Koalitionsgespräche in Berlin: Gymnasien bleiben unangetastet, kostenfreie Hortbetreuung bleibt aus
SPD, Linke und Grüne verhandelten am Mittwoch hart über Schule, Jugend, Flüchtlinge und Integration. Auch in dieser Gesprächsrunde spielte Digitalisierung eine wichtige Rolle.
Die Berliner Gymnasien bleiben unangetastet. Rot-Rot-Grün hat sich in den Koalitionsverhandlungen am Mittwoch darauf verständigt, das Probejahr an den Gymnasien zu erhalten. Linke und Grüne hätten es gern abgeschafft, oder wenigstens einen entsprechenden Modellversuch gestartet. Mit den Sozialdemokraten war das nicht zu machen, auch weil sie den großen Ärger der betroffenen Eltern nicht auf sich nehmen wollten.
Im Gegenzug wollen die drei künftigen Regierungsparteien die Gemeinschaftsschulen stärken. Ein noch von Rot-Rot initiiertes Pilotprojekt, das aus der Versuchsphase erfolgreich herausgewachsen ist und langfristig als Regelschule im Berliner Bildungssystem fest verankert und ausgebaut werden soll. Die Bezirke sollen ermuntert werden, neue Gemeinschaftsschulen einzurichten. Im Neubau- und Sanierungsprogramm für die Schulen in der Hauptstadt, das im Koalitionsvertrag eine zentrale Rolle spielen wird, werden die Gemeinschaftsschulen entsprechend berücksichtigt.
Keine kostenfreie Hortbetreuung auf absehbare Zeit
Dem festgefahrenen Inklusionsprozess im Berliner Schulbetrieb wollen SPD, Linke und Grüne mit einer bedarfsgerechteren Personal- und Sachausstattung neuen Schwung verleihen. Alle Schulformen, auch die Gymnasien, sollen sich der Integration behinderter Kinder mehr als bisher öffnen. Auch soll der gebundene Ganztagsbetrieb ausgebaut und verbindliche Qualitätsstandards für die Betreuung der Schüler geschaffen werden. Geplant ist auch, noch mehr Sprachen an den Berliner Schulen anzubieten, beispielsweise auch arabisch und kurdisch sowie osteuropäische Sprachen.
Eine kostenfreie Hortbetreuung wird es allerdings auf absehbare Zeit nicht geben. Dieses Ziel hatte sich vor allem der SPD-Fraktionschef Raed Saleh auf die Fahne geschrieben und Anfang des Jahres gegen Widerstände in der eigenen Partei als Beschluss der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus durchgesetzt. Aber die Bildungspolitiker von Rot-Rot-Grün machen da nicht mit, zumal die Gebührenfreiheit im Hortbetrieb rund 80 Millionen Euro jährlich kosten würde. Aber die Bedarfsprüfung bei der Kita- und Hortbetreuung soll abgeschafft werden, um arbeitslose und in der Ausbildung befindliche Eltern nicht zu benachteiligen. Künftig sollen alle Eltern für ihre Kinder ab dem ersten Lebensjahr einen Willkommens-Gutschein für sieben Betreuungsstunden täglich erhalten. Die Bedarfsprüfung von Amts wegen ab dem dritten Lebensjahr wird abgeschafft.
Das sind die großen Vorhaben. Im Detail ist noch berichtenswert: Die Verfügungsfonds für die Schulen (das sind Budgets bis zu 20 000 Euro jährlich, über die sie eigenverantwortlich verfügen können) werden fortgeschrieben. Große Schulen sollen einen Verwaltungsleiter bekommen, kleinere Schulen sich eine Verwaltungsstelle teilen. Der sogenannte Stundenpool, der als personelle Entlastung gedacht ist, wird ausgebaut. Das Schulfach „Politik“ will Rot-Rot-Grün obligatorisch einführen, aber nur im Einvernehmen mit Eltern und Lehrern, denn das würde den Stundenplan erweitern.
Ausbau der Breitbandnetze und Modernisierung von Hard- und Software an Schulen geplant
Beschlossen wurde auch, die Berliner Schulen endlich für das digitale Zeitalter zu ertüchtigen. Mit entsprechenden Breitbandnetzen, moderner Hard- und Software sowie den dazu passenden Lehr- und Lernmaterialien. Außerdem wollen die drei Parteien ein angeblich bundesweit einmaliges "Begabungsförderung-Programm" einrichten.
Zur Bekämpfung der Kinderarmut in der Stadt und für die Unterstützung der Eltern will Rot-Rot-Grün ein Familienförderungs-Gesetz erarbeiten. Die bezirklichen Jugendämter sollen finanziell und personell gestärkt werden und vereinzelt schon vorhandene Familienservice-Büros in den Bezirken als zentrale Anlaufstellen ausgebaut werden. Das Sanierungs- und Neubauprogramm für Kitas und Spielplätze soll aufgestockt werden.
Es gibt allerdings noch eine Hürde zu überwinden: Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) und die Führungsleute der künftigen Koalition müssen in der abschließenden Verhandlungsrunde erst noch entscheiden, was wünschbar – und was finanzierbar ist. „Am Ende wird zusammengerechnet“, sagt Bildungs-Staatssekretär Marc Rackles (SPD).