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Robbe? Nordsee! Aber sonst: zum Gähnen, die Stadt.
© dpa

Till Reiners über Berlins Olympia-Konkurrent: Hamburg, du dröger Schnösel!

Man spielt lieber mit Kindern, mit denen man am besten Quatsch machen kann, oder? Hamburg macht nur eben keinen Quatsch, nie. Der Berliner Kabarettist Till Reiners über den anderen Olympia-Bewerber

Die Enttäuschung beginnt beim „Moin!“. Das sagt ihr so in Hamburg. Zur Begrüßung, zum Abschied, mittendrin oder wenn sonst gerade nichts is. Ihr suggeriert damit: „Schaut, wir sagen alle ,Moin‘, weil es bei uns verrückten Hamburgern immer sein kann, dass wir gerade erst aufgestanden sind. Hier kann dir einfach alles passieren, denn wir sind eine Weltstadt.“ Und dann stehe ich mittwochabends vor einem verschlossenen Kiosk. Weil es 20 Uhr ist. Vor allem aber: weil es Hamburg ist. Während einem das „Moin“ noch in den Ohren dröhnt, hangelt man sich von Enttäuschung zu Enttäuschung. Wer in der Weltstadt Bahn fährt, verfährt sich.

Der öffentliche Nahverkehr ist gegen Fremde konzipiert. Berlin hat ein Liniennetz. In Hamburg gleicht der Übersichtsplan einer untätigen Spinne. Linien kreuzen sich nicht. Es gibt keine Ringbahn. Es gibt die U3, die bildet ein bisschen einen Ring. Aber nicht so ganz, sonst wäre es zu einfach.

Dieses Dorf Hamburg ist nicht die Welt

Der Trost ist: Egal, wohin man sich verfährt man ist zu Fuß in zehn Minuten am Hafen. Spätestens dort merkt man, dass Hamburg alles ist, was in anderen Städten auch vorhanden ist, nur größer. Es gibt einen großen Hafen, einen großen Teich, einen großen Rotlichtbezirk. Ja, die Welt kann manchmal ein Dorf sein. Aber dieses Dorf ist nicht die Welt. Und das alles ist ja nicht schlimm. Warum sagt ihr nicht einfach: Es ist schön, in einer schönen Stadt zu leben?

Ein Freund von mir, ein echter Hamburger, zeigte mir vor vielen Jahren das erste Mal seine Stadt. Er erklärte mir auch, dass „Moin“ gar nichts mit dem „Morgen“ zu tun habe, sondern mit einer alten Formulierung für „gut“. Aber das wisse niemand außerhalb von Hamburg. Die Auswärtigen sind arme Ungläubige. Deshalb gibt es in Hamburg ein Schulfach, das jeder ab der ersten Klasse belegen muss. Es heißt: „Warum Hamburg die schönste Stadt der Welt ist und warum man das den Fremden immer wieder erklären muss.“ Sein Vortrag gipfelte im traurigsten Superlativ, den ich je gehört habe: „Wusstest du, dass Hamburg die größte zweitgrößte Stadt eines Landes in ganz Europa ist?“

Ich würde gerne schreiben: Hamburg ist die Stadt mit den größten Minderwertigkeitskomplexen Deutschlands. Aber es gibt ja noch Köln. Selbst da reicht es nicht zum ersten Platz. Ihr wollt so gerne die Größten sein. Und werdet als Musical-Metropole beworben. Schöner kann man Anspruch (Metropole) und Wirklichkeit (Musical) nicht in ein Wort packen. Ihr Hamburger seid das reiche Kind, das nicht versteht, dass man nicht alles kaufen kann. Verwundert blickt ihr euch um, wenn euch jemand sagt, dass Berlin noch etwas schöner ist.

„Aber es ist doch alles da“, sagt ihr, als würdet ihr stolz die sturmfreie Villa eurer Eltern präsentieren, und zeigt auf den Hafen, zeigt auf die Alster, zeigt noch mal auf den Hafen. Ja, ihr habt wirklich alles. Nur locker sein könnt ihr nicht. Hamburg ist eines der Kinder von früher, die einen Gameboy besaßen oder sogar einen Super-Nintendo. Es war immer spannend, sie zu Hause zu besuchen. Aber nie für lange. Irgendwann hat man das letzte Level durchgespielt. Danach spielt man lieber mit Kindern, mit denen man am besten Quatsch machen kann. Hamburg macht keinen Quatsch. Das, was dem am nächsten käme, heißt bei euch „Kiez“. Es ist Kirmes mit Beischlaf für Geld.

Hamburg macht einfach keinen Quatsch

Und dann gibst du dir Mühe und machst unangemessen teure Geschenke: „Kommt, dann bauen wir eben ein Opernhaus.“ Aber Sympathie kann man nicht erkaufen. Weil du dir immer Mühe gibst, von allen geliebt zu werden, wirst du von keinem geliebt. Deshalb macht dich Berlin so wahnsinnig eifersüchtig.

Berlin gibt sich keine Mühe. Die Berliner haben entschieden, dass aus einem stillgelegten Flughafen erst mal nichts gemacht wird. Der bekannteste Club ist ein stillgelegtes Heizkraftwerk. Die größte Attraktion in Berlin ist eine Mauer aus Beton. Lange Zeit gönnten sich die Berliner deshalb einen Bürgermeister, der sich auch keine Mühe gab. Ihr habt Olaf Scholz. Ein Mann mit einer Strahlkraft, die es manchmal bis nach Bergedorf schafft. In Bergedorf bin ich mal ausgestiegen, weil ich mich verfahren habe. Olaf Scholz verfährt sich nicht. Der „hält Kurs“, wie man im Wahlkampf so sagt. Olaf Scholz weiß, wie es der Hamburger gerne hat. Obdachlose am Hauptbahnhof? Vertreiben wir mit Musik. Alkohol in der Bahn? Verboten. Hamburger, seit wann seid ihr so ängstlich? Vermutlich seit ihr euch entschieden habt, mit der Hafen-City einen Ort zu schaffen, der zumindest so hässlich aussieht wie der Gedanke, der dahintersteckt: eine Stadt nur für die, die es sich leisten können.

- Berlin, du kleiner Moppel! Die Antwort aus Hamburg lesen Sie unter diesem Tagesspiegel-Link.

Berlin oder Hamburg - wer hat Olympia eher verdient? In einer gemeinsamen Sonderausgabe von ZEIT und Tagesspiegel haben wir zwei sportliche Gespräche mit den Bürgermeistern der beiden Städte geführt. Das Interview mit dem Hamburger Olaf Scholz finden Sie hier. Die komplette Sonderbeilage "Kampf der Städte" finden Sie im E-Paper vom 12. März 2015.

Till Reiners

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