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Der Eingang zum Fundbüro befindet sich direkt neben der Haupthalle des ehemaligen Flughafen Tempelhof.
© Thilo Rückeis

Besuch im Fundbüro von Berlin: Hier wird nicht nur zu Ostern gesucht

Mehr als 30 000 Dinge landen das Jahr über im zentralen Fundbüro von Berlin. Ein Besuch ähnelt einer Zeitreise. Dabei geht es drinnen sehr modern zu – und krisensicher, weil immer mehr verloren geht.

Ostern mit dem beidseitig verlängerten Wochenende ist die Zeit des Suchens – ob nun menschliche Nähe oder das Weite oder bemalte Eier mit Schoko-Beilage. Bestenfalls findet man auch was, und sei es nur sich selbst. Dabei gibt es einen Ort in Berlin, an dem es das ganze Jahr ums Finden geht: das zentrale Fundbüro.

Auch das Fundbüro findet nur, wer es sucht: Man muss geradewegs auf den Flughafen Tempelhof zu, den im Wachkoma liegenden Platz vor der Haupthalle passieren und dann rechts zwischen den Säulen durch. „Liebe Suchende“, ist ein Zettel überschrieben, der auf die Möglichkeit der Online-Suche hinweist. Wer zu den Öffnungszeiten kommt, betritt eine Art Nachkriegsmuseum: blau geflieste Wände, drei Schalter, Milchglasscheiben, an Metallketten hängende Schilder: Einzelabfertigung. Ein Aushang informiert über die im Januar abgegebenen Sachen: 298 Börsen, 279 Schlüssel, 160 Handys, 90 Fahrräder, 70 mal Geld, 51 „Tüten mit Inhalt“, 22 Schirme, sieben Waffen, ein Kinderwagen. Insgesamt 1510 Dinge. Neben den Wartestühlen steht ein gut gefüllter Schirmständer, über den noch zu reden sein wird. An Schalter zwei fragt eine weißhaarige Frau nach einem Täschchen, in dem sich ihr „sehr hochwertiges Hörgerät“ befunden habe. Sonst herrscht Ruhe.

Manfred Schneider erscheint an Schalter drei und bittet ins Milchglasreich. Seit 13 Jahren leitet Schneider das Fundbüro, das eine Laune der Bürokratie dem Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg zugeteilt hat. Sie sind 14 Mitarbeiter hier, zwei mehr als früher. Eine Berliner Behörde, die wächst? Ursprünglich sollte auch er Personal abbauen, sagt Schneider. „Aber das macht bei uns keinen Sinn; dann könnten wir es gleich lassen.“ Die meisten Leute versuchen ihre verlorenen Sachen entweder sofort abzuholen oder gar nicht. Und sie verbummeln mehr denn je: Die Zahl der eingegangenen Objekte sei in den vergangenen Jahren von etwa 25 000 auf mehr als 30 000 im Jahr gestiegen, sagt Schneider.

Daten zählen im Fundbüro mehr als Details

Jetzt ist der Moment, ihm die Osterfrage zu stellen: Wird nach dem Fest mehr abgegeben, weil beispielsweise die Osterhasen in Parks ein paar MP3-Player versteckt und die Kinder nicht ordentlich gesucht haben? Nein, ein postösterlicher Peak ist nicht bekannt. Die Fallzahlen steigen trotzdem in diesen Tagen: Das wärmere Wetter lockt mehr Menschen nach draußen und mehr Touristen in die Stadt.

Benedikte Manthey, stellvertretende Leiterin des Fundbüros, vor der Wand mit den abgegebenen Schlüsseln.
Benedikte Manthey, stellvertretende Leiterin des Fundbüros, vor der Wand mit den abgegebenen Schlüsseln.
© Thilo Rückeis

