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Der Autor Max Deibert (20) ist mit schwerem Rucksack und ausziehbarer Selfie-Stange nach China aufgebrochen.
© privat

Tinder in Asien: „Hoffentlich ist sie kein Ladyboy“

Auch in Asien wird Tinder rege genutzt. Unser Autor trifft Frauen aber lieber weiter analog. Wenn auch nicht immer erfolgreich.

In der Utopia Bar im hippen Stadtteil von Luang Prabang in Laos: Jeff, mit Schnäuzer, hält triumphierend ein Blättchen mit dem WiFi Passwort (Hamburger123) in die Höhe. „It's Tinder time“, johlt Todd, ein Durchtrainierter mit Brille. Tinder? Ich schiele auf Jeff's Smartphone. Das Foto einer molligen, tätowieren Brünetten mit hübschem Gesicht erscheint, er stöhnt verächtlich und lässt sie mit einer Wischbewegung nach links verschwinden.

Rechts meint heiß, links heißt raus

Todd erläutert: „Tinder ist eine Dating-App, mit der man Kontakt zu Mädchen in seiner Nähe aufnehmen kann, um sich mit ihnen zu treffen.“

„Um sie zu ficken“, fährt Jeff dazwischen. „Warum sollten Mädchen so eine App benutzen wollen?“, hake ich nach. Todd rückt seine Brille zurecht: „Bei anderen Dating-Websites kann jeder Idiot heiße Mädchen so oft anschreiben, wie er will. Das stresst. Bei Tinder kann man nur miteinander chatten, wenn sowohl der Junge, als auch das Mädchen das Foto des anderen nach rechts gewischt hat.“ Rechts ist heiß, links heißt raus.

„Ladyboy?“ - „Frau mit Schwanz“

Dieses gegenseitige mögen nennt man „Match“. „Und in Asien funktioniert das?“ Ich bin skeptisch, die meisten Mädchen, die ich in China und Laos kennengelernt habe, waren starke Verfechter der Kein-Kuss-vor-der-Ehe-Norm. Jeff grinst: „Habe noch nie so viele Matches gehabt, wie in Thailand, man muss nur aufpassen, dass es kein Ladyboy ist!“ „Ladyboy?“ „Frau mit Schwanz“. Ich verschlucke mich an meinem Bier.

Alle haben's, keiner redet drüber

Tinder ist offiziell keine reine Sex-App, man kann aber davor ausgehen, dass beide Parteien den Beischlaf nicht ausschließen. Hier spreche ich allerdings für meine Altersgruppe bis 30. Der Eindruck verhärtet sich, wenn man bedenkt, dass es primär auf das Foto des anderen bei der Auswahl ankommt. Es gibt auch ein winziges Textfenster unter dem Profilbild, um sich in Worten mitzuteilen, aber „dafür interessiert sich keine Sau“, murmelt Jeff.

Na, auch schon Tinder getestet? Vor dummen Sprüchen schützt es einen leider nicht, musste unser Autor feststellen.
Na, auch schon Tinder getestet? Vor dummen Sprüchen schützt es einen leider nicht, musste unser Autor feststellen.
© dpa

In Deutschland allein wurde Tinder zehn Millionen Mal heruntergeladen. Was mich überrascht. Denn ich kenne niemanden aus meinem Bekanntenkreis, der offen zugibt, diese App für wasauchimmer zu nutzen. Vielleicht liegt darin das letzte Aufbäumen des deutschen Biedermannes: alle haben’s, keiner redet drüber.

Ich traue lieber einem Lächeln, als einem Foto

Eine Blondine mit aufgemalten Augenbrauen schwebt an unserem Tisch vorbei. „Warum nicht einfach hier oder in einem Club Mädchen anbaggern?“, wende ich mich an Todd. „Bei Smalltalk kann man viel falsch machen, oder sie hat nen Freund, oder sie findet dich hässlich, oder sie ist lesbisch. Bei Tinder ist ein Match mit einer heißen Braut eine relativ sichere Sache, denn beide Parteien haben die gleichen… Ziele.“ Die Blonde hat sich an einen Tisch bei ihren umwerfenden Strandmodel-Freundinnen niedergelassen. Ich erkenne einen der Typen, von denen sie umringt werden, und geselle mich zu den anderen Verehrern. Vielleicht können die Damen mich nicht leiden, aber ich traue meinen ersten Eindrücken, wie einem Blick oder einem Lächeln mehr, als einem gefilterten Foto mit dem Text „It's going down, I'm yelling Tinder!“ darunter.

Vor dummen Sprüchen schützt Tinder mich leider nicht

Einige Tage später treffe ich auf einer Party zwei Tänzerinnen nach ihrem Auftritt. Die Mädchen besitzen diese Ausstrahlung, die guten Schauspielerinnen auf Schritt und Tritt folgt, tragen tief ausgeschnittenen rosa Oberteile, dazu Leggings. Ihre Wangen sind leicht gerötet, der Duft von Sportdeo liegt in der Luft. Ich bin nervös und versuche witzig zu sein. Wo kommt ihr her? Münster. „Die da drüben sind aus Düsseldorf“, bemerkt die linke Schönheit verächtlich. „Echt viele NRW'ler hier“, fügt ihre Freundin hinzu. „Na dann sind wir drei wohl die letzte Bastion gegen die NRW-Landeier!“ Ich zwinkere ihnen verschwörerisch zu. Sie starren verwirrt zurück. „Münster liegt auch in Nordrhein-Westfalen...“, sagt die Linke gedehnt. Ich schließe die Augen und beginne langsam meine eigene Zunge aufzuessen. Unwissenheit schmerzt. Die beiden Tänzerinnen machen sich aus dem Staub. Ob mir das bei einem Tinder-Date auch passiert wäre? Schließlich weiß ich da schon vorher, ob ich meinem Gegenüber gefalle und kann alles ein bisschen entspannter angehen lassen. Der Gedanke nagt die kommenden Tage an mir. Aber gegen Unwissenheit schützt Tinder mich auch nicht. Vielleicht sollte ich lieber regelmäßiger bei der Wikipedia vorbeischauen. Deren App habe ich mir gleich mal runtergeladen.

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Max Deibert

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