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Neuer Dreh an der Spree: In den jetzt noch winterlich verschneiten Spreepark in Berlin-Plänterwald soll schon bald neues Leben einziehen.
© Kitty Kleist-Heinrich

Neue Ideen für den Spreepark in Berlin: Im Plänterwald soll sich bald wieder was drehen

In diesem Jahr soll der Spreepark Plänterwald mit neuem Konzept wiedereröffnet werden. Besuch an einem Ort im Winterschlaf.

Die riesige Kugel, in der ein Kirchlein und ein Brontosaurus bequem Platz fänden, liegt aufgeplatzt hinter dem grünen Metallzaun: an einem Schienenstrang, der sich durch Laubteppiche spreewärts zieht, aber vor dem Uferweg einen Bogen rechtsab ins Gelände schlägt. Wie ein vergessener Krake aus dem All parkt das unbekannte Forstobjekt am Rande des schütteren Plänterwaldes. Zwischen grauen Rohren, die das Gebilde mit einem Knochengerüst überziehen, spannen sich gelb-orangefarbene Hautfetzen, von Dreckwasserschlieren übertuscht. An den Falten ballen sich faulige Blätterklumpen. Wo Fetzen fehlen, fällt der Blick ins Innere des Ungetüms, auf Bodenplanen und hochgestapeltes Gerümpel.

Das Schild am Zaun warnt Kletterer vor „Gefahr für Leib und Leben“. Flaneure am Weg fixieren per Handykamera den Ufo-Moment. Bäume rundum rücken der bunten Kugel näher. Noch wenige Jahrzehnte, dann mag sich die Vegetation dieses Vorstadtareal wieder einverleibt haben. Das Ufokugelmonster stellt ein Zirkuszelt dar. Hinter dem Ding lehnt eine mickrige Baracke schief vor der Landschaft, als spiele auch sie Weltuntergangskulisse – auf diesem verwunschenen Terrain, das mal Spreepark geheißen hat. Und das nach dem Willen der landeseigenen Firma Berlin Grün GmbH, die das Areal seit Jahresbeginn verwaltet, schon bald mit neuen Ideen und neuem Leben gefüllt werden soll.

Neugier auf das Eierparkkonzept des Columbus

Ein mythischer Ort der Ausflugskultur ist die dicke Landzunge östlich des Treptower Parks schon lange vor der Einrichtung des Vergnügungsareals gewesen, das hier 1969 als „Kulturpark Plänterwald“ und einziger Freizeitpark der DDR zu deren 20. Geburtstag eröffnet hatte, 1991 als privater Spreepark im Besitz des Schaustellers Norbert Witte die Wende vollzog und 2002 Pleite machte. Dekaden vor der Einrichtung des Juxparadieses hatte es schon das legendäre Eierhäuschen gegeben: eine Schifferkneipe, die sich seit 1837 aus einem Holzhändlerschuppen zum Ausflugslokal entwickelte, nach zwei Bränden neu errichtet, von Fontane im „Stechlin“ verewigt wurde und seit 1892 als massives Fachwerkziegelschlößchen samt Saal und Veranda zur Einkehr lockt.

Das jetzige Eierhäuschen-Grundstück stößt, extra eingezäunt, fast ans Spreeparkgelände; die Erhaltung des denkmalgeschützten Objektes war von der Park-Entwicklung zunächst abgekoppelt worden, obwohl beide dem Pleitier Witte gehörten und eine separate Nutzung unsinnig scheint. Das Haus ist von Gerüsten umstellt, dazwischen prangt ein mit prächtigen Huhn-Ornamenten umringtes Kachel-Schild „Zum Eierhäuschen“. Die Fenster sind grau zugebrettert. Hier realisiere das Land, meldet das Bauschild, aus dem „Sondervermögen Infrastruktur der wachsenden Stadt“ (SIWA) die Sanierung des Eierhäuschens – ein Name, der vom Naturalienverkauf des Fährmanns anno dazumal oder von Eierprämien der Ruderwettkämpfer rühren soll. Planungsleistungen fürs Eierhäuschen sind bis 31. März 2016, die Bauleistungen danach dann bis 31. März 2017 ausgeschrieben, die Sanierung soll bis Mitte 2018 umgesetzt werden.

