Erich Kästner im Romanischen Café: Im Wartesaal der verkannten Talente
Das Romanische Café hat viele Wortkünstler gelockt, dieses Biotop zu beschreiben. Besonders gut ist das Erich Kästner gelungen.
Das Romanische Café hat viele Wortkünstler gelockt, dieses Biotop zu beschreiben. Besonders gut ist das Erich Kästner gelungen. „Das Rendezvous der Künstler“, so war sein Feuilleton betitelt, das er am 26. April 1928 in der „Neuen Leipziger Zeitung“ veröffentlichte.
Der gastronomische Aspekt war für Kästner völlig belanglos, ihm erschien das Café als „Wartesaal der Talente“. Es gebe dort Leute, die „seit zwanzig Jahren, Tag für Tag, aufs Talent warten“. Menschen offenbar, die sich für berufen halten, aber noch nicht auserwählt sind, es vielleicht nie sein werden, dennoch voller zur Schau getragener Selbstgewissheit: „Es ist ein infernalisches Gewirr von Charakterköpfen und solchen, die es sein wollen. Der erste Eindruck, den man hat: Haare, Mähnen, Locken, die bedeutend ins Gesicht fallen. Der zweite Eindruck: Wie oft wird hier die Leibwäsche gewechselt?“
Der Umgang miteinander: Je nach der Rolle, die man zu spielen wünscht, jovial oder beiläufig, „um das Gehirn nicht beim Dichten und Denken zu unterbrechen“. Man lese „Berge von Zeitungen“, warte, „dass das Glück hinter den Stuhl tritt und sagt: ,Mein Herr, Sie sind engagiert!’“ Immerhin gibt es zum Zeitvertreib das weibliche Geschlecht. „Es ist vorhanden, und zwar in staunenswert hübschen Exemplaren“, darunter sind auch „jene Damen, die, wie man weiß, von der Liebe leben“.
Es verkehrten im Café aber auch namhafte Künstler, „möglicherweise aus alter schlechter Gewohnheit“. Doch gebe es „pathologische Fälle“, die es für einen Genuss hielten, „die Schar der Verunglückten und Aussichtlosen zu betrachten, und sich selber, den Erfolgreichen, betrachten zu lassen“. ac
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