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Nicht vergessen. Blumen und Kerzen erinnern an den Terroranschlag.
© Maurizio Gambarini/dpa

Nach dem Terroranschlag: Hilfen nach dem Opferentschädigungsgesetz möglich

Das Opferentschädigungsgesetz sollte zunächst nicht greifen. Jetzt einigten sich die Bundesbehörden darauf, dass es doch angewendet wird.

„Das ist ja wenigstens einmal eine gute Nachricht“, sagt Petra K. (Name geändert), deren Lebenspartner beim Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz schwer verletzt wurde. Auch Berlins Opferbeauftragter Roland Weber freut sich, dass Betroffene nun doch auch finanzielle Hilfen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) erhalten sollen. „Das ist vor allem für jene Verletzten beruhigend, die möglicherweise für längere Zeit oder sogar immer mit den Folgen leben müssen“, sagte Weber am Sonnabend dem Tagesspiegel.

Verkehrsopferhilfe sieht niedrigere Höchstsummen vor

Er hatte kurz nach dem Anschlag kritisiert, dass das OEG im Fall des Terroranschlags nicht greift, weil es ausdrücklich nicht zur Anwendung kommt, wenn die Tat mit einem Lastkraftwagen begangen wird. Dann ist die sogenannte Verkehrsopferhilfe zuständig. Diese sieht eine Höchstsumme von 7,5 Millionen Euro pro Fall – also für alle Geschädigten vor –, was kaum für die mehr als fünf Dutzend Betroffenen ausreichen würde.

Nachdem auch Medien die Forderung des Opferbeauftragten aufgegriffen hatten, teilte eine Sprecherin des Justizministeriums nun mit, dass sich Sozialministerin Andrea Nahles und Justizminister Heiko Maas (beide SPD) auf zusätzliche finanzielle Hilfe über das OEG geeinigt hätten. Die Zahlungen sollen im Rahmen eines „Härteausgleichs“ erfolgen. Eine Gesetzesänderung sei dafür nicht notwendig, sagte die Sprecherin, zumal man den Anschlag als Gesamttat sehe, bei dem der Täter nicht nur den Lkw, sondern auch eine Schusswaffe gegen den polnischen Fahrer eingesetzt habe.

Jetzt sind auch Rentenzahlungen möglich

Nach dem OEG sind unter anderem Rentenzahlungen bei beruflichen Einschränkungen möglich oder auch finanzielle Unterstützung für längere medizinische Behandlungen. „Damit hat man vielen Betroffenen eine große Unsicherheit genommen“, sagt Opferbeauftragter Roland Weber: „Denn manche wissen ja noch gar nicht, was für Kosten auf sie zukommen.“

Zu diesen Menschen gehört auch Petra K., die seit fast fünf Wochen Tag für Tag am Bett ihres Lebenspartners sitzt. „Mein Mann ist leider noch immer nicht aus dem Koma erwacht, aber er soll in eine Klinik für Frührehabilitation verlegt werden“, sagt sie. „Ich weiß nicht, was für Kosten auf uns zukommen. Auch wie ich künftig arbeiten kann, ist noch völlig unklar. Vielleicht wird mein Mann ganz gesund, vielleicht muss er für immer gepflegt werden.“

Sozialsenatorin Breitenbach begrüßt Entschädigungen

Berlins neue Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) begrüßte es ausdrücklich, dass die Opfer nun auch Entschädigungen nach dem Opferentschädigungsgesetz beantragen und Leistungen im Zuge des Härteausgleichs erhalten können. „Damit sind die Möglichkeiten erweitert, staatliche finanzielle Unterstützung zu erhalten“, sagte sie. „Das Landesamt für Gesundheit und Soziales als zuständige Behörde im Land Berlin wird hier schnell und im Sinne der Betroffenen entscheiden.“

Die Sprecherin der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales, Regina Kneiding, teilte mit, dass sich alle vom Anschlag Betroffenen ab sofort direkt an das Lageso wenden können, um sich beraten zu lassen und Leistungen zu beantragen. Unter der Telefonnummer 902296040 erreiche man eine zuständige Mitarbeiterin und außerhalb der Dienstzeiten sei ein Anrufbeantworter geschaltet. Man könne auch eine Mail senden an: oeg-beratung@lageso.berlin.de.

Das Land Berlin habe sich für eine Entschädigung nach dem OEG starkgemacht, sagte Kneiding, entschieden werde je nach Einzelfall.

Beim Opferbeauftragten Roland Weber haben sich in der Zwischenzeit noch weitere Betroffene gemeldet. Darunter sind Angehörige von Verletzten, aber auch einige Ersthelfer, die erst Tage nach dem Terroranschlag bemerkt haben, wie stark sie das Geschehen belastet. In den Krankenhäusern liegen noch zehn Schwerverletzte, alle anderen konnten bereits entlassen werden.

Das Bundeskriminalamt versendete ein Formschreiben

Einige Betroffene berichten, dass sie endlich auch vom Bundeskriminalamt angeschrieben wurden. Das ist in diesem Fall zur Unterrichtung nach Paragraf 406 i bis k der Strafprozessordnung (StPO) über die Befugnisse einer durch eine Straftat verletzte Person verpflichtet. Leider sei für die Unterrichtung wohl ein Formschreiben verwendet worden, in dem so unsinnige Dinge stehen wie „Sie können nach Maßgabe des §155aStPO eine Wiedergutmachung im Wege eines Täter-Opfer-Ausgleichs erreichen“.

Mehr geholfen habe ihnen hingegen ein beigefügtes Schreiben vom Opferbeauftragten Roland Weber, in dem alle Ansprechpartner für Personen- und Sachschäden, bei psychischen Beschwerden für traumaspezifische oder sozialrechtliche Betreuung aufgelistet werden. „Es ist schön zu wissen, dass man selbst Unterstützung erfährt“, sagt ein traumatisierter Helfer.

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