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Berlin, hinterm Ku’damm. Nicht nur Schauspielerin Hanna Schygulla gehört zu den Fans des Hotels „Bogota“, sondern auch andere Prominente.
© Thilo Rückeis

Podiumsdiskussion im Tagesspiegel-Verlag: Hotel Bogota vor dem Aus: Jetzt will der Bezirksbürgermeister vermitteln

140 Gäste diskutierten beim Tagesspiegel über die City West und das berühmte bedrohte Hotel. Ungewöhnlich für eine solche Debatte: Sowohl der Hotelbetreiber als auch der Hauseigentümer, der die Räumung wegen Mietschulden plant, standen Rede und Antwort.

Trotz der wachsenden Proteste bleibt das traditionsreiche Hotel Bogota in Charlottenburg von der Räumung wegen Mietschulden bedroht – daran hat auch die Podiumsdiskussion im Tagesspiegel-Verlagshaus über das Baudenkmal in der Schlüterstraße und die Entwicklung der City West nicht viel ändern können. Immerhin sind nun aber Verhandlungen geplant: Vor rund 140 Gästen kündigte der Charlottenburg-Wilmersdorfer Bürgermeister Reinhard Naumann (SPD) am Mittwochabend an, Hotelchef Joachim Rissmann und Hauseigentümer Thomas Bscher nach den Sommerferien zu Gesprächen einzuladen.

Denkbar sei auch die Einbeziehung von Kulturstaatssekretär André Schmitz. Vermieter Bscher zeigte sich zu einem Treffen mit dem Bezirksbürgermeister bereit – ließ aber offen, ob er sich mit Rissmann an einen Tisch setzt. Für Friedrich Barner, Direktor der Schaubühne am Lehniner Platz und Kulturexperte der AG City, zeigte der Abend, dass „das Tischtuch zerschnitten ist“. Vielleicht könne man es aber „etwas kitten“. Tagesspiegel-Redakteurin Dorothee Nolte betonte als Moderatorin, es sei sehr ungewöhnlich, dass beide Beteiligten in einem Mietstreit öffentlich Rede und Antwort stehen.

Hotel Bogota: Einst das Atelier der berühmten Fotografin Yva

Es ging nicht allein um das 102 Jahre alte Gebäude, zu dessen historischer Bedeutung das einstige Atelier der berühmten Fotografin Yva gehört. Diskutiert wurde auch, ob der Ku’damm insgesamt gesichtslos werde – viele Cafés und Kinos sind ja schon verschwunden. Der Anwalt und Kunstförderer Peter Raue fand: „Modeketten sind kein ausreichender Ersatz.“ Aber es gebe erfreuliche Neueröffnungen wie das vom Borchardt-Wirt Roland Mary geführte Restaurant „Grosz“ im Haus Cumberland. Auch dort gehörte Thomas Bscher zu den Investoren.

Das Selbstbewusstsein der Ku’damm-Anlieger sei gewachsen, lobte Barner. Durch Neubau- und Sanierungsprojekte seien die Zeiten vorbei, in denen die Gegend im Vergleich zur aufstrebenden östlichen Innenstadt „leicht angegraut wirkte“. Manche Baudenkmale seien allerdings so „extrem saniert“ worden, dass sie Neubauten glichen.

Tagesspiegel-Kolumnist Harald Martenstein betonte, er habe nichts gegen Investoren, aber es seien „die Menschen in einer Stadt, die Urbanität schaffen“. Eine Tag und Nacht lebendige Gegend lasse sich „nicht am Reißbrett entwerfen“, wie das Beispiel der Friedrichstraße in Mitte zeige. In Berlin verschwänden die „Kleinteiligkeit“ und der „Raum für Milieus“.

Die City West sei „1001 Mal totgesagt“ worden , sagte Bürgermeister Naumann. Für ihn ist es normal, dass zwischen östlicher und westlicher Innenstadt „das Pendel mal hin- und mal herschwingt“.