Seitdem die Servicegesellschaft Grün Berlin die Verantwortung für den Park von der Berliner Immobilienmanagement GmbH übernommen hat, steigt die öffentliche Neugier auf das Eierparkkonzept des Columbus, mit dem die Spaß-Oase zwischen sowjetischem Ehrenmal und Treptower Tennisclub fürs 21. Jahrhundert fit zu machen wäre.

Im angekohlten „Englischen Dorf“ verrotten Fachwerkhütten.

Noch in diesem Jahr soll es wieder Führungen durch den ehemaligen Vergnügungspark geben, verkündete kürzlich Christoph Schmidt, Geschäftsführer der Grün Berlin GmbH. Auch das 40-Meter-Riesenrad soll eines Tages wieder in Betrieb genommen werden. Zunächst wollen seine Mitarbeiter aber die Verkehrssicherheit wieder herstellen, damit sich Menschen ohne Gefahr durch den 30-Hektar-Park bewegen könnten. Spätestens ab Mai soll ein „Dialogverfahren“ beginnen, bei dem auch Bürger Ideen für das Gelände einbringen können, das unterschiedliche Assoziationen auslöst: Während sich viele gebürtige Ost-Berliner ihrer Kindheitsausflüge erinnern, denken viele Westler eher an den im Internet propagierten Abenteuerort. Wöchentlich greift der Wachschutz Australier oder Amerikaner auf, die sich durch den Reiseführer „Lonely Planet“ zum illegalen Eindringen verleiten lassen.

Bei unserem Ortsbesuch verdrängt allerdings winterliche Tristesse die Faszination. Im durch Brandstifter angekohlten „Englischen Dorf“ mit „Fish & Chips“-Stand verrotten Fachwerkhütten. Das Riesenrad steht schon seit 20 Jahren still. Um für die Kirmes-Ruine „ein hochwertiges und kulturaffines Nutzungs- und Betriebskonzept mit touristischer Strahlkraft zu entwickeln“, braucht das Unternehmen Grün Berlin nicht nur solche wohlklingenden, per Pressemitteilung annoncierten Zielbeschreibungen, sondern Professionalität und Geld.

Die GmbH hat mit dem vielgerühmten Park am Gleisdreieck gezeigt, dass sie so etwas kann. Mittel dafür will man aus dem SIWA-Topf schöpfen, der die Park-Sanierung finanziert, aber auch die Rettung des Eichbäumchens, das ebenfalls durch Grün Berlin betrieben werden soll. Für „weitere Entwicklungsbausteine“, zum Beispiel das Riesenrad-Comeback, setzt man auf „Mittel zur Förderung der regionalen touristischen Wirtschaftsstruktur“. Kunst, Kultur, Kreativszene sollten helfen „unter Beibehaltung des besonderen Charmes des Ortes neue Formate zu definieren“. Dabei gehört der am Rand des Geländes seit 2008 angesiedelte HSV Plänterwald Berlin e.V., einziger aktueller Nutzer auf weiter Flur, wohl eher zu den Alt-Formaten, die neuer Strahlkraft weichen müssten. Obwohl der Hundesportverein betont, seinen 78 Mitgliedern samt Vierbeinern gehe es um „Lust & Freude“.

Vom andern Spreeufer drüben dröhnt ein Zementwerk in das stille Reservat. Auf dem Tümpel wuchert Schilf. Riesenschwan-Gondeln tragen Puderzuckerhauben. Pappsaurier liegen demoliert am Boden, ihre Köpfe wurden geplündert. Nur das T-Rex-Haupt, mit ausgebrochenen Beißerchen, behauptet die Stellung. Birken, Pappeln, Trauerweiden machen sich breit. Die Achterbahn türmt sich mit ihrem kurvigen Gestänge zur antiken Kunstinstallation, ein Monstermaus bildet ihr Ausfahrttor. Bimmelbahngleise wurden für den Schrottmarkt rausgerissen. Gepflasterte Wege vermooren. Neun von vormals 36 Fahrgeschäften verteilen sich, fragmentiert, über diesen postzivilisatorischen Zauberwald. In den Versorgungsbranche haben Vandalen den Boden aufgebrochen, Leitungen wurden ausgeweidet. Hier finden romantische Apokalyptiker ihr schönstes Szenario für den finalen Meteoritentreffer und die Epoche danach. Die Zukunft kann kommen.

Thomas Lackmann

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