Ost-West-Debatte: Gysi für bundesweite Ost-Quote bei Besetzung von Chefetagen
Der Linke-Politiker unterstützt damit den Vorstoß der Tochter Regine Hildebrandts. Die CDU hält nichts von der Idee.
Gregor Gysi, bekanntester Linke-Politiker in Deutschland, hat sich für eine bundesweite Ost-Quote bei der Besetzung von Chefetagen ausgesprochen. „Es spricht Bände, dass es im 29. Jahr der deutschen Einheit überhaupt noch so eines Vorschlags bedarf“, sagte Gysi dem Tagesspiegel. „Eine solche Quote kann helfen, dass Ostdeutsche in Führungspositionen anders als bisher auf Bundes- und ostdeutscher Landesebene endlich angemessen vertreten sein werden.“
Ausdrücklich unterstützt Gysi damit den Ost-Quoten-Vorstoß der Brandenburger Hochschulprofessorin Frauke Hildebrandt, der für Kontroversen sorgt. Die 49-Jährige ist die Tochter von Regine Hildebrandt, der 2001 verstorbenen früheren Brandenburger Sozialministerin, die als „Mutter Courage des Ostens“ populär geworden war.
Im Rahmen einer von der Landes-SPD angestoßenen Ost-West–Debatte begründet Hildebrandt ihr Plädoyer für eine bundesweite Ost-Quote von 17 Prozent – entsprechend dem Bevölkerungsanteil – mit der Unzufriedenheit in den neuen Ländern und der Unterrepräsentanz von Ostdeutschen in Führungsjobs. Nach einer Studie sind bundesweit 1,7 Prozent der Führungsjobs mit Ostdeutschen besetzt. Dagegen hat sich Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), der eine Debatte über strukturelle Benachteiligungen des Ostens befürwortet, unter Verweis auf „juristische Fallstricke“ kritisch zu einer Quote geäußert.
Entscheidend sei, widerspricht ihm nun Gysi, „dass die Unterrepräsentanz überhaupt als Problem erkannt und der politische Wille deutlich wird, dies zu ändern. Da sollte man nicht als Erstes mit den juristischen Schwierigkeiten argumentieren.“ Gysi erinnert daran, dass „diese Argumente auch in der Gleichstellungsdebatte für Frauen aufgerufen wurden“. Trotzdem habe sich die feministische Bewegung durchgesetzt. Das Grundgesetz verlange die Angleichung der Lebensverhältnisse, „das ist juristischer Hintergrund genug“.
Einwände habe es einst auch gegen die Frauen-Quote gegeben
Unterstützung kommt auch von Ralf Kleindiek (SPD), der in der vergangenen Legislatur verbeamteter Staatssekretär im von Manuela Schwesig geführten Bundesfamilienministerium war. Kleindiek, aufgewachsen in Hameln, Jurist, lebt seit einigen Jahren in Brandenburg. „Eine Ost-Quote ist eine vernünftige Idee“, sagte Kleindiek dieser Zeitung. „Denn eine Quote braucht man dann, wenn anders fehlende Gerechtigkeit und Teilhabe nicht erreicht werden kann.“
Das sei der Fall, wenn nach wie vor extrem wenige Spitzenjobs mit Ostdeutschen besetzt seien, und das selbst im Osten. Im Bundesministerium hätten Schwesig und er eine Ost-Quote bei der Besetzung von Gremien, Jurys und Beiräten trotz Schwierigkeiten durchgesetzt. Das Problem löse sich nämlich nicht mit den jüngeren Generationen. „Die Erfahrung ist, dass das nicht passiert. Es wächst sich nicht von selbst heraus.“
Einwände, auch juristischer Art, habe es einst auch gegen die Frauen-Quote gegeben. Da argumentiere Ministerpräsident Woidke „vorschnell“, sagte Kleindiek. „Der Punkt ist: Es geht um Macht, Einfluss und Geld. Und da teilt niemand einfach so.“ Natürlich müsse man juristisch sorgsam vorgehen. „Aber man kann bei vielen Positionen, etwa politischen Spitzenfunktionen, auch anfangen, und zwar rechtlich unproblematisch.“
Man könne ja durchaus darüber diskutieren, ob man Bayern zu einer Ost-Quote zwinge. „Es geht ja nicht um den Schützenverein am Starnberger See“, so Kleindiek. Entscheidend müsse sein, dass eine Ost-Quote für alle Gremien gelte, „in denen die Dinge besprochen werden, die ganz Deutschland betreffen.“
Strikt dagegen ist Steeven Bretz, Brandenburgs CDU-Generalsekretär. Es gebe zwar immer noch viele Ostdeutsche, die sich ungerecht behandelt fühlen, so Bretz. Dem müsse die Politik Rechnung tragen, ganz besonders in Ostdeutschland. „Der SPD-Vorschlag einer Ossiquote ist dabei jedoch wenig hilfreich.“ Nicht nur, dass sich eine solche Quote rechtlich gar nicht umsetzen ließe. „Sie vermittelt auch den Eindruck, dass Ostdeutsche in besonderem Maße hilfsbedürftig seien“, so Bretz. „Wir sollten uns nicht klein machen, sondern selbstbewusst unser Schicksal in die eigenen Hände nehmen.“