Flüchtlinge in Berlin-Tempelhof: Im Schutzbereich für Kinder geht die Post ab
Bunter Teppich, Lego, Stühlchen: Der Tempelhofer Flughafen hat jetzt einen Raum, der nur für Kinder gedacht ist. Hier können sich die 923 Kinder in Berlins größtem Flüchtlingsquartier austoben.
1923, als dieser Flughafen eröffnet wurde, verfasste die Engländerin Eglantyne Jebb eine Deklaration über Rechte des Kindes, die heute Bestandteil der UN-Kinderrechtskonvention ist: Das erwähnen Mitarbeiter der von Jebb gegründeten Organisation Save the Children nicht ohne Stolz am Rande des Pressegesprächs zum „Kinderfreundlichen Raum“, den sie im Hangar 4 von Tempelhof präsentieren, im größten Flüchtlingsquartier Berlins.
Kathrin Wieland, Geschäftsführerin von Save the Children Deutschland, nutzt dies „Pilotprojekt“, um auf fehlende Kinderschutzstandards hierzulande zu verweisen: Jedes Kind benötige Schutzräume, in denen es „wieder Kind sein“ dürfe. Das müsse auch für Flüchtlingskinder gelten, die „unbegleitet“ zwar unter das Jugendschutzgesetz fallen, aber mit Familie, was ihre Bedürfnisse angeht, von der Behörde „wie kleine Erwachsene“ taxiert werden.
Lego, Klötzchen, Plüschwal
Peter Takacs als Geschäftsführer der Ikea Stiftung wiederum freut sich, anhand dieses Spielzimmers, für dessen Inventar und Betreuungskosten sein Konzern sich stark macht, die Kinder-Kompetenz des Möbelhauses zu zeigen. 350 Quadratmeter hat das Paradies für 70 Besucher: Laminat, filzige Säulenpolsterung, bunte Teppiche, Lego, Klötzchen, Stühlchen, Sofas, Plüschwal, Rechenbrett.
In den vier belegten Hangars gibt es insgesamt vier Kinderräume, die anderen sind kleiner: für insgesamt 923 Kinder. Die finden hier Bereiche zum Toben, zum Ruhen, eine Babyzone und – nach Chaoserlebnissen – wieder Alltagsstruktur. Von 9 bis 17 Uhr: Morgenrunde, Aktiv-Einheit (Mathe, Sport, Motorik), Mittag, Spiel, Basteln, Pause, letzte Runde. Der Betreuerschlüssel liegt, inklusive Ehrenamteinsatz, bei 1:10; also über dem Lageso-Standard von 1:70.
Die Regeln für diesen Raum, handgeschrieben an der Wand, fordern Respekt für „Menschen und Gegenstände“. Verboten sind Schubsen, Schlagen, Treten, Spucken, Beißen, Brüllen und Mobben. „8) Wir sind hier um Spaß zu haben. 9) Wir sind pünktlich.“ Für die TV-Crews mit Kameras werden artige Kinder-O-Töne aus dem Arabischen übersetzt: „Ich bin gern hier, weil ich mich wohl fühle.“
Als die Kameras dann draußen sind, geht die Post ab: Die Bälle fliegen. Fangen! Dribbeln, werfen! Der Kreischpegel steigt. Die Memory-Gruppe brütet und läßt sich nicht stören. Das Mädchen mit der dicken Armbanduhr und dem schwarzem Kopftuch zeigt strahlend sein Namensschild. Es darf gehüpft werden! Hier ist die Welt in Ordnung.