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Strampeln gegen Hindernisse. Auch wenn der Fahrradverkehr stark zugenommen hat – viele Radler haben den Eindruck, dass sie von Teilen der Politik und der Verwaltung ignoriert werden.
© Doris Spiekermann-Klaas

Radverkehr in Berlin: Ideen für neue Fahrradstraßen gesucht

Bisher gibt es erst 17 Straßen, auf denen Fahrräder Vorfahrt haben. Die Grünen suchen nun Ideen für ein zusammenhängendes System. Allerdings ist der Senat gegen ein berlinweites Netz. Wie könnte es weitergehen?

Fast 10 000 Straßen gibt es in Berlin, ganze 17 davon sind Radlern vorbehalten, nämlich die sogenannten Fahrradstraßen. Ein Netz ergeben sie nicht, im Gegenteil, sie sind über die Stadt verstreut. „Die meisten Bezirke planen, ohne die Gesamtstadt im Blick zu haben“, kritisieren die Grünen. Deshalb will die Partei jetzt ein zusammenhängendes Netz entwickeln, wie der Verkehrsexperte im Abgeordnetenhaus, Stefan Gelbhaar, am Sonnabend sagte. Derzeit werden auf fahrradnetz-berlin.de Ideen gesammelt, Ende kommender Woche soll mit der Auswertung begonnen werden.

Der Senat ist allerdings gegen die grüne Idee. „Ein geschlossenes Fahrradstraßen-Netz lässt sich nicht realisieren“, teilte Verkehrsstaatssekretär Christian Gaebler dem grünen Abgeordneten kürzlich schriftlich mit. „Da bin ich deutlich optimistischer“, entgegnet Gelbhaar. Eine erste durchgehende Radroute hat der Grüne mit Fachleuten bereits skizziert. Sie verbindet die einzige Fahrradstraße Kreuzbergs, die Bergmannstraße, mit dem Weigandufer an der Grenze von Neukölln und Treptow. Es wäre eine attraktive Ost-West-Verbindung abseits von der stark befahrenen Hasenheide und der Urbanstraße.

Rechtlich haben Radler in Fahrradstraßen Vorrang, sie dürfen nebeneinander fahren und bestimmen das Tempo. Für Autos gilt ein Limit von 30 km/h. „Man fährt viel entspannter“, sagt Gelbhaar. Nach Angaben des Senats dienen Fahrradstraßen der Sicherheit; erst am Donnerstag hatte die Polizei die Unfallbilanz für 2013 veröffentlicht. Danach ist die Zahl der schwerverletzten Radler im Zehn-Jahres-Vergleich gestiegen.

Der Senat hat vor vielen Jahren begonnen, Radial- und Tangentialrouten auszuschildern, dies allerdings überwiegend auf normalen Autostraßen. Ein berlinweites Netz aus Fahrradstraßen werde es sicher nicht geben, sagt Gelbhaar, innerhalb des S-Bahn-Ringes schon. Viele Vorschläge gingen bereits auf der Internetseite ein. Bislang hat nur der Bezirk Mitte es geschafft, einige Straßen für Radfahrer zu verknüpfen. Der Rest sind Einzelstücke, teilweise mit Mängeln.

Beispiel Prinzregentenstraße in Wilmersdorf: 2010 hatte das Bezirksamt diese 1,5 Kilometer lange Nord-Süd-Verbindung zwischen Prager Platz und Wexstraße für 50 000 Euro ausgeschildert. Die Zusatzschilder „Anlieger frei“ verstehen allerdings auch viele Autofahrer als Einladung. Einem Radfahrer, der sich über den starken Autoverkehr beklagte, teilte das Ordnungsamt 2011 schriftlich mit: „Hier ist bekannt, dass die Prinzregentenstraße als Durchfahrtsstraße genutzt wird.“ Weiter heißt es in dem Schreiben, dass „für den Fließverkehr“ die Polizei zuständig sei. Diese schrieb dem Radler: „Die Verkehrssituation in der Prinzregentenstraße hat sich nach der Umwidmung nicht verändert. Auch wird sie von den Autofahrern nicht akzeptiert.“ Seitdem sind drei Jahre vergangen. Die Straße dient weiter als Schleichweg parallel zur Bundesallee, weil der Bezirk eine Sperrung für Autos in Höhe des Volksparks ablehnt.

Auch die Einfahrten wurden nicht verengt, die Schilder „Fahrradstraße“ stehen erst weit hinter der Kreuzung. Autofahrer sehen sie erst, wenn sie schon eingebogen sind – und fahren natürlich weiter, auch ohne Anlieger, also Bewohner, der Straße zu sein. Die kleinen gepflasterten Gehwegvorstreckungen haben keinen Sinn, weil sie hinter geparkten Autos versteckt sind. Denn der Bezirk wollte für die Fahrradstraße keine Autostellplätze opfern, wie damals der für Verkehr in der Stadtentwicklungsverwaltung zuständige Experte Friedemann Kunst dem Tagesspiegel gesagt hatte.  „Eine Fahrradstraße muss sich möglichst selbst erklären.“ Ein erheblicher Anliegerverkehr sei allerdings angesichts der Siedlungsdichte in Berlin nicht zu vermeiden. Trotz des starken Auto-Schleichverkehrs sind die Radler aber in der Mehrheit. Dies ergab eine Verkehrszählung des Senats, nachdem ein Anwohner gegen die Umwidmung der Prinzregentenstraße geklagt hatte.

Ein zweites Beispiel: Die Fehlkonstruktion am Nelly-Sachs-Park, wo ein vier Meter breiter Radweg in den Auto-Gegenverkehr am Bülowbogen führt, wird im August sieben Jahre alt. Der Bezirk Tempelhof-Schöneberg gilt bei den Fahrradplanern des Senats seit langem als Bremser. Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) fürchtet Ähnliches in ganz Berlin: Seit Jahresbeginn gebe es eine Haushaltssperre, klagt der Verband, berlinweit kann deshalb mit vorbereiteten Projekten nicht begonnen werden. Die ADFC-Vorsitzende Eva-Maria Scheel kritisiert, dass SPD und CDU im Parlament „die Radverkehrsförderung des Senats mit einer ausgeklügelten  Verzögerungstaktik hintertreiben“. Scheel: „Wenn das Geld jetzt nicht freigegeben wird, kann im Sommer nicht gebaut werden.“

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