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Sicherheitsvorkehrungen: Beamte der Bundespolizei patrouillieren auf dem Berliner Hauptbahnhof.
© Kay Nietfeld/dpa
Update

Berliner Polizisten wollen zur Bundespolizei: Henkel wirft Bund "Kannibalisierung" vor

Viele Berliner Ordnungshüter schauen sich nach anderen Stellen um - und der Bund lockt sie. Innensenator Henkel richtet deswegen deutliche Worte an den Bundesinnenminister.

Gewerkschafter und Personalräte beklagen es seit langem: Berliner Polizeibeamten müssen im deutschlandweiten Vergleich am längsten arbeiten und werden am schlechtesten bezahlt. Hinzu kommen personelle Engpässe, die wiederum dazu führen, dass die Arbeitsbelastung extrem hoch ist und dass sich Dienstpläne immer wieder ändern, was ein normales Familienleben fast unmöglich macht.

Man kann nicht einfach wechseln

Kein Wunder also, dass sich manche Ordnungshüter nach anderen Stellen umschauen. Die Innenminister und -senatoren der Länder haben bereits vor längerer Zeit verabredet, dass der Wechsel eines Beamten von einem Land zum anderen nur im sogenannten „Kopftausch“ möglich ist. „Das heißt, wenn ein Berliner Beamter in Baden-Württemberg arbeiten möchte, muss er im Gegenzug einen Kollegen dort finden, der nach Berlin kommt“, erklärt Michael Böhl, der Berliner Landesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK): „Ausnahmen gibt es nur bei sozialen Härtefällen, also wenn jemand beispielsweise einen kranken Angehörigen pflegen muss, aber nicht, wenn jemand sich verliebt hat, eine Familie gründen will und so weiter.“

Der Bund bezahlt viel besser

Eigentlich sollte das alles auch für den Wechsel von Landesbeamten in Bundesbehörden gelten, doch nach Informationen des Tagesspiegels häufen sich in letzter Zeit die Weggänge von Berliner Polizeibeamten in Richtung Bundesbehörden. Am Freitag schlug die Gewerkschaft der Polizei (GdP) der Polizeidirektion 4 mit einem Rundschreiben Alarm. Die Bundesbehörden hätten angesichts der „kaputt gesparten Sicherheitsstruktur“ tausende neue Stellen geschaffen, heißt es darin. Die meisten seien besser bezahlt und auch sonst deutlich lukrativer als in den Ländern, vor allem in Berlin.

Deshalb setzte momentan eine regelrechte „Fahnenflucht“ ein. Allein aus Berlin, so die GdP sollen sich über 300 Polizeibeamte bei der Bundespolizei beworben haben. Im Gegensatz zu einem Wechsel in ein anderes Bundesland gehe das ziemlich einfach, sagte GdP-Sprecher Steve Feldmann dem Tagesspiegel. „Der Berliner Polizeibeamte muss gar nicht selbst kündigen und damit ein Risiko eingehen. Er wird von seinem neuen Dienstherrn einfach zum Bundesbeamten ernannt und in diesem Augenblick erlöscht automatisch sein Treueverhältnis zum Landesherrn.“

Es gehen die Besten

Offenbar stünden eine ganze Reihe sogenannter „Raubernennungen“ durch den Bund bereits zum 1.September an, vermutet Steve Feldmann. Angesichts der Personalnot bei der Berliner Polizei eine große Belastung für die anderen Kollegen. „Wir sind da durchaus gespalten“, sagt Feldmann: „Natürlich gönnen wir den Kollegen, dass sie auch mal wechseln, andererseits betrifft das vor allem Beamte, die körperlich und geistig total fit sind. Es gehen also die Besten, wodurch die Personalnot in Berlin noch verstärkt wird.“

Gleich ein paar hundert Euro mehr

Und obwohl der Polizeipräsident ein sogenanntes Moratorium erlassen hat, wonach kein Beamter mehr Berlin verlassen darf, bedienten sich nicht nur die Bundespolizei, sondern auch andere Bundesbehörden bei den Berliner Beamten, heißt es bei der Gewerkschaft. Dazu würden verschiedene Tricks ausprobiert. Aus Polizeikreisen wird berichtet, dass immer mehr Fachleute zum Bund wechseln würden. Obwohl die meisten dann zunächst in der gleichen Besoldungsgruppe eingestuft würden, hätten sie wegen der besseren Bezahlung beim Bund mal eben gleich ein paar hundert Euro mehr. Außerdem stünden ihnen weitaus bessere Beförderungswege offen.

Was dies alles für die Sicherheitslage in Berlin bedeutet, mag sich mancher gar nicht ausmalen. Zumal die Ausbildung neuer Polizeibeamter einige Jahre dauert und viel Geld kostet.

„Das Problem ist bekannt, auch wenn wir die von der GdP angegebene Dimension nicht bestätigen können“, sagt Innensenator Frank Henkel (CDU) auf Anfrage. Es gebe „einen starken Abwerbedruck von Seiten des Bundes“. Konkret gehe es derzeit um 33 angestrebte Dienstherrnwechsel von der Polizei Berlin zum Bundesamt für Verfassungsschutz. „Es ist nicht in unserem Sinne, wenn andere Behörden im größeren Umfang auf fertig ausgebildete Berliner Polizeibeamte zugreifen“, sagt Henkel.

Beschlüsse alleine könnten „Raubernennungen“ allerdings nicht ganz verhindern. „Wir haben in dieser Legislaturperiode versucht, den Beamtenjob in der Hauptstadt durch eine höhere Besoldung attraktiver zu machen.“ Dennoch: „Insbesondere im Vergleich zum Bund, der als Arbeitgeber eine harte Konkurrenz darstellt, können wir derzeit nicht mithalten. Deshalb sind und bleiben wir in Berlin darauf angewiesen, dass sich alle Behörden an die bundesweiten Absprachen halten.“

Zudem habe sein Innenstaatssekretär vergangenen Woche seine Amtskollegin im Innenministerium kontaktiert. „Ich werde dazu auch das Gespräch mit dem Bundesinnenminister suchen“, kündigt Henkel an. „Wir werden deutlich machen, dass eine solche Kannibalisierung die Sicherheitsarchitektur in Deutschland schwächt.“

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