Interview mit Dietmar Woidke: „Ich werde im Supermarkt erkannt“
Brandenburgs designierter Regierungschef Dietmar Woidke über Begegnungen mit Bürgern, Vorgänger – und den BER.
Herr Woidke, bei Ihren ersten Auftritten nach der Rückzugs-Ankündigung von Matthias Platzeck wirkten Sie so, als seien Sie derjenige, den der Schlag getroffen hat. Haben Sie den Schock verdaut?
Die erste Woche danach war für mich schon richtig schwierig. Mich hat mitgenommen, dass Matthias Platzeck aufhört. Schließlich haben wir fast zwei Jahrzehnte zusammengearbeitet. Danach bin ich mental wieder auf die Füße gekommen. Inzwischen ist es so, dass ich Tag für Tag ein bisschen mehr Vorfreude auf die neue Aufgabe empfinde.
Gehen die Leute eigentlich schon anders mit Ihnen um?
Das merkt man schon. Ich habe in Babelsberg ja eine kleine Wohnung, gegenüber ist ein Supermarkt, wo ich hin und wieder einkaufe. Dort passiert jetzt häufiger, was früher selten geschah: Ein Ehepaar guckt hinter dem Regal vor – erst er, dann sie – mit diesem Blick: Is’ er das, oder is’ er das nicht? Das fällt mir schon häufiger auf, wenn ich jetzt unterwegs bin. Überall erkannt zu werden, auch daran muss ich mich noch ein wenig gewöhnen.
Sie waren drei Jahre Innenminister, haben die Krise um die Polizeireform, um Stasi-Fälle in der Polizei bewältigt. Was nehmen Sie als Lehre mit?
Es reicht nicht abzuwarten, dass sich Probleme von selbst lösen. Man ist gut beraten, sich sachkundig zu machen, auch schwierige Entscheidungen dann zu fällen, wenn sie anstehen und sie anschließend gut zu kommunizieren, den Leuten zu erklären. Was ich in dieser Zeit gelernt habe, ist Zuhören. Wenn man das aber ernsthaft tut, dann muss das Gehörte in den weiteren Betrachtungen auch eine Rolle spielen, muss man Entscheidungen, wenn es sinnvoll ist, eben auch korrigieren.
Wie ist Ihre Rangfolge der künftigen Baustellen?
Da steht natürlich der Flughafen, seine Fertigstellung, aber auch der Auftrag des Landtages, für mehr Nachtruhe zu streiten. Dem muss und will ich als Ministerpräsident gerecht werden. Und dann geht es grundsätzlich darum, und das ist nicht innerhalb von Wochen oder Monaten zu lösen, wie das Leben in Brandenburg weiter zu organisieren ist, angesichts der demografischen Verschiebungen, der Bevölkerungszunahme um Berlin, der Abnahme in den ferneren Regionen. Trotzdem muss Schule, Kita, Gesundheitsversorgung, öffentliche Verwaltung, Polizei funktionieren. Das erwarten die Leute. Das wird die Daueraufgabe für die Landespolitik der kommenden Jahre.
Sie gehen bewusst nicht in den Aufsichtsrat. Was erwarten, was wünschen Sie sich beim ewigen Flughafen-Projekt?
Mein größter Wunsch ist, dass der neue Flughafen möglichst schnell an den Start geht. Es ist das wichtigste Infrastrukturprojekt für Berlin und Brandenburg. In der Region im Süden des Landes, in der ich groß geworden bin, wird dringend darauf gewartet. Das soll nicht bis zum Sankt Nimmerleinstag so bleiben. Und da noch nie ein Projekt schneller fertig geworden ist, wenn man viel darüber redet, würde ich mir wünschen, dass weniger über die Eröffnung des Flughafens geredet, sondern daran zielgerichtet gearbeitet wird. Manche Debatte ist mittlerweile doch etwas ermüdend.
Haben Sie Bammel, an Matthias Platzeck und Manfred Stolpe gemessen zu werden?
Nein, es ist automatisch so, dass man an beiden gemessen wird. Es sind zwei Ministerpräsidenten, die beide sehr, sehr tiefe Spuren hinterlassen haben, nicht nur in Brandenburg, auch bundesweit. Brandenburg war immer die starke Stimme für den Osten, nicht nur in der SPD, sondern insgesamt. Ich kann keinen kopieren, selbst wenn ich es wollte. Ich bin bisher immer meinen eigenen Weg gegangen und werde auch als Ministerpräsident meine eigene Furche ziehen.
Sie werden auch Vorsitzender der Landes-SPD. Werden Sie im Herbst auch für den SPD-Bundesvorstand kandidieren?
Ja, ich werde antreten. Und zwar mit diesem Anspruch, im Bundesvorstand der SPD eine starke Stimme für das Land Brandenburg zu sein, um damit auch Probleme, die hier und im ganzen Osten bestehen, zur Sache der Bundespolitik der SPD zu machen.
Sind Sie hart genug für den künftigen Job?
Ich glaube ja. Ich habe die nötige Erfahrung, ich habe auch Härte zeigen müssen bei den Aufgaben bisher. Nehmen Sie nur die letzten drei Jahre im Innenministerium. Aber was jetzt wirklich auf mich zukommt, werde ich ja erst erfahren, wenn ich Ministerpräsident bin. Noch gucke ich ja manchmal in die Staatskanzlei wie einer in ein Goldfisch-Aquarium. Aber ich weiß aus Erfahrung, ich treffe dort auf ein hoch professionelles, motiviertes, qualifiziertes Team, das wird gut laufen, auch in der Regierungskoalition. Und ich bin Teamspieler.
Das Interview führte Thorsten Metzner