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Das Gericht stellte dem Angeklagten Konstantinos M., der den Missbrauch und die Vergewaltigung der achtjährigen Lara (Name geändert) gestanden hatte, eine Strafe zwischen sechs Jahren und vier Monaten und sieben Jahren in Aussicht.
© dapd

Prozess um Missbrauch auf der Schultoilette: „Ich schäme mich sehr“

Am ersten Prozesstag beteuerte Konstantinos M. seine Reue. "Ich schäme mich sehr", hieß es in der Erklärung, die seine Verteidigerin verlas. Aber wie ehrlich ist seine Reue? Die Nebenanklage glaubt ihm nicht und auch die Eltern haben nur einen Wunsch.

Die Beweise waren erdrückend. „Der war es“, hatte das achtjährige Opfer gesagt. Am gestrigen Dienstag legte Konstantinos M. im Prozess um Kindesmissbrauch und Vergewaltigung ein Geständnis ab. Er habe die Schülerin vom Schulhof in die Toilette gezerrt, mit einem Messer bedroht, zum Oralverkehr gezwungen, gebissen. „Als sie sich umdrehte, bekam ich einen Schrecken vor mir selbst“, verlas die Verteidigerin am Dienstag eine Erklärung für den 30-jährigen Angeklagten. „Ich schäme mich sehr.“ M. selbst blieb stiller Beobachter.

Es war zehn Uhr, als die Humboldthain-Grundschule in Gesundbrunnen am ersten Märztag dieses Jahres zum Tatort wurde. Konstantinos M., arbeitslos und ohne Beruf, schlich über den Schulhof. Bis 1995 war er selbst auf diese Schule gegangen. Angeblich suchte er am Tattag einen seiner früheren Lehrer. Er sei depressiv gewesen, habe in der Nacht Kokain konsumiert, Valium, und viel getrunken – „anderthalb Flaschen Wodka und Whisky“. Was er getan habe, verstehe er immer noch nicht. „Als wäre in mir etwas explodiert“, verlas die Anwältin seine Erklärung. Von „ehrlicher Reue“ war die Rede. Der Nebenklageanwalt sagte: „Die kann ich nicht erkennen.“

Lara (Name geändert) aus der 3. Klasse wollte zum Unterricht. Er packte sie am Arm, zog sie in eine Toilettenkabine, hielt ihr ein Messer an den Hals. Sie wehrte sich, konnte das Messer wegtreten. Da packte er sie am Hals, biss ihr ins Gesicht. Als sich andere näherten, in die Toilette gingen, hielt der Täter ihr den Mund zu. Es kam zu weiteren sexuellen Handlungen, bis es Lara gelang, in die nächste Kabine zu fliehen. Als Polizisten kamen, saß sie zitternd im Schulsekretariat und sagte immer wieder: „Ich musste machen, was er sagt, sonst hätte er mich getötet.“ Sie hatte Bisswunden, Kratzer, Hämatome im Gesicht und am Hals. Und Angst. Zuerst habe Lara nur geweint, sagt ihre aus Thailand stammende Mutter.

Auf die Spur des gebürtigen Griechen waren die Ermittler durch eine „Funkzellenabfrage“ und Auswertung der Handy-Daten gekommen: Mit richterlicher Genehmigung waren die Verbindungsdaten aller Mobiltelefone zur Tatzeit am Tatort angefordert und mit dem Polizeicomputer abgeglichen worden. Bei einer Parlamentsdebatte im Januar 2012 hatten Linkspartei, Grüne und Piraten die Funkzellenabfrage als „untauglich“ kritisiert. Innensenator Frank Henkel (CDU) hatte dieses Fahndungsmittel verteidigt. Auch die mutmaßlichen Täter im Fall der im Juni in Lübars ermordeten Pferdewirtin Christin R. waren durch Funkzellenabfrage gefasst worden.

Konstantinos M. war als ehemaliger Schüler am Humboldthain besonders überprüft worden, DNA-Spuren vom Tatort erhärteten den Verdacht. Er war der Polizei bis dahin wegen Körperverletzung, jedoch nicht als Sexualtäter bekannt. In ersten Vernehmungen sprach der bullige Mann von Unzufriedenheit und Wut, die er lieber zu Hause an Türen auslasse. Über die Verteidiger erhielt Laras Familie ein Entschuldigungsschreiben. 1800 Euro wurden zudem geboten. Lara, so die Mutter, lehnte ab: „Ich will kein Geld, der Mann soll im Gefängnis bleiben.“ Das Gericht stellte ihm bei einem Geständnis eine Strafe zwischen sechs Jahren und vier Monaten und sieben Jahren in Aussicht. Der Prozess geht Freitag weiter.

Der Fall hatte die Diskussion um Sicherheit an Schulen neu entfacht. Man würde nun besser kontrollieren, dass fremde Personen nicht aufs Gelände kommen, sagt die Sprecherin der Bildungsverwaltung Beate Stoffers. Da reiche es schon, wenn Kinder an der Eingangstür empfangen würden und andere Türen geschlossen blieben: „Wir haben aber auch alle Schließanlagen überprüfen lassen – und oft reichen auch kleine Maßnahmen.“

So gehen die Kinder in vielen Einrichtungen während des Unterrichts nur zu zweit zur Toilette. Noch wichtiger ist aber nach Ansicht von Rainer Bonne, der die Kiepert-Grundschule in Marienfelde leitet, die Sensibilisierung der Schüler: „Sie müssen wissen, wie sie sich bei Gefahr verhalten sollten, dann gibt es zwar auch keine hundertprozentige Sicherheit, aber wir müssen die Schulen nicht zu Hochsicherheitstrakts ausbauen.“

Kerstin Gehrke

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