevölkerung, so die Senatorin weiter, „könne ruhig schlafen“, da S. ein „Beziehungstäter“ sei. Knapp ein Jahr später musste S. zurück ins Gefängnis, Straftaten hatte er in dieser Zeit nicht verübt.

Ein Gutachter geht von einer „durchaus günstigen Perspektive“ aus

Doch das war nicht das einzige Mal, dass S. die Justiz bemühte. Als das Gefängnis dem Häftling mehrfach Ausgänge und Lockerungen strich oder Disziplinarstrafen verhängte, wehrt sich S. immer wieder erfolgreich vor Gericht: Bei den Ausgängen besuche er einen Therapeuten, dies sei entscheidend für die Resozialisierung. Dies sahen mehrere Richter ebenso und kritisierten heftig Justizverwaltung und die Justizvollzugsanstalt Tegel. So werden Entscheidungen „willkürlich“ und „billige Retourkutsche“ genannt. Fettgedruckt heißt es in einem Beschluss des Landgerichts: „Die Kammer weist vorsorglich darauf hin, dass das Festhalten des Antragstellers in der JVA entgegen dieser Anordnung als Freiheitsberaubung strafbar wäre.“ 

Im Sommer hatte die Berliner Justiz gegen einen Gewalttäter eine Fußfessel angeordnet

Da S. sich erfolgreich einer Therapie stellte, wurde 2012 der Beschluss gefasst, dass er „auf Bewährung“ im November 2013 freikommen kann. Ein Gutachter geht von einer „durchaus günstigen Perspektive“ aus. Doch das sieht die Staatsanwaltschaft anders. Mit mehreren Anträgen, S. nicht freizulassen, ist sie zuletzt in der vergangenen Woche vor Gericht gescheitert. S. verweist darauf, dass er allein in diesem Jahr 136 unbegleitete Ausgänge aus dem Gefängnis hatte. Bei allen kehrte er „freiwillig, nüchtern, pünktlich“ zurück, wie die Justiz bestätigte.

Bereits im Sommer hatte die Berliner Justiz gegen einen Gewalttäter eine Fußfessel angeordnet. Doch bevor der Beschluss rechtskräftig war, saß der 39-Jährige wegen einer neuen Tat bereits wieder in U-Haft. Zudem halten sich drei Fußfesselträger aus anderen Bundesländern derzeit in Berlin auf.

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