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Im Universum nebenan. Mark Reeder war regelmäßig im Osten und organisierte hier Konzerte der „Toten Hosen“.
© privat

Musik-Transfer nach Ost-Berlin: „Ich brachte Musik rüber“

Mark Reeder, ein Musikproduzent aus West-Berlin, erinnert sich an die 80er Jahre in der Hauptstadt, an neue Szenen in Ost-Berlin und parallele Welten.

Ich lebte seit zehn Jahren in West-Berlin, und dieser Winter 88/89 unterschied sich nicht besonders von den Wintern davor: Er war wunderbar. Dieses trübe Licht, die Luft, die nach Kohlenqualm roch, draußen war es furchtbar kalt, viel kälter als in England, drinnen heizte man mit Öfen. Ich habe das immer geliebt.

Das war aber nicht der einzige Grund, warum ich Berlin so mochte. Die Musikszene war frei und wahnsinnig kreativ. Es ging hier nicht so sehr um kommerziellen Erfolg wie in London. Und seit 1987 hatte sich mit Acid House und neuen Partys, auf denen elektronische Musik gespielt wurde, etwas Aufregendes entwickelt. Es gab in einem Kreuzberger Keller in der Köpenicker Straße den Ufo-Club. Da fanden die ersten Technopartys überhaupt statt – daher kam im Sommer ’89 die erste Love Parade. Ich betrieb mit ein paar anderen den „Pinguin-Club“ in der Schöneberger Wartburgstraße. Das war der Laden, in dem früher David Bowie oft rumhing und später auch die anderen Musiker. Da stand ich auch im Januar 1989 hinter der Bar – was für mich vor allem wegen der Kontakte großartig war. Man dachte sich andauernd neue Dinge aus, die man zusammen machen konnte.

DDR und BRD in Berlin: Zwei Welten, direkt nebeneinander

Und dann gab es noch den Osten. Wo sonst in der Welt war das so: Zwei Welten, direkt nebeneinander; als Westler konnte man hin und her. Das war wie „Star Trek“. Du konntest in ein völlig anderes Universum gelangen, das trotzdem irgendwie ähnlich war. Es gab kaum Autos, keine Werbung, aber großartige Leute. Umso komischer, dass die meisten West-Berliner sich dafür kaum interessierten. Entweder sie fuhren überhaupt nicht rüber oder nur, um ihre Verwandten zu besuchen. Ich war regelmäßig dort und hatte Freunde, die sich für dieselbe Musik interessierten wie ich. Nur dass sie sie nicht kaufen konnten. Deshalb brachte ich ihnen Platten mit. Auch Bands brachte ich rüber. Zwei Konzerte der „Toten Hosen“ habe ich in Ost-Berlin organisiert.

Seit 1987 ging es in Ost-Berlin freier zu

Die andere, freie Musikszene, die sich in den achtziger Jahren in Ost-Berlin entwickelte, hatte ja viel mit dem Ende der DDR zu tun. Natürlich ahnte davon keiner etwas, aber es gab Zeichen. Seit 1987 ging es freier zu. Man konnte E-Gitarren und Verstärker kaufen, Bands traten ohne offizielle Genehmigung auf, eine Band, „Die Vision“, durfte sogar ganz offiziell eigene englische Songs machen. Anfang 1989 fragten die mich, ob ich ihr erstes richtiges Album bei der staatlichen Plattenfirma Amiga produzieren würde. Wie sollte das denn gehen, ich als Engländer in der DDR? Sie sagten, sie könnten das regeln, und sie haben es geschafft. Seit Sommer nahmen wir tatsächlich diese Platte auf. Die letzte Aufnahme machten wir am 2. November – eine Woche, bevor die Mauer fiel.

Aufgezeichnet von David Ensikat.

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