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Parkour: Ich spring dann mal weg

Die Anhänger der Trendsportart Parkour überwinden fast jede Hürde. Und kommen notfalls auch mal über den Balkon nach Hause. Jetzt haben sie sogar einen eigenen Spielplatz

Konzentriert fixiert er sein Ziel, holt noch einmal tief Luft und sprintet los. Direkt auf die Mauer zu. „Oh weh“, murmelt die Mutter am Rand, „das geht nicht gut. Das kann nicht gut gehen. Was zur Hölle macht er da?“, fragt sie aufgeregt.

Es ist zwar nicht ihr Sohn, der da Anlauf nimmt – noch nicht. Ihr Kleiner ist gekommen, um es dem Großen eines Tages gleich zu tun. Der steht mittlerweile auf der anderen Seite der Mauer, außer Atem doch völlig unverletzt. Der muskulöse junge Mann ist einfach drübergesprungen, ziemlich elegant noch dazu. Und das, ohne an Tempo zu verlieren. Seinen Namen mag er nicht nennen, doch gehört er zu ParkourONE, einer Gruppe, die professionell Parkour betreibt. Das ist eine Sportart, die jedem, der sie betreibt, massive Muskeln zu verleihen scheint. Obwohl, genau genommen ist es gar kein Sport. Per Definition ist Parkour die „Kunst der effizienten Fortbewegung“. Das heißt, schnell und elegant von A nach B zu kommen, ohne sich von Hindernissen aufhalten zu lassen. Die überquert man am besten mit einem Salto, einer eleganten Schraube oder einem hohen Sprung. Schnell und elegant eben.

Dabei wird Effizienz tatsächlich groß geschrieben, das beweist schon das eingedeutscht klingende Wort „Parkour“. Aus dem Französischen kommt es, also von „parcours“. Da das „s“ aber nicht zu hören ist, wurde es als überflüssig deklariert und ins Jenseits verbannt. Ähnlich erging es dem „c“ inmitten des Wortes, „das hat einfach zu weich geklungen“, sagt Ben Scheffler, Mitbegründer von ParkourONE in Berlin. So wurde das „c“ einfach durch das „harte k“ ersetzt. Die europäische Community war sich einig, deshalb ist auch in Frankreich und der Schweiz durchweg von „Parkour“ die Rede. Das soll schon was heißen, schließlich fing beim westlichen Nachbarn alles an.

Ein französischer Vietnamsoldat entwickelte diese Technik der effizienten Fortbewegung auf Fluchtversuchen während seiner Einsätze, sein Sohn David Belle hat in den 70er Jahren das Ganze perfektioniert und ihm seinen deutschen Namen verpasst. Und doch hat „Parkour“ nie seinen ursprünglichen Sinn verloren. „Denn auch wenn es im Alltag praktisch ist, bleibt es für uns ein Training, sich auf Situationen vorzubereiten, aus denen man schnell weg muss oder jemandem geschwind zu Hilfe eilen muss“, erklärt Scheffler. Aber auch, wenn er nur seinen Schlüssel vergisst, dient ihm „Parkour“ dazu, eben flink auf den Balkon zu klettern. Praktisch, keine Frage. Muskeln und Fitness sind da ein angenehmer Nebeneffekt. Denn es stimmt, von Hindernissen lässt sich hier in der Gabriele-Tergit-Promenade neben dem Potsdamer Platz keiner aufhalten. Parkour gehört zu den wenigen Dingen, die man ausschließlich im Freien macht – der Authentizität des Trainings willen. Es muss also irgendwo sein, wo Hindernisse im Weg stehen. Die festgeschraubten Wippen neben dem Sony Center sind praktisch, auch am Velodrom an der Landsberger Allee steht vieles im Weg. Die pinken Gasleitungen der Stadt bleiben ebenfalls nicht verschont, von ihnen kann man prima weite Sprünge machen.

Am besten üben lässt sich seit Neuestem auf einem besonderen Spielplatz in der Zwinglistraße in Moabit. Das Land Berlin hat die neue Bewegungslandschaft finanziert, um die Großstadtbürger fit zu halten. Jeder darf dort klettern, balancieren und hangeln, oder einfach zugucken.

In den 90er Jahren hat sich die Akrobaten-Kunst ihren Weg ins europäische Umland gesucht und ist in Deutschland angekommen. „Wirklich populär wurde es aber erst durch den James-Bond-Film ,Casino Royale‘, da dort in der Eröffnungsszene Parkour gezeigt wird“, erklärt Scheffler.

Der 26-Jährige hat mit 18 selbst angefangen zu trainieren, jetzt vermittelt er sein Wissen an andere. 60 Mitglieder zählt ParkourONE mittlerweile, das Unternehmen bietet Training für Kinder und Erwachsene. Das, was ursprünglich ein Training dafür war, um Feinde abzuhängen, ist mittlerweile ein Lebensgefühl geworden, das ganz ohne Wettbewerb auskommt. Der 14-jährige Jonas wächst damit auf. „Ich kann überall draufklettern oder mich verkriechen“, sagt er stolz und läuft davon, geradewegs auf die Mauer zu.

An jedem zweiten Sonntag im Monat findet das öffentliche Treffen in der Gabriele-Tergit-Promenade 15, Tiergarten, statt. Das nächste also am 14. Juli um 13 Uhr. Die Teilnahme ist kostenlos.

Nele Pasch

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