Auf Abstand. Bogota-Vermieter Thomas Bscher (l.) stellte sich den Fragen des Publikums im Tagesspiegel-Verlagshaus – wie auch Hotelier Joachim Rissmann.
Auf Abstand. Bogota-Vermieter Thomas Bscher (l.) stellte sich den Fragen des Publikums im Tagesspiegel-Verlagshaus – wie auch Hotelier Joachim Rissmann.
© Kai-Uwe Heinrich

Auf steigende Gästezahlen wies Gerhard Buchholz von der Tourismusgesellschaft Visit Berlin hin: Aktuell zähle man zehn Prozent mehr Übernachtungen in Charlottenburg-Wilmersdorf als im Vorjahresmonat. Projekte wie das neue Luxushotel Waldorf-Astoria im Zoofenster-Turm am Breitscheidplatz belegten den „Glauben an die Zukunft“. Zu den Problemen des Bogota hätten neben gewachsener Konkurrenz in der Branche auch „große Schwächen beim Marketing“ geführt: „Man kann nicht nur von der Vergangenheit leben.“

Bscher nannte es „falsch, mir zu unterstellen, ich wolle das Bogota nicht“. Es hätte „bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag bleiben können“. Aber seit Januar zahle Rissmann keine Miete mehr.

Nun möchte die Galerie C/O mit dem Bogota kooperieren

Er wies Schuld von sich: Vermieter Thomas Bscher (2. von re.) mit Kolumnist Harald Martenstein (li.), Tourismusexperte Gerhard Buchholz und Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann.
Er wies Schuld von sich: Vermieter Thomas Bscher (2. von re.) mit Kolumnist Harald Martenstein (li.), Tourismusexperte Gerhard Buchholz und Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann.
© Kai-Uwe Heinrich

Der Altbau sei grundsätzlich ungeeignet für einen rentablen Hotelbetrieb, sagte Bscher, zu den Mängeln gehörten die in vielen Zimmern fehlenden Toiletten. Er plane Läden im Parterre und darüber Büros. Für Wohnungen sei die Ecke zu laut. Während Mietverhandlungen im Jahr 2005 hatte Bscher dagegen von einer „wohnwirtschaftlichen Nutzung“ als möglicher Alternative geschrieben. Damals „kannte ich mich in Berlin noch nicht so aus“ , sagte er nun. Mit einer Sanierung wolle er das ursprünglich als Wohnhaus errichtete Baudenkmal „auf seine historischen Strukturen zurückführen“.

Büros seien aber „nicht besonders kreativ an dieser Stelle“, erwiderte Buchholz. Barner nannte es „absurd, den Denkmalschutz gegen ein lebendes Denkmal zu wenden“; er wies auf die vielen Kulturveranstaltungen im Bogota hin, darunter Theaterstücke der Schaubühne. Harald Martenstein fragte: „Was nutzt ein Kulturdenkmal, das nicht öffentlich zugänglich ist?“

Bürgermeister Naumann betonte, der Bezirk wünsche sich die Erhaltung des Hotels, werde aber auch bei anderer Nutzung „auf die öffentliche Zugänglichkeit achten“.

Wenigstens die früheren Ateliers sollten für kulturelle Zwecke zur Verfügung stehen, forderten Gäste im Publikum – darunter Stephan Erfurt von der Galerie C/O, die gerade ihren Einzug ins Amerika-Haus am Bahnhof Zoo vorbereitet. Sein Ausstellungshaus für Fotografie wolle mit dem Bogota kooperieren und an Yva erinnern.

Zwölf Gäste verfassten nach der Debatte spontan einen Aufruf: Bscher solle dem Hotel die Chance geben, „in angemessener Zeit die Mietschulden zu begleichen“ und die Kündigung aufheben, falls das gelinge. Unter den Unterzeichnern sind der Stadtführer Carl-Peter Steinmann und Eventveranstalter Peter Glückstein. Außerdem können Unterstützer des Hotels einer Online-Petition beitreten (openpetition.de/petition/online/das-hotel-bogota-soll-leben).

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