Der Luxus der Polizeikritikerin: Hengameh Yaghoobifarah wirbt jetzt fürs KaDeWe
Mit einem Text, der Polizisten auf den Müll wünscht, ist die linke Autorin bekannt geworden. Nun macht sie Karriere – in Klamotten eines Berliner Luxuskaufhauses.
Die Linke und der Luxus ist ein Thema, bei dem schnell etwas anbrennen kann, es geht um Anspruch und Wirklichkeit. Durfte Sahra Wagenknecht, damals Europaabgeordnete der Linken, den Kapitalismus geißeln und trotzdem in einem Restaurant Hummer genießen? Waren die Attacken von Linken-Parteichef Klaus Ernst auf die Agenda 2010 unglaubwürdig, weil er anschließend in seinem Porsche davonfuhr? Oder ziemt es sich für die Berliner Sozialdemokratin Sawsan Chebli, für Gerechtigkeit einzutreten und trotzdem eine Rolex am Handgelenk zu tragen?
Nun gibt es einen neuen Fall, der die alte Frage aufwirft. Als Berliner Polizisten diese Woche am Kaufhaus des Westens (KaDeWe) vorbeiliefen, dem Flagschiff des Kapitalismus in der Hauptstadt, trauten sie ihren Augen nicht: Überlebensgroß prangt in einem Schaufenster ein Foto der Autorin Hengameh Yaghoobifarah - mit seltsam geschlossenen Augen.
Sie hatte im Juni mit einer „taz“-Kolumne mit dem Titel „All cops are berufsunfähig“ die Polizei, deren Gewerkschaften, den Bundesinnenminister und auch ihre halbe Redaktion gegen sich aufgebracht.
„Wenn die Polizei abgeschafft wird, der Kapitalismus jedoch nicht, in welche Branchen kann man Ex-Cops dann überhaupt noch reinlassen?“, schrieb sie damals und gab auch gleich die Antwort: „Spontan fällt mir nur eine geeignete Option ein: die Mülldeponie. Nicht als Müllmenschen mit Schlüsseln zu Häusern, sondern auf der Halde, wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind. Unter ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selber am wohlsten.“
Die Reaktion auf den Artikel war so heftig, dass die „taz“ für ihre Autorin Polizeischutz anforderte.
Nun schmückt die Autorin nicht nur das Schaufenster, sondern posiert auch in einem Prospekt des Luxuskaufhauses mit Kleidung, deren Preis Durchschnittsverdiener wie Polizisten eher überfordern dürfte. Unter dem Foto, das die neue KaDeWe-Werbeikone in einem Sessel zeigt, stehen konsumentenfreundlich auch die Preise: „Ledermantel Marni, 3900 Euro. Ankle Boots By Far 459 Euro.“
Gewerkschaft ans KaDeWe: Was ist mit Polizisten, die dort einkaufen?
Für die Gewerkschaft der Polizei lieferte die Autorin des Müll-Artikels damit eine Steilvorlage. „Es ist schon verwunderlich, dass eine Dame, die sich den antikapitalistischen Kampf auf die Fahne geschrieben hat, für durchaus kostspielige Mode modelt“, sagt Benjamin Jendro, Pressesprecher des Landesverbandes Berlin. Und hat gleich auch noch einen Ratschlag an die Auftraggeber der Werbung. „Mal abgesehen von dieser Scheinheiligkeit sollte sich das KaDeWe schon fragen, ob es nicht vielleicht auch Polizistinnen und Polizisten gibt, die dort einkaufen und die dann die Person im Schaufenster sehen, die sie allesamt auf dem Müll entsorgen wollte.“
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Das Kaufhaus selbst sieht die Aktion als Ausdruck von Pluralität und Meinungsfreiheit. Die aktuelle Kampagne stehe mit ihrem Slogan Everyone is welcome "sinnbildlich für die Weltoffenheit des KaDeWe als Ort der Begegnung, der gesellschaftlichen und kulturellen Vielfalt", teilte die Pressestelle auf Anfrage mit. Dies umfasse "auch die Kunst- und Meinungsfreiheit, die Kontroverse, den Disput". Mitten in Berlin sei Platz für Kontroversen. "Das KaDeWe toleriert andere Meinungen, auch wenn wir sie nicht immer teilen. Wir alle halten das aus. Unsere Gesellschaft, unsere Marktwirtschaft, wir als KaDeWe."
Die Autorin selbst sieht das etwas anders. Sie versuchte auf ihrem Twitter-Account @habibitus, wo sie unter dem Namen Prada Loth schreibt, den Eindruck auszuräumen, dass sie für ein Luxuskaufhaus Werbung mache. „Interessantes Weltbild: das Einzige, was Leute davon zurückgehalten hat, 4000-Euro-Designermäntel zu kaufen, war die lack of diversity in deren bisheriger Kampagne.“ Vielmehr sei es andersherum: „More likely ist doch, dass ich linke Propaganda im Luxuskaufhaus bewerbe.“
Tatsächlich haben die Werber des KaDeWe auf das Schaufenster mit Hengameh Yaghoobifarah den linken Spruch „Alles allen“ geklebt – ohne Erklärung. „Alles allen“ ist auch der Name eines linksradikalen Ravekollektivs, das während der G20-Tagung in Hamburg eine „hedonistische Nachttanzdemo“ veranstaltete und zu Protesten gegen „homophobe, sexistische, rassistische, pressezensierende, menschenrechtsverletzende, vermeintlich gemeinnützige Staatschefs“ aufrief, wie die Aktivisten die angereisten Staats- und Regierungschefs in einem Adjektiv-Erguss nannten. Die Bilder des brennenden Hamburg gingen um die Welt.
Arbeiterführer Klaus Ernst übrigens wies die Kritik an seinem Lebensstil vor Jahren energisch zurück. „Es macht mir Spaß, Porsche zu fahren“, sagte er. Sein alter Porsche 911 sei „kein Luxus, sondern ein schönes Auto“.
Ist auch das fast 4000 Euro teure Kleidungsstück, in dem sich die linke Autorin Hengameh Yaghoobifarah für das KaDeWe im Sessel fläzt, gar kein Luxus, sondern nur ein schöner Mantel? Wahrscheinlich hatte Lenin doch recht, als er sagte: „Die Kapitalisten werden uns noch den Strick verkaufen, an dem wir sie aufknüpfen.“
Hinweis: In diesen Artikel wurden später Stellungnahmen der Autorin und des KaDeWe eingearbeitet, die in der ersten Fassung noch nicht vorlagen.