Ex-Justizsenator Michael Braun: Hochmut nach dem Fall
Michael Braun ist juristisch rehabilitiert. Für den Ex-Senator scheint die persönliche Kränkung zur politischen Antriebskraft geworden zu sein.
Seine Freunde und Fürsprecher benutzen ein großes Wort, um zu bewerten, was der CDU-Politiker Michael Braun seit der Bildung der rot-schwarzen Koalition erlebt hat: „Tragisch“ sei, was er in den vergangenen elf Monaten mitgemacht habe. Tragisch sei, dass ihn eine falsche Entscheidung die Karriere kosten könne. So reden Leute über Braun, die ihn als Polit-Junkie kennen und nun kommen sehen, dass er in absehbarer Zeit sein letztes Amt loswerden könnte, den Vorsitz des mit 2300 Mitgliedern stärksten Kreisverbands in der Berliner CDU, wo im März oder April kommenden Jahres neu gewählt werden soll. Damit rechnen viele in Steglitz-Zehlendorf – und manche finden das angebracht.
Sicher ist, dass Braun in den vergangenen Monaten die Sympathien seiner Parteifreunde arg strapaziert hat. Anders als etwa CDU-Landeschef Frank Henkel, den viele in der CDU einfach mögen, gehört Braun zu denen, die respektiert, geachtet und geschätzt werden, aber nur selten gemocht. Anders als Henkel mag Braun die harte Konfrontation in der politischen Arena, und anders als Henkel scheint Braun die Leute immer in einem gewissen Abstand halten zu wollen. Mit Henkel – und dem Wahlergebnis vom September 2011 – hatte er es bis nach oben in der Berliner Politik geschafft. Als im November vergangenen Jahres eine Handvoll CDU-Strategen, noch immer überrascht von Klaus Wowereits Einladung zum Mitregieren, die Personalien besprachen, konnte sich Braun die Ämter aussuchen.
Braun wählte das falsche. Viele in der CDU hatten in ihm schon den neuen Fraktionschef sehen, den besten Nachfolger für Henkel – und einen, der, was Macht und Einfluss anbelangt, durchaus das Kaliber von Klaus Landowsky hätte entwickeln können. Doch Braun wollte im Abgeordnetenhaus nicht bleiben, er wollte unbedingt Senator werden. Knapp zwei Wochen amtierte er als Senator für Justiz und Verbraucherschutz. Dann zwangen ihn Vorwürfe, er sei als Notar in den Verkauf von Schrottimmobilien verwickelt gewesen, zum Rücktritt. Nicht aus juristischen Gründen, sondern weil Braun alles Vertrauen als Verbraucherschützer vertan hatte.
Monate später stellte der mit der Prüfung der Vorwürfe befasste Präsident des Landgerichts fest, dass Braun, der bis heute als Notar arbeitet, keine rechtlichen Verfehlungen nachzuweisen seien. Das hatte heftige Wirkung. Während die CDU-Senatoren im Schatten der Flughafeneröffnungsproblematik das Regieren lernten, während Henkel zum stillen Gewinner in den Beliebtheitsumfragen wurde, trat der Ex-Senator mit Macht und Lautstärke einen Konflikt los: Er kündigte an, sich um ein Bundestagsmandat bewerben zu wollen – und zwar im Wahlkreis 080, Berlin-Steglitz-Zehlendorf. Den hatte 2009 Brauns guter alter politischer Freund Karl-Georg Wellmann geholt, und zwar direkt, mit 38,8 Prozent der Stimmen. Stärker war die CDU nur noch in Reinickendorf.
Und Braun wollte diese Stärke aufs Spiel setzen, indem er den erfolgreichen Kreisverband in einen Streit um den richtigen Kandidaten stürzte? Genauso kam der Anspruch des 56 Jahre alten Politikers an, nicht bloß bei Amtsinhaber Wellmann. Seitdem hadern in der CDU auch die mit Braun, die von seinen Talenten immer viel gehalten haben.
Tatsächlich hat Braun gerade in den Jahren der Opposition einiges bewegt.
Tatsächlich hat Braun gerade in den Jahren der Opposition einiges bewegt in der CDU. In Steglitz-Zehlendorf brachte er das erste schwarz-grüne Bezirksamtsbündnis zustande – er war dessen Architekt auf der CDU-Seite. Braun fuhr nach Marzahn und stritt dort mit dem wortmächtigen Wolfgang Brauer von der Linken über die Mühen der Einheit und die Kuba-Freundlichkeit der Berliner Sozialisten. Dass die Südwest-CDU in Sachen Bürgerbeteiligung rasante Entwicklungsschübe mitgemacht hat, brachten Braun und Wellmann zusammen zuwege; die CDU Steglitz-Zehlendorf erinnert im Protest gegen die Flugrouten über den Berliner Südwesten an die Grünen, wenn sie gegen Atomkraft agitierten. Der Mann mit der rauchigen Stimme war in der mittigen, programmatisch ein wenig diffusen Berliner CDU stets gut für klare Kanten. Und nie müde: Ein Parteifreund erzählt, um Brauns politische Leidenschaft anschaulich zu machen, wie er mal bis nachts um halb eins Braun Transparente für eine Wahlkampfkundgebung hergestellt habe, in „alter JU-Manier“ in einer Zeit, als beide über das JU-Alter längst hinaus waren.
Wenn einer von, mit und durch Politik lebt, das sagen viele in der CDU, dann Braun. Oder ging es dabei immer nur um ihn? Braun habe nach der Geschichte mit den Schrottimmobilien etwas nicht verstanden, sagen Parteifreunde, die es gut mit ihm meinen: Dass er einfach Zeit vergehen lassen müsse, ein Jahr oder zwei, damit im Zusammenhang mit seinem Namen nicht mehr ständig von Schrottimmobilien und 40 000 Euro Übergangsgeld nach zwei Wochen im Senat die Rede sei.
Seine Parteifreunde erklären Brauns Ungeduld damit, dass dieser Schwerarbeiter der CDU-Parteipolitik das Gefühl habe, ihm stünde eine Kompensation für das verlorene Amt zu. So ist bei Michael Braun in gewisser Hinsicht eine persönliche Kränkung zur politischen Antriebskraft geworden. Sein Ehrgeiz und seine Polit-Leidenschaft trieben ihn in die Konfrontation mit Wellmann um die Nominierung. Als dann Wellmann an einem Freitagabend Ende September nominiert wurde, gelobte Braun vor den Delegierten im BVV-Saal des Zehlendorfer Rathauses, er werde dafür arbeiten, dass Wellmann einen geschlossenen Kreisverband hinter sich habe. Doch viele in der Südwest-CDU haben ihm das schon damals nicht geglaubt. Norbert Kopp, Bezirksbürgermeister von Steglitz-Zehlendorf, sagte Ende September und sagt auch heute, Braun habe den Kreisverband gespalten, ein Neuanfang sei nur ohne ihn möglich. Wellmann selbst sagt in die Südwest-CDU hinein, man müsse jetzt die Reihen wieder schließen – und das sei mit Braun „nicht vorstellbar“.
In der CDU-Fraktion heißt es, dessen Kollegen aus Steglitz-Zehlendorf seien je zur Hälfte auf Brauns Seite oder seine Gegner. So weit gehen die Aversionen, dass die Sitzordnung im Plenum geändert worden ist. Normalerweise sitzen die Abgeordneten bezirksweise zusammen – doch Braun, heißt es, habe nicht mehr neben Uwe Lehmann-Brauns sitzen wollen. Dass die beiden die gemeinsame Anwaltskanzlei am Kurfürstendamm zum Jahresende auflösen wollen, wie Lehmann-Brauns bestätigt, ist dann nur noch ein weiteres Detail, das die Heftigkeit des Konflikts bezeugt.
Nur Cornelia Seibeld sieht das anders. Die Abgeordnete aus Steglitz-Zehlendorf und stellvertretende Kreisvorsitzende sagt, sie werde „ganz entspannt mal abwarten“, wie sich die Lage entwickele. Von einer Spaltung des Kreisverbandes könne keine Rede sein. Braun selbst sagt kurz und knapp, er habe als Kreischef jetzt den Wahlkampf vorzubereiten. An einer Personaldebatte könne niemand interessiert sein – auch Karl-Georg Wellmann nicht. Wie auch immer: Das Persönliche ist bei Braun auf eine destruktive Weise politisch geworden: So sehen es auch die unter seinen Parteifreunden, die ihn noch verteidigen.
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