Neben der Erfolgsspur: Henkel wegen NSU-Akte unter Druck
Frank Henkel gilt als beliebtester Politiker Berlins, aber die Kritik am Innensenator nimmt zu. Besonders sein Krisenmanagement zum Verbindungsmann im LKA zeigt Schwächen. Jetzt will Henkel einen eigenen NSU-Ermittler einsetzen.
Viel Zeit zum Durchatmen hat Innensenator Frank Henkel derzeit nicht. In weniger als einer Woche musste er plötzlich auf zwei großen politischen Baustellen Krisenmanagement betreiben. Erst gab es den mehr oder weniger erzwungenen Rücktritt der glücklosen Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz, dann wurde am Donnerstag im Bundestags-Untersuchungsausschuss bekannt, dass das Berliner Landeskriminalamt jahrelang einen Neonazi als V-Mann führte, der 2002 Hinweise auf die Zwickauer Terrorzelle gegeben hatte. Dabei hatte es in den vergangenen Monaten stets geheißen, nach Berlin gebe es keine Verbindung. Die Nachricht rief nicht nur auf einen Schlag die Sicherheitspolitiker aller Parteien auf den Plan, sondern schaffte bundesweite Schlagzeilen.
Henkel will nach Informationen des Tagesspiegels die Vorgänge um den mutmaßlichen NSU-Unterstützer durch einen Sonderermittler untersuchen lassen. Ein Name steht allerdings noch nicht fest. Zudem fordern auch die Berliner Grünen jetzt Akteneinsicht. Nach Medienberichten soll der Verbindungsmann mehrfach Hinweise auch zum Aufenthaltsort des Terror-Trios gemacht haben. Von fünf Hinweisen berichtet der „Spiegel“.
Inhaltlich äußerte sich Henkel zu dem Komplex öffentlich bisher nicht; er informierte lediglich die Innenexperten der Fraktionen. Dabei hat er durchaus erkannt: „Das Vertrauen in den Rechtsstaat darf nicht verspielt werden.“ So stand es in seiner Presseerklärung vom Freitag. In dieser kündigte er an, „auf belastbarer Grundlage auch die Öffentlichkeit und die Medien“ informieren zu wollen. Die Innenpolitiker des Abgeordnetenhauses erwarten, dass er dies am Dienstag in einer Sondersitzung des Innenausschusses tun wird. „Belastbare Grundlage“ – das bedeutet, dass Akten über einen lange zurückliegenden Zeitraum gesucht, zusammengetragen, gesichtet und ausgewertet werden müssen. Man kann sich leicht vorstellen, welcher Druck über das Wochenende bei den entsprechenden Dienststellen entstanden ist. Denn noch einmal wird Henkel nicht so ahnungslos vor den Parlamentariern erscheinen wollen wie noch am Donnerstag. Da antwortete er auf eine Frage des grünen Innenpolitikexperten Benedikt Lux in der spontanen Fragestunde des Abgeordnetenhauses zu den bekanntgewordenen Vorgängen, er sei auch gerade erst damit „konfrontiert“ worden und „aufgrund der Aktualität nicht in der Lage zu sagen, ob die Vorwürfe zutreffen“. Inzwischen ist aber bekannt, dass der Innensenator seit März über den Vorgang informiert war.
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Der Dienstag ist nicht nur der Tag, an dem Henkel wirklich Rede und Antwort stehen muss, er ist auch ein Jahrestag: Vor genau einem Jahr fand die Wahl zum Abgeordnetenhaus statt. Am Wahlabend feierten seinerzeit die Christdemokraten ihren Landeschef und Spitzenkandidaten Frank Henkel, mit dem der Abwärtstrend der Union gestoppt war, fast so, als ob sie die Wahl gewonnen hätte. Dabei war zu dem Zeitpunkt nicht absehbar, dass die CDU sogar Regierungsverantwortung übernehmen würde. Und Henkel schaffte es in den folgenden Monaten wirklich, seine Popularitätswerte in der Stadt zu steigern. Während der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) vor allem wegen des BER-Debakels in der Wählergunst abstürzte, stieg der CDU-Mann zum beliebtesten Landespolitiker auf. In den letzten Umfragen stand er zwar trotz leichter Einbußen immer noch auf dem Spitzenplatz, allerdings trübt sich das Bild allmählich ein. Nachdem bereits im Sommer Kritik aus der Verwaltung an seiner Amtsführung bekannt wurde, werden immer mehr Problemfelder deutlich, bei denen es hakt.
Das wird auch an der Vorgehensweise im Fall Obernitz deutlich.
Das wird auch an der Vorgehensweise im Fall Obernitz deutlich. Denn Henkel betonte gerne, dass es seitens der Wirtschaft kein Vertrauen mehr in die Arbeit der Senatorin gab, die ohne Parteibuch für die CDU den Posten innehatte. Nach der Debatte um die Ausschreibung für den Chefposten bei der Messegesellschaft habe er schließlich keine Basis mehr für eine weitere Zusammenarbeit gesehen. „Meine Geduld war am Ende“, sagte Henkel beispielsweise dem Tagesspiegel. Die Ausschreibungsaffäre sei lediglich der Auslöser gewesen, heißt es in Senatskreisen. Mit der Senatorin sei einfach keine Kommunikation möglich gewesen, so dass beispielsweise bei der Messe kein Kompromiss gefunden werden konnte. Der Grüne Benedikt Lux hat allerdings nicht den Eindruck, dass Henkel in Krisen souverän handelt. „Er wirkt wie ein Getriebener“, sagte Lux. In diesem Fall seien wohl Entscheidungen aus dem CDU-Umfeld ausschlaggebend dafür gewesen, dass man Obernitz nicht mehr als Senatorin wollte. Jetzt muss Henkel aber zudem das bewältigen, was letztlich der Anlass für das Scheitern der Senatorin von Obernitz war. Für die Ausschreibung der Messechef-Stelle fühlt er sich zuständig; die wollte er der designierten Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer nicht gleich überlassen.
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Dabei ist noch eine weitere wichtige Personalie seit mehr als einem Jahr ungelöst. Seit der frühere Polizeipräsident Dieter Glietsch Ende Mai 2011 in den Ruhestand ging, ist der Posten vakant. Erst wollte Henkel, anders als sein Vorgänger Ehrhart Körting (SPD), das Amt nicht ausschreiben, sondern einen Polizeichef ernennen. Doch dann musste er erkennen, dass es so nicht geht.
Udo Wolf, Fraktionschef der Linken, wirft Henkel vor, nicht wirklich Verantwortung für die ihm unterstellten Behörden übernehmen zu wollen. „Nachdem beispielsweise die Rocker-Razzia verraten war, sollte das Frau Koppers (die amtierende Polizeipräsidentin, die Red.) erklären“, sagt Wolf. „Das ist zu wenig für einen Innensenator.“ Ein ähnliches Vorgehen sehe er auch bei den Vorgängen um den V-Mann im NSU-Umfeld. Jetzt werde der Generalbundesanwalt als Grund vorgeschoben, warum Henkel die Abgeordneten nicht darüber informiert hat, dass es auch in der Berliner Polizei Vorgänge gegeben hat. Der Innensenator müsse sich schon fragen lassen, wie er „mit der Öffentlichkeit und den Parlamentariern“ umgeht, sagte Wolf.
Sigrid Kneist