zum Hauptinhalt
Radwege sind oft zugeparkt. In Kreuzberg schleppt die Polizei Autos jetzt konsequent ab - aber nur vorübergehend.
© Alexander Heinl/dpa

Berlin-Kreuzberg: Im Kampf gegen zugeparkte Radwege

Wenn Radstreifen zugeparkt sind, antwortet die Polizei oft mit Knöllchen – das bringt wenig. In Berlin-Kreuzberg wird seit Dezember abgeschleppt. Der Effekt ist groß.

Radfahrern ist es aufgefallen: An drei Kreuzberger Straßen sind die Radspuren nicht mehr dauerhaft zugeparkt. Dass in Großbeerenstraße, Dudenstraße und Katzbachstraße jetzt meist freie Fahrt ist, hat einen Grund. Die Polizei schleppt seit Ende Dezember intensiv ab. Seitdem wurden 128 Fahrzeuge umgesetzt, sagte Abschnittsleiter Dirk Gerasch dem Tagesspiegel. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2015 wurden in der gesamten Stadt Berlin genau 150 Autos von Radspuren abgeschleppt.

Erkämpft hat die Sonderaktion der Polizei ein einzelner Bürger: Andreas Schwiede, vielen als Falschparkeraktivist bekannt (auf Twitter als @poliauwei unterwegs). Gerasch spricht von einem „Abkommen“ mit Schwiede. Ausgewählt wurde die Ecke Duden-/Katzbachstraße und Großbeerenstraße, weil dort vermutlich meist Anwohner die Radstreifen als Parkplatz missbrauchen. Ziel der auf einige Monate befristeten Aktion sei es, einen nachhaltigen Effekt zu erzielen, sagt Polizeidirektor Gerasch. Sprich: Wer einmal die hohen Abschleppkosten zahlen musste, parkt beim nächsten Mal korrekt. Natürlich kontrolliere die Polizei nur, wenn sonst nichts Wichtiges vorliege, betont Gerasch.  

Aus Sicht von Andreas Schwiede ist die Aktion erfolgreich: „Es wird jetzt auffallend ordentlich geparkt.“ Etwas verhaltener sagt Gerasch, dass die Zahl der abgeschleppten Autos bislang nicht sinkt. „So lernfähig scheinen die Autofahrer nicht zu sein.“ Im halben Dezember waren es 23 Umsetzungen, im Januar 39, im Februar 31, im März 17 und im April bislang 18. „Wir haben die Hoffnung, es spricht sich herum“, sagt Gerasch.

Zugeparkte Radwege sind ein großer Aufreger

Viele Radspuren der Stadt werden als weitere Parkspur für Autos missbraucht, und die Polizei schreitet nur selten ein. Mehrfach haben ADFC und Volksentscheid Fahrrad dagegen protestiert. In der Schlüterstraße in Charlottenburg hat Fahrradaktivist Heinrich Strößenreuther Falschparker mit Sprühsahne gekennzeichnet. Seiner Erfahrung nach reicht es nicht aus, Radspuren nur mit weißer Farbe zu markieren.

Zugeparkte Radfahrstreifen waren der mit Abstand meistgenannte Aufreger, als die Verkehrsverwaltung vor zwei Jahren dazu aufrief, Gefahrenstellen für Radfahrer zu melden. Am häufigsten wurden Schlesische Straße in Kreuzberg, Franklinstraße (Tiergarten), Joachim-Friedrich-, Westfälische und Uhlandstraße (alle Wilmersdorf) genannt. Der Volksentscheid Fahrrad möchte deshalb erreichen, dass künftig „geschützte“ Radstreifen mit baulicher Trennung zur Fahrbahn entstehen.

15.700 Knöllchen verschickte die Bußgeldstelle im Jahr 2015 wegen illegalen Parkens auf Radspuren. Abgeschleppt wird nur in Ausnahmefällen. Zahlen für 2016 liegen noch nicht vor, die Zahl der umgesetzten Fahrzeuge dürfte aber – auch dank Andreas Schwiede – deutlich höher liegen. Ein Knöllchen mache die Radspur nicht frei, nur der Abschleppwagen, so Schwiede.

Oft hören Radler: "Da kommt man noch gut dran vorbei."

Polizeipräsident Klaus Kandt hatte im März bei der Vorstellung der Unfallbilanz für 2016 gesagt, dass es sehr wohl zulässig sei, bei Gefährdungen den Notruf 110 zu wählen. Und ein auf dem Zebrastreifen, einem Radfahrstreifen oder vor einer Ampel geparktes Auto ist eine Gefahr. Zwei Ausreden hörten Fahrradfahrer bislang immer, wenn sie Falschparker bei Polizei oder Ordnungsamt melden: „Da kommt man noch gut dran vorbei.“ Oder: „Wir haben Ermessensspielraum.“

Genau den gibt es laut Andreas Schwiede nicht. „Ein Knöllchen beseitigt nicht die Gefahr“, betont der Aktivist. Die Polizei selbst bezeichnet Parken auf einer Radspur als sogenannten „Regelfall“ für eine Umsetzung.  Die Begründung hatte das Präsidium im Jahr 2016 anlässlich einer stadtweiten Aktion genannt: Radfahrern drohen durch Falschparker „gefährliche Folgen, weil sie regelmäßig zu Ausweichmanövern in den schnellen Fließverkehr gezwungen werden“.

Bereits 1998 stellte das Verwaltungsgericht fest, das Abschleppen eines Falschparkers sei schon dann verhältnismäßig, wenn der Wagen nur 40 Zentimeter in einen 1,75 Meter breiten Radweg hineinrage. „Es genüge, dass Radfahrer behindert werden könnten“, so die Richter damals. Das Polizeipräsidium betont aber: „Für den Bürger gibt es keinen Rechtsanspruch auf eine polizeilich anzuordnende Umsetzung.“ Auch wenn dadurch Gefahren entstehen.

Zur Startseite