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Bonuskarte. Auch dieser "Prämienschein über RM. 1.-Konzentrationslager Auschwitz", signiert mit Häftlingsnummer, steht zum Verkauf.
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NS-Dokumente werden versteigert: Handel mit Hitler

Im Jüdischen Bildungszentrum in Berlin wurden Auschwitz-Dokumente gezeigt. Doch statt sie in Museen zu bringen, will ein Jerusalemer Auktionshaus sie meistbietend versteigern.

Bei einer Werbeaktion für das Jerusalemer Auktionshaus Kedem hat der Leiter des Jüdischen Bildungszentrums Chabad Lubawitsch in Wilmersdorf Dokumente aus dem Anklagematerial der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse vorgestellt. Ein Sammler hatte die Schriftstücke 2013 auf dem Flohmarkt von Jaffa entdeckt. Yehuda Teichtal begründete vor Medienvertretern die Berliner Präsentation des Fundes mit Vorbereitungen auf den Gedenktag der Befreiung von Auschwitz am 27. Januar. Es gebe nur noch wenig Überlebende, doch solle Erinnerung gebunden sein an „authentische Dinge“.

Ausweichend reagierte der Rabbiner auf Fragen, ob so etwas nicht eher kompetenten Instituten anzubieten sei, da solche Publicity möglicherweise Fetischjäger der Neonazi-Szene anlocke. Chabad Lubawitsch, sagt Teichtal, sei nicht Besitzer des Materials. Wissenschaftler hätten sich zur Besichtigung angemeldet, er hoffe, dass die Papiere „an einem Ort landen, wo weiter geforscht werden kann“. Bekämpfen lasse sich Antisemitismus durch Wissen. „Wir werden aus den Dokumenten lernen, so wird jeder von uns wie ein Leuchturm sein.“ Eben habe er in Jerusalem seinen Opa, einen Holocaust-Überlebenden, angerufen, der habe ihn in der Ansicht bestärkt. Sein Urgroßvater sei in Auschwitz umgekommen.

Auch Eran Reiss vom Auktionshaus Kedem versuchte die Vermarktung des Materials zu rechtfertigen, mit einem Hinweis auf seine Mutter, die den Nazis entkam. Der Holocaust sei „ein Teil seines Lebens gewesen“. Das Konvolut von 500 Typoskripten, Übersetzungen und Kopien stamme aus dem Besitz Isaac Stones, der ab 1945 als Assistent für den US-Staatsanwalt in Nürnberg das Berlin Document Center aufbaute. Stone starb 1974 in Israel, über die Umstände und den Verbleib seines Besitzes sei nichts bekannt. Die historische Bedeutung der zum Eröffnungspreis von 2500 Dollar angeboten Texte müssten Experten beurteilen: „Der Inhalt könnte bekannt sein.“ Die Frage nach ihrer Provenienz, zum Beispiel nach Eigentumsrechten des Berlin Document Center, sei berechtigt; Ansprüche seien bislang nicht angemeldet worden. Die Jerusalemer Auktion am 29. Januar sei eine letzte Gelegenheit für Privatleute, solche Dokumente zu erwerben.

Auch ein Brief von Göring an Hitler ist unter den Dokumenten

Die 20 meist englischsprachigen Papiere, die als Proben im Chabad-Zentrum gezeigt wurden, enthalten unter anderem eine Befragung des Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß, die Übersetzung einer Besprechungsnotiz zur Handhabung der „Judenfrage“ von 1941, eine originale Notiz zu einem Treffen mit Hitler zum selben Thema von 1937, 200 Kurz-Viten von Angeklagten, einen Brief Görings an Hitler vom 23. April 1945 mit dem Angebot, dessen Platz einzunehmen, sowie Anklagepunkte gegen Göring und Minister Konstantin von Neurath.

Dokumente sind von historischem Interesse

Nach Ansicht Juliana Rangels vom UN-Gerichtshof in Den Haag sind die Dokumente „sicher von historischem Interesse“. Wie die Archivarin der Jewish Telegraph Agency sagte, werde dem, was Archive des Vier-Mächte-Gerichthofs enthalten, dadurch nichts hinzugefügt. Ein anderes Archiv-Konvolut von Isaac Stone befindet sich im United States Holocaust Memorial Museum in Washington.

Die Firma Kedem war bisher vor allem für den Handel mit Judaika bekannt. In Berlin offerierte Eran Reiss außer den Stone-Papieren auch Zeichnungen eines nach England geflohenen Jungen zu Hitler (1939), Kopien des Eichmann-Lebenslaufes, des Hitler-Testaments von 1938 und einen „Prämienschein über RM. 1.- Konzentrationslager Auschwitz“, signiert mit Häftlingsnummer. Der Katalog preist dieses Dokument für ein KZ-internes Bonussystem als „very rare“ an. „Opening price: 1000 Dollar“.

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