Wohnungen für Berlin: IHK fordert: Bebaut das Tempelhofer Feld!
Die Industrie- und Handelskammer will den Wohnungsbau in Berlin voranbringen. Sie will höher bauen, Lücken schließen und Bautrupps aufs Tempelhofer Feld schicken.
Höher bauen, die Höfe, Lücken und Freiflächen schließen, dichter ran mit den Neubauten an die alten Häuser, runter mit der Grunderwerbsteuer – und rauf mit den Baukolonnen auf das Tempelhofer Feld! Das sind die Forderungen einer Arbeitsgruppe unter Leitung der Industrie- und Handelskammer Berlin (IHK) zur Bewältigung der Wohnungsnot in Berlin.
Bausenator hatte im Januar mehr Dichte gefordert
Der Vorstoß kommt zur rechten Zeit, hatte Bausenator Andreas Geisel (SPD) doch bereits Anfang des Jahres beim Richtfest für einen Neubau der landeseigenen Degewo am Mauerpark gefordert, „dichter und höher“ zu bauen. Fordern lässt sich so etwas leicht, praktisch stehen dem Regeln und Bestimmungen aus der Bauordnung im Wege, darunter zum Beispiel die Berliner Traufhöhe. Diese begrenzt die Höhe von Häusern, damit im Brandfall die Leitern der Feuerwehrfahrzeuge bis zum obersten Geschoss reichen, um Bewohner zu evakuieren.
Auch Justizsenator kritisiert Brandschutz
Ob das noch zeitgemäß ist, daran hatte auch Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) am Vortag auf dem Berliner Immobilienkongress Zweifel gehegt. Will die Politik daran aber etwas ändern, muss sie die Bauordnung entrümpeln, die bei mehr als fünf Geschossen einen Neubau schon zum „Hochhaus“ erklärt und die Einrichtung eines zweiten Treppenhauses als Fluchtweg sowie einen Aufzug vorschreibt. Beides kostet viel Geld, was wiederum unvereinbar ist mit der ebenfalls politischen Forderung, günstige Wohnungen zu errichten.
Novelle der Bauordnung macht Wohnungen teurer
Zwar bastelt die Bauverwaltung tatsächlich an einer Novelle der Berliner Bauordnung, aber an den Plänen findet die Wirtschaft so manches zu kritteln: So soll künftig ein Drittel der Wohnungen barrierefrei nach DIN–Norm sein, aber das zwingt zur Planung größerer Bäder und Flure, wo ein Rollstuhl auch mal wenden kann, was wiederum die Baukosten erhöht – und was die Entwickler notgedrungen auf die Miete oder den Kaufpreis der Wohnung aufschlagen.
Halbiert die Grunderwerbsteuer!
„Die Gebührenordnung des Landes und die Grunderwerbsteuer kann Geisel sofort ändern“, antwortet Christoph Meyer auf die Frage, was das Land sonst tun könnte, damit endlich günstige Wohnungen und nicht nur Eigentumsobjekte entstehen. Der Vorsitzende des IHK-Ausschusses für Stadtentwicklung brachte eine Halbierung der Grunderwerbsteuer von sechs auf drei Prozent ins Spiel; mehr verlange München schließlich auch nicht. Grunderwerbsteuer, Maklergebühren sowie der Mangel an eigenem Startkapital sehen Forscher vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln als größte Hürden für den Erwerb von Wohneigentum durch Durchschnittsverdiener wie Polizisten oder Krankenpfleger. Dabei sei Immobilienbesitz gerade für diese Menschen das wirksamste Mittel zur Vorbeugung von Altersarmut.
Bebaut das Tempelhofer Feld!
Dass die IHK-Experten auch keine Hemmung haben, den Volksentscheid zwei Jahre nach der Entscheidung gegen jegliche Neubauten auf der liebsten Spielwiese der Berliner infrage zu stellen, liegt an den Veränderungen in der Stadt seit dem Votum. Der verstärkte Zuzug sowie die vielen Geflüchtete lassen Berlin um mehr als 40000 Menschen jährlich wachsen – und das zwinge dazu, rasch mehr Wohnraum zu schaffen. In Meyers Worten gesprochen, es gelte, „heilige Kühe zu schlachten“ und die „heißen Eisen anzupacken“, denn die Stadt brauche einen „New Deal“ zur Bewältigung des Wachstums.
300000 neue Jobs in zehn Jahren
In Zahlen drückte das die stellvertretende IHK-Chefin Melanie Baer so aus: 300000 neue Jobs in zehn Jahren, ein Plus von 23 Prozent im Bruttoinlandprodukt, Berlins Wirtschaft wachse schneller als Deutschland im Durchschnitt. Um das Tempo aber durchzuhalten, brauche es 20000 neue Wohnungen jährlich, doppelt so viel wie zurzeit entstehen.
Quartier für alle, Bauland für wenige
Die Chefin des Bundeverbandes freier Wohnungsunternehmen in Berlin, Susanne Klabe, wiederum sparte nicht an Kritik an der Übertragung landeseigener Bauflächen durch den Senat an die eigenen Landesunternehmen: So schaffe das Land „keine gemischten“ Quartiere für alle Schichten der Bevölkerung. Allerdings verlor die Berliner BfW-Chefin dabei auch kein Wort darüber, dass bisher fast die Hälfte der neu entstehenden Wohnungen als Eigentum verkauft werden und das fast ausschließlich von privaten Bauherren. Diese sind bisher außerdem nicht Willens, dem Land Subventionen abzunehmen und sich dafür zum Bau günstiger Wohnungen zu verpflichten – das überlassen sie lieber den städtischen Unternehmen. So hat eben jeder seine Rolle gefunden.