Deshalb haben Schneider und seine Kollegen an Montagen nach Sommerwochenenden besonders viel zu tun. Jedes Fundstück wird im Computer erfasst, wobei die Regel gilt: Zahlen zählen mehr als Äußerlichkeiten. Über Zahlen können Schlüssel eindeutig zugeordnet und Fahrräder zweifelsfrei identifiziert werden. Noch wichtiger ist das bei Handys, damit kein Hallodri herkommt, der heimlich auf ein günstiges iPhone hofft: Ohne Gerätenummer läuft nichts. Umgekehrt helfen die Zahlen den Fundbürolern beim Helfen: Über die Nummer der SIM-Karte wird beispielsweise der Mobilfunkanbieter informiert, der sich dann bei seinem Kunden melden kann. Geklaute und später vom Ordnungsamt oder Anwohnern aufgelesene Fahrräder finden über Abgleich mit polizeilichen Diebstahlanzeigen zu ihren Eigentümern zurück, Ausweise ebenso. Auch stecken gelassene Autoschlüssel sind so gut wie gerettet, wenn der Passant beim Abziehen die Autonummer notiert hat. Ähnlich hoffnungsvoll ist die Lage bei Schlüsselbunden, an denen auch eine Hundesteuermarke hängt. (Ein schönes Argument für Menschen mit bisher unerfülltem Hundewunsch.)

Die meisten Fundsachen gehen nach Tempelhof

Die meisten Fundsachen gelangen über den täglichen Aktenverkehr aus Polizei und Bezirksämtern nach Tempelhof. Von den Büros mit riesiger Schlüsselwand und Wertsachenschränken führt eine Tür ins Depot für Sperriges. Schneiders Stellvertreterin Benedikte Manthey führt zwischen Regalen voller Koffer und Taschen entlang. In einem Schuhkarton stehen die Bagatellfunde eines Monats, also Dinge mit weniger als zehn Euro Wert: Haarklammern, Mädchengeschmeide, Plüschtierchen. Dahinter drängen sich hunderte Fahrräder. „Wir gucken alle Taschen noch mal durch, damit kein Essen oder nasse Sachen darin vergammeln“, erzählt Manthey. Wobei die geruchstechnisch besonders gefährlichen Turnbeutelvergesser eher die BVG betreffen. Deren Fundbüro in der Potsdamer Straße ist gemessen an der Fallzahl – 60 500 im vergangenen Jahr – noch größer, aber dort dominieren kleinere Objekte wie Mützen und Handschuhe. Wirklich Originelles – die BVG zeigte bei Presseterminen gern einen Rollstuhl samt Beinprothese – gebe es bei ihm praktisch nie, sagt Schneider.

Auch bei der Abholquote liegt die BVG mit 35 Prozent vorn. In Tempelhof stieg die Quote von etwa 15 auf 20 Prozent, als vor zehn Jahren die Online-Recherche eingeführt wurde. Seitdem stagniert sie. Nachdem Schneider von unglaublichen 60 Prozent in Bern gelesen hatte, rief er die Schweizer Kollegen an. „Aber die machen eigentlich nicht viel anders als wir.“

Manche mosern, wenn sie Gebühren zahlen sollen

So oder so sei die Arbeit im Fundbüro „schon eine dankbare Tätigkeit im Vergleich zu anderen Verwaltungen“. Allerdings „haben auch die Leute eine hohe Erwartungshaltung“. Manche meckerten, dass der Staat ihre Sachen nur gegen Gebühr herausrückt. Aber viele seien einfach froh – teilweise so sehr, dass sie Blumen bringen. „Wir müssen diese Leute vor den Kopf stoßen“, sagt Schneider: Geschenke dürften nie angenommen werden, und seien sie noch so klein. Alles streng geregelt – so wie übrigens auch die Existenz des Fundbüros und die Finderlohnregeln: Fast 40 Paragraphen widmet das Bürgerliche Gesetzbuch dem Thema.

Während seine Kollegen Fundstücke archivieren und zurückgeben, verbringt Schneider viel Arbeitszeit mit dem Löschen von Handyspeichern. Erst dann können die Geräte zu den Auktionen gegeben werden, über die das Fundbüro jährlich rund 70 000 Euro einnimmt. Hinzu kommen etwa 45 000 Euro Gebühren. Beides zusammen decke Miete und Betriebskosten, sagt Schneider.

Und warum stehen an diesem sonnigen Tag so viele Schirme im Warteraum? Die brächten bei den Auktionen selbst im Zehnerpack fast nichts ein, sagt der Chef. Also liegen sie für die Kunden aus – als Service des Hauses für Regentage.

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