Archäologisches Besucherzentrum am Petriplatz in Mitte: Im Keller steht das Mittelalter
Das „Archäologische Besucherzentrum“ soll die Anfänge Berlins zeigen und die Wissenschaft populärer machen. Baubeginn ist erst 2018
Wie sieht das Herz Berlins aus? Eher wie hellbraunes Mauerwerk aus dem 14. Jahrhundert oder wie ein Monolith aus „sandfarbenen Ziegeln und Dämmbeton“? Nüchtern und kühl wirkt das Modell des „Archäologischen Besucherzentrums“ am Petriplatz in Mitte, das künftig einen Blick in das untergegangene „mittelalterliche Herz der Stadt“ ermöglichen soll, ins Zentrum des alten Cölln, von dem im Wesentlichen nur noch die Mauerreste einer Lateinschule übrig geblieben sind. Diese Reste werden künftig im Keller des geplanten Gebäudes zu sehen sein.
Knapp 20 Millionen Euro lässt sich Berlin seinen Wiederbelebungsversuch am Herzen der Stadt kosten. Das Geld wurde vor der Sommerpause vom Hauptausschuss freigegeben. Es sind vor allem Fördermittel zur Ankurbelung des Tourismus, der ja eigentlich von alleine läuft. Geisel sieht denn auch in erster Linie die Berliner als Profiteure. Ihnen könne mit dem archäologischen Zentrum „Identität vermittelt“ werden, Wissen um die lange Entstehungsgeschichte der Stadt, die eben nicht wie ein Ufo vom Himmel gefallen sei, wie es die Nachkriegs-Stadtplanung vielerorts Glauben machen will.
2018 soll mit dem Bau des Zentrums begonnen werden, Fertigstellung: 2021. Es gibt keine Eile bei diesem Projekt. Im fünfstöckigen Gebäude des Architekten Florian Nagler will sich die Berliner Archäologie präsentieren. Die Werkstätten und das Magazin sollen vom Museum für Vor- und Frühgeschichte in Charlottenburg hierher umziehen. Zwei Mitarbeiter werden Besucher durch die Werkstätten führen und die Forschungen der Wissenschaftler erklären. Ein Eintrittsgeld ist geplant, um die Betriebskosten zu finanzieren. Dennoch rechnen die Planer mit einem jährlichen Zuschuss des Senats in Höhe einer sechsstelligen Summe.
Hotel soll an das Cöllnische Rathaus erinnern
Die Lateinschule ist eigentlich ein Zufallsfund bei den Grabungen rund um die ebenfalls aus dem Stadtraum radierte Petrikirche gewesen. Die erhaltenen Grundmauern der ältesten Bildungsstätte Berlins lösten eine Diskussion aus, ob Berlin trotz der Kriegszerstörungen und dem Traditionsbruch beim Wiederaufbau Spuren seiner Geschichte aufbereiten und herzeigen sollte. Die Politik einigte sich auf das Konzept eines „archäologischen Pfades“, der vom Petriplatz zum alten Rathaus (vor dem Roten Rathaus) und weiter zum Schloss führt. Am Petriplatz entstehen bereits Neubauten, die das archäologische Projekt ergänzen. Das Hotel am Petriplatz soll in seiner Kubatur an das Cöllnische Rathaus erinnern, das hier bis 1900 stand. Die noch vorhandenen Grundmauern des Rathauses werden über einen Glasboden in der Hotellobby für Besucher sichtbar gemacht. Das „House of One“, das geplante interreligiöse Gebetshaus, wird über den Fundamenten der Petrikirche errichtet, auch hier ist ein archäologisches Fenster geplant. Wann mit dem Bau begonnen werden kann, ist noch unklar.
Kaufhaus Hertzog bietet noch eine historische Fassade
Das alte Cölln/Berlin wird bislang nur durch drei historische Häuser an der Kleinen Gertraudenstraße repräsentiert, die Krieg und Abriss überlebt haben. Dazu kommt das ehemalige Kaufhaus Hertzog in der Brüderstraße, dessen Fassadenschmuck derzeit restauriert wird. Dahinter entsteht bis Mitte 2017 ein modernes Wohn- und Geschäftshaus. Das Kaufhaus Hertzog war einst das größte Einkaufsparadies der Stadt, erstreckte sich über den gesamten Block zwischen Scharrenstraße und Neumannsgasse. Keller und Gewölbe an der Breiten Straße wurden bereits archäologisch untersucht, später soll der Blockrand zur Straße mit Neubauten geschlossen werden. Archäologische Fenster sind hier nicht geplant.
Forscher und Besucher sollen sich kennenlernen
Das Herz der mittelalterlichen Stadt wird allenfalls bruchstückhaft sichtbar werden können, dennoch spricht Landesarchäologe Matthias Wemhoff begeistert von Berlin als künftiger „archäologischer Metropole“. Ihm gefällt vor allem der erhoffte enge Kontakt zwischen Forschern und Besuchern am Petriplatz, bisher floriert seine Disziplin überwiegend in geschlossenen Fachkreisen.
Ob der geplante Pfad durch die Anfänge der Stadt auch mal ins historische Zentrum von Alt-Berlin führen wird, zu den ehemaligen Bürgerhäusern rund um die Marienkirche, ist derzeit noch nicht absehbar. Die erste Phase der Diskussion um die Historische Mitte hat eher den Befürwortern von Freiflächen den Rücken gestärkt. Sollte es keine Bebauung zwischen Kirche und Rotem Rathaus geben, könnten die Archäologen nicht graben. Aber auch damit hätte er kein Problem, sagt Wemhoff. Bleibt den Kollegen in der Zukunft eben noch etwas übrig.