zum Hauptinhalt
Locker bleiben. Das ist das Wichtigste beim Jodeln. Trachten tragen muss man hingegen nicht.
© Georg Moritz

Jodeln in Berlin: Ho Je Hi, Ho Je Hi Ri, Ja Hu Dii

Ja, wo sind wir denn hier? Am Görlitzer Park! Seit zehn Jahren lehrt Doreen Kutzke die Berliner das Jodeln – ganz ohne Tracht und Klischees.

Es ist gut, wenn gleich am Anfang alle Hemmungen fallen. Als der erste Jodler ertönt, lachen die Anwesenden noch nervös. Zwar kommt er nur aus der Anlage, aber die Workshop-Teilnehmer sollen gleich gemeinsam jodeln – zum ersten Mal in ihrem Leben. Wenige Augenblicke später gibt Jodellehrerin Doreen Kutzke die erste Übung zum Aufwärmen vor: Lippenflattern. „Und zwar wie es die Kinder machen“, sagt Kutzke und macht mit dem Mund ein Propellergeräusch. Alle steigen sofort ein, die erste Hürde ist genommen.

In den vergangenen zehn Jahren hat die Musikerin Doreen Kutzke in ihrer Jodelschule Kreuzberg einigen hundert Leuten das Jodeln beigebracht. Die 38-Jährige gibt Einzelunterricht und leitet einmal im Monat einen Jodelworkshop. Heute sind es acht Teilnehmer zwischen 30 und 68 Jahren. Sie treffen sich in den Räumen eines Friseursalons nahe dem Görlitzer Park.

Dass sich die Teilnehmer selbst einmal ans Jodeln wagen, liegt nicht zuletzt an Doreen Kutzke. Sie erreicht auch die weniger traditionellen Gemüter, denn sie möchte mit ihren Workshops dafür sorgen, „dass sich das Bild des Volkstümlichen ein bisschen auflöst.“ In Berlin, weit jenseits der Alpenromantik, stehen die Voraussetzungen dafür gut. Kutzke jodelt seit mehr als drei Jahrzehnten – doch inzwischen zu Elektromusik statt zu Alpenhörnern. Statt Dirndl trägt die zierliche Jodlerin Tattoo.

„As loud as possible“ – so laut wie es geht, steht auf einem Anstecker, den sie sich ans Sommerkleid geheftet hat. Schon nach knapp eineinhalb Stunden sind die Teilnehmer so weit, dass sie im Chor ihren ersten Jodler trällern. „Ho Je Hi, Ho Je Hi Ri Ja Hu Dii“, lesen sie von einem Blatt ab. Das Papier in ihren Händen zittert bei der Lautstärke.

Danach ist erst einmal Pause, die Teilnehmer strahlen. Eve, 41, die extra aus Hannover angereist ist, sagt: „Es war super. Ich grinse von einem Ohr zum anderen.“ Antje, 30, aus Charlottenburg hat den Workshop von ihren Arbeitskollegen zum Geburtstag geschenkt bekommen. Sie liebt Jodeln seit ihrer Kindheit und ist jetzt richtig gut gelaunt. Denn Jodeln, so heißt es, baut Stress ab. Nicht nachdenken, den Kopf ausschalten – das sei das Wichtigste, sagt Doreen Kutzke. Sie zum Beispiel jodelt gerne auch zum Wachwerden, nicht jeden Morgen, sagt sie, „aber es kommt schon vor, auch um die Laune zu bessern.“ Damit, wer hätte das gedacht, passt das Jodeln in den Wellness- und Lifestyle-Trend einer stressgeplagten Gesellschaft. Die einzigen Menschen, die oft nicht jodeln können, sind ausgebildete Sänger. Schließlich muss man bereit sein, die Kontrolle der Stimme abzugeben

Gelernt hat Kutzke das Jodeln in der ehemaligen DDR, wo sie in einem Dorf im Harz aufwuchs. Dort gab es eine Kinderjodelgruppe, der Kutzke beitrat, als sie sechs Jahre alt war. Kleidervorschrift: eine einheitliche Tracht. „Das war schon ziemlich feist, wie man das aus schlechten Volksmusiksendungen kennt“, sagt Kutzke. Mit der Pubertät war das gemeinsame Jodeln für sie erst einmal vorbei. Die Tracht, das Volkstümliche – das war zu peinlich für einen Teenager.

Ihr Jodel-Comeback hatte sie erst, als sie mit 19 Jahren nach Berlin zog. Sie trat als DJane auf und jodelte zunächst heimlich hinter dem Mischpult. Heute jodelt sie zu Jazz, Blues, Klassik – alles was ihr so unterkommt. Die Tracht zieht sie dafür nicht mehr an, auch wenn viele sich das bei ihren Auftritten wünschen. „Ich habe einfach keine Lust, den Hampelmann zu machen“, sagt Kutzke.

Jodeln geht schließlich auch anders. Doreen Kutzke präsentiert später einige Versionen des Country-Yodelling aus den USA und einen selbst komponierten Jodler in Moll. „Ist das traurig“, sagt Evi, 50, aus Steglitz, und lacht trotzdem. So ist das oft. Auch der 68-jährige Itai aus Schöneberg merkt, dass sich seine Gesichtszüge lockern, wenn er Jodelmusik hört. „Ich werde heiter“, sagt er und möchte jetzt Einzelunterricht bei Doreen Kutzke nehmen.

So entlässt die Kreuzberger Jodellehrerin ihre Schüler nach drei Stunden mit einer Übungs-CD in den Abend. Beim Herausgehen tragen fast alle einen Jodler auf den Lippen – von Scham ist nichts mehr zu spüren.

Der nächste Workshop findet am 19. Mai von 15 bis 18 Uhr in der Lübbener Str. 24 in Kreuzberg statt. Kosten: 45 Euro, Anmeldung unter Tel. 89 75 11 00 oder per Mail: doreen@jodelschule-kreuzberg.de.

Zur Startseite