Unterrichtsausfall: "Ich kann die Zahlen nicht ernst nehmen"
Der Unterrichtsausfall in Berlin liegt laut Statistik bei nur zwei Prozent Die Realität sieht anders aus: Tausende Stunden fallen einfach unter den Tisch. Landeselternsprecher fordert mehr Klarheit.
Wenn die alljährliche Statistik zum Unterrichtsausfall erscheint, kommen Berlins Eltern Mal für Mal aus dem Staunen nicht heraus: Während ihre Kinder tagelang zu Hause herumhängen oder früher von der Schule kommen, beziffert die Bildungsverwaltung den Ausfall auf nur 2,3 Prozent. Jetzt stellt sich heraus: Schulen und Verwaltung haben sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, was „nicht erteilter Unterricht“ ist.
Besonders eklatant gehen die Auffassungen darüber auseinander, wie der horrende Ausfall während der Abitur- und MSA-Prüfungen zu werten ist: Die Bildungsverwaltung geht nach eigenen Angaben davon aus, dass diese schulfreien Tage in der Statistik berücksichtigt sind, die Schulen sehen das anders.
„Es wäre unfair, das als Ausfall zu werten, denn Prüfungen sind doch schulische Veranstaltungen“, findet Paul Schuknecht von der Vereinigung der GEW-Schulleiter. Ähnlich reagieren die meisten seiner Kollegen. „Auch wir werten das nicht als Ausfall“, stellt der Leiter des Tegeler Humboldt-Gymnasiums, Bernd Kokavecz, klar. Es sei ja schließlich nicht sein Verschulden, wenn er so viele Prüflinge habe, dass parallel nicht auch noch Unterricht stattfinden könne.
Die Frage ist deshalb brisant, weil der Unterrichtsausfall auf der Internetseite der Schulen veröffentlicht werden muss. Zudem müssen die Schulen damit rechnen, dass die Schulaufsicht, aber auch Eltern nachfragen, wenn der Ausfall über dem Durchschnitt liegt.
Zu der Frage, was wie in der Statistik zu deklarieren ist, hat die Bildungsverwaltung mehrseitige „Ausfüllhinweise“ herausgegeben. Dort gibt es auch Erläuterungen für den Fall, dass Lehrer an Klausuren oder an „Prüfereinsätzen“ teilnehmen. Viele Schulleiter beziehen diese Passage aber nicht auf die zentralen Prüfungstage während des Abiturs und des Mittleren Schulabschlusses. „Mit dem Begriff Prüfereinsatz könnte auch die Teilnahme an Staatsexamensprüfungen gemeint sein“, findet der Leiter des Schadow-Gymnasiums, Harald Mier. Er fordert die Verwaltung auf, sich zu der Sache „klar zu äußern, damit alle wissen, woran sie sind“.
So sieht das auch Landeselternsprecher Günter Peiritsch. „Man braucht eine Neuregelung bei der Erfassung des Ausfalls. Was wir jetzt haben, ist weit entfernt von der Wahrheit.“ Er könne „die Zahlen nicht ernst nehmen“, findet Peiritsch ebenso wie Grünen-Politiker Özcan Mutlu, der Jahr für Jahr Kleine Anfragen zum Unterrichtsausfall stellt.
Dass mit den Statistiken einiges nicht stimmt, finden auch die Lehrer, die sich aktuell im Internet zum Thema „Personalversorgung“ äußern. Im Forum der Junglehrerinitiative „Bildet Berlin!“ finden sich etliche Beispiele für die Versuche von Schulleitern, ihre Statistik zu schönen, um sich keinen Ärger einzuhandeln. Besonders häufig findet sich der Hinweis darauf, dass Unterricht auch dann als „vertreten“ gilt, wenn den Schülern Aufgaben erteilt werden. Dieses Verfahren sei sehr beliebt, weil es die Schulleiter von der Verpflichtung entbinde, Vertretungslehrer zu organisieren.
Die Bildungsverwaltung erklärte dazu, dass nur in der Oberstufe auf diese Weise vorgegangen werden dürfe. Alle anderen Schüler seien zu beaufsichtigen. Andernfalls könne der Unterricht nicht als „vertreten“ gelten.
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