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Kampf um die Menschenwürde: Das Flüchtlingscamp am Oranienplatz
© Kai-Uwe-Heinrich

Die Flüchtlinge vom Oranienplatz: „Ich will mein Zimmer selbst bezahlen“

Im Zeltlager auf dem Oranienplatz ist es kalt. Die Flüchtlinge bekommen bald immerhin beheizte Zimmer. Doch sie wollen lieber eine Zukunft.

Es ist kalt und ungemütlich, auf dem Oranienplatz sind die Polstersessel vom Regen durchweicht, und Dutzende Flüchtlinge müssen hier wieder einen Tag totschlagen. Sie kauern auf den Bänken, einige fahren mit Fahrrädern herum. Von der Nachricht, dass sie bald in ein Haus umziehen könnten, hat hier noch keiner etwas gehört. Bald ist Winter, da müsste ein beheiztes Gebäude doch willkommen, ja regelrecht verlockend sein? Nicht für alle. Der 28-jährige Ahmed S. zum Beispiel ruft: „Ich brauche keine Unterkunft vom Staat – ich brauche eine Arbeitserlaubnis, dann kann ich mir die Unterkunft selbst suchen und sie selbst bezahlen!“

Er sei Elektriker, habe auf Baustellen in Libyen gearbeitet. Er wollte gar nicht nach Europa. Nach Ausbruch des Bürgerkriegs in Libyen seien viele Schwarzafrikaner weggeschickt worden. Sie seien in Boote gesetzt worden und so übers Mittelmeer nach Italien gekommen, auch Ahmed S.. Er ist als Asylbewerber anerkannt: „Asilo politico“ steht auf seinem Ausweis. Im Camp ist er seit vier Monaten. Eigentlich verlangt S. nicht viel: Bewegungsfreiheit und Arbeitsrecht. Und doch ist das zuviel, denn das Recht sieht das nicht vor.

Der 31-jährige Ehimen, auch aus Nigeria, lebt schon ein ganzes Jahr in dem Zeltlager. Eine menschenwürdige Unterkunft sieht anders aus. Er würde sich über ein geheiztes Zimmer freuen, sagt er. Aber auch er will vor allem eins: arbeiten.

Da schlendert ein deutscher Rentner über den Platz, schlank und drahtig, schick angezogen, und schaut sich um. „Wenn ich das hier sehe, läuft es mir kalt den Rücken herunter“, sagt er. „Jedes Stück Vieh wird besser behandelt als diese Menschen hier“, sagt er. Er würde Frau Merkel gerne einmal daran erinnern, dass sie gesagt habe, sie wolle nach christlichen Grundsätzen handeln. Er will den Flüchtlingen anbieten, bei ihm zu duschen, und kochen will er ihnen auch was. Seine Eltern seien Vertriebene gewesen, das Gefühl der Entwurzelung kenne er aus der Kindheit nur zu gut.

Die Anwohner dürfte es freuen, wenn das Camp verschwindet. Nachts sei es oft laut, es zögen Essensgerüche über den Platz, das locke die Ratten an, sagt eine Frau. Kommen auch Politiker? Die Frau schüttelt den Kopf. „Selten.Kurz vor der Wahl waren mal welche da.“

Über die Flüchtlinge und fehlende Unterkünfte soll nächste Woche im Senat gesprochen werden. Aus den Bezirken heißt es offen, aus der Sozialverwaltung nur unter der Hand, dass man mehr Unterstützung der gesamten Landesregierung brauche. So geben die Bezirke ihre leeren Gebäude seit Jahren an den landeseigenen Liegenschaftsfonds ab – und der untersteht Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD). Die Kreuzberger Bürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) hatte auch den „sozialdemokratischen Teil des Senats“ zur Hilfe aufgefordert. Ein Sprecher Nußbaums sagte am Sonnabend: „Wir werden prüfen, wie wir helfen können. Nicht jede Immobilie ist als Wohnraum für Flüchtlinge geeignet.“

Am Brandenburger Tor haben Hunger und Kälte die Demonstrierenden geschwächt. Drei der 28 Flüchtlinge, die sich dort seit Mittwoch im Hungerstreik befinden, kamen am Freitag in die Charité, konnten aber nach einigen Stunden wieder entlassen werden. Am Samstagmorgen wurde ein weiterer eingeliefert. Er war bis zum Nachmittag noch nicht zurück.

Fatina Keilani, Hannes Heine

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