Studie zu Paralleljustiz: In Berlin herrscht „Klima der Angst“
Vor allem in Neukölln, Wedding, Moabit und Kreuzberg gibt es Probleme mit kriminellen Strukturen arabischer Großfamilien. Eine neue Studie dazu stellte Justizsenator Thomas Heilmann am Mittwoch vor.
Kriminelle Clans mit mehreren Tausend Mitgliedern haben in verschiedenen Ortsteilen Berlins ein „Klima der Angst“ geschaffen. „Es gibt in Berlin erhebliche Probleme“ heißt es in der wissenschaftlichen Studie „Paralleljustiz“, die am Mittwoch von Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) vorgestellt wurde. Der Autor, der Islamwissenschaftler Mathias Rohe von der Uni Erlangen-Nürnberg, nannte neben Neukölln auch Moabit, Wedding und Kreuzberg.
Dort würden überwiegend arabische Großfamilien „zu erheblichen Teilen Organisierte Kriminalität betreiben“, heißt es in der Studie. Die Clans nutzten ihre „geschlossenen Familienstrukturen und setzen ihre archaischen kulturellen Vorstellungen von ,Ehre‘ und Machtausübung rücksichtslos durch und verbreiten ein Klima der Angst unter Tatopfern, Zeugen, in den Communities und der Gesamtbevölkerung“, so Rohes Fazit.
Staatliche Behörden würden diese Milieus nur noch unzureichend kontrollieren, diese würden sich zudem immer mehr verfestigen. Die Studie entstand im Auftrag des Senats in diesem Jahr. Rohe und sein Team führten 93 ausführliche Interviews mit Personen aus arabischen Migranten-Gemeinden. Befragt wurden auch Vertreter muslimischer Organisationen, Nicht-Regierungs-Organisationen und Berliner Behörden. Heilmann lobte die Studie als „die bislang aufwendigste und gründlichste zu diesem Thema“.
Vor allem Clanchefs halten sich nicht an deutsches Recht
Heilmann sagte: „Mich hat überrascht, wie verfestigt das Problem ist.“ Es sei kein Problem mehr am Rande, habe aber auch „noch nicht die ganze Stadt im Griff“. Mit „Paralleljustiz“ ist die außerhalb von Gerichten erfolgende Streitbeilegung gemeint, „bei der deutsche Rechtsstandards missachtet, unterlaufen oder konterkariert werden“.
Akteure sind vor allem die Clanchefs, nicht aber religiöse Personen wie Imame. Es gebe bislang keine institutionalisierte Paralleljustiz, sagte Rohe, allerdings gebe es in salafistischen Kreisen die ersten Ansätze dazu.
„Es gibt Moscheen, die kümmern sich einen feuchten Kehricht um unser Recht“, sagte der Islamwissenschaftler. Bekannt war das Phänomen in der Öffentlichkeit vor allem unter dem Begriff „Friedensrichter“ – davon soll es allerdings in Berlin nur etwa zehn geben. Schlagzeilen machte die Ermordung des Friedensrichters Bassam Alian im Jahr 2004 in der Charlottenburger Richard-Wagner-Straße. Die Tat war der Höhepunkt einer langen blutigen Fehde zweier verfeindeter arabischer Clans.
Die Frau ist Hauptleidtragende
Paralleljustiz gebe es vor allem im Straf- und im Familienrecht, heißt es in der Studie. So würden Ehen nur nach islamischem Recht geschlossen. Bei Trennungen oder Problemen „ist dann immer die Frau die Hauptleidtragende“, sagte Rohe. Strafrechtlich sind vor allem Versuche relevant, Strafanzeigen zurückzunehmen, Opfer unter Druck zu setzen oder Prozesse durch Falschaussagen oder Auskunftsverweigerung zu beeinflussen.
Und was passiert nun? Die kriminellen Strukturen sollen aktiver bekämpft werden, sagte Heilmann. In moslemischen Gemeinden solle mehr über das deutsche Recht aufgeklärt werden. So gebe es bei vielen arabischstämmigen Berlinern die Befürchtung, dass Jugendämter schnell Kinder aus Familien holen, was schlicht nicht stimme. Am dringendsten sei allerdings, zu verhindern, dass sich aufgrund der vielen Flüchtlinge, die im Moment nach Berlin kommen, weitere parallele Strukturen bilden.
Die komplette Studie finden Sie hier.